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„Heal your Heart“ – El Diario – Part VIII

Growth – Freitag, 15. Dezember 2023

07:51 Uhr

Es hat die gesamte Nacht ausgesprochen stark geregnet. Von der Unterkunft in Tulipe habe ich eine Absage erhalten. Am Morgen habe ich verschlafen und ich bin komplett gerädert aufgewacht. Da war die Resignation wie so oft zuvor. Das Konstrukt meines Verstandes wurde ein weiteres Mal von der Realität zertrümmert. Nun befinde ich mich am Fluss. Die Strömung ist reißend, das Wasser schmutzig und gewaltig. Vorhin zog ich eine Tarotkarte. Ich fühlte mich unendlich klein und den Umständen ausgeliefert. Es war die Zehn der Schwerter, der Untergang.

10:44 Uhr

Ich habe Kopfweh, meine beiden Rucksäcke sind mit heißem Wasser frisch gewaschen, meine Sachen sind zu 70 Prozent gepackt. Stehe ich wieder am gleichen Punkt wie vor ein paar Wochen? Ist Osho meine Komfortzone? Gibt es einen anderen Kompromiss als am Samstag oder Sonntag weiterzuziehen? Wohin treibt es mich? Sicherlich gibt es da diese Stimme in mir die weiß, dass ich am liebsten hierbleibe, mich verkrieche und verstecke, mich zurückziehe und isoliere. Aber mache ich das? Ich könnte noch fünf oder zehn andere Unterkünfte anschreiben. Bereits am zweiten oder dritten Tag dachte ich mir „Julian, was machst du eigentlich hier“, ich habe nach neuen Unterkünften gesucht, Texte für das Anschreiben vorformuliert, doch irgendwie prasselte dann so viel Neues auf mich ein und ich habe mich dafür entschieden, zu bleiben. Jeder Ort der Welt ist schön. Selbst in Krisen- oder Kriegsgebieten wird es Menschen geben, die dort bleiben. Nicht weil es so idyllisch ist, sondern weil es ihre Heimat ist, weil es Leute braucht, die schlichtweg bleiben, die sich nicht vertreiben oder entwurzeln lassen – so gefährlich es auch sein mag. In Tschernobyl gibt es die „Samosely“, die im Sperrgebiet leben. Warum sollten sie dort nicht leben? Lieber den Tod durch Strahlung denn den Tod durch Diktatur. Es braucht Andersdenkende. Es braucht Freigeister. Es braucht den Protest. Es braucht den Widerstand.

17:23 Uhr

Ich habe das „Gratitude“-Dokument auf die Internetseite eingepflegt, liege hier wieder mit den Over-Ear-Kopfhörern und einer Universe-Meditationsmusik auf dem Bett, vor mir brennt die weiße Kerze, sie ruht in einer geöffneten Kokosnussschale. Diese wiederum befindet sich in dem Pilgermuschelhalsband. Ich habe Tränen in den Augen. Es sind Tränen der Heilung. Ich bin glücklich. Zu lange befand ich mich im Widerstand, doch zu viel Energie hat es gekostet. Ich muss nicht mein gesamtes Leben lang gegen etwas abkämpfen, mich abrackern und abmühen, ich darf akzeptieren und annehmen. Ich muss akzeptieren und annehmen. Ich muss vergeben. Ich darf schlichtweg sein ohne zu müssen. Die Musik beruhigt mein Gemüt. Ich denke an Ulm. Ich denke an das Fließen des Wassers. Heute morgen saß ich eine knappe Stunde am Fluss. Der reißende Strom nichts weiter als die unbestimmte Summe einzelner Regentropfen die sich versammelt haben und nun flugs gen Weiter rasen. Wie damals an der Pegnitz dachte ich an die unterschiedlichsten Reisen eines Regentropfens. Der eine kann isoliert auf einem Objektträger unter dem Mikroskop liegen, die wachen Augen eines Kindes begutachten ihn. Oder er hat sich zu einem wunderschönen Eiskristall transformiert. Der andere wurde von einem Vogel getrunken. Der Vogel wird von einer Katze gefressen. Die Katze wird von einem Auto überfahren, ein Räumfahrzeug schiebt den Kadaver zur Seite, eine Sturzflut reißt ihn in die Kanalisation, der Tropfen ist wieder bei den Seinigen. Plötzlich ergibt alles einen Sinn. Ich liege hier im Bett mit der silbernen Gebetskette aus dem koptischen Viertel in Kairo auf meiner Brust, doch mein Bewusstsein entschwebt. Es zieht gleich einer Drohne schwerelos in die Höhe. Es geht durch die Decke, es richtet die Aufmerksamkeit auf die beiden Flüsse und auf die Armaden von Bäumen dort unter sich. Dann ist sie da diese ewigliche Weite. Im 360 Gradwinkel befindet sich da der Horizont. Irgendwo in der Ferne die schneebedeckten Vulkangipfel. Es ist weitaus schöner denn auf dem Mount Everest zu stehen. Andere mühen sich ab und riskieren ihr Leben auf Gletscherspalten, ich liege hier in der tiefsten Seelenruhe und fliege höher. Ich spüre die Beinmuskulatur. Ich hoffe, dass die Zeit hier eine gute Vorbereitung für die anstehenden Kilometer auf dem Fahrradsattel sein werden. Glaube an dich, glaube an deine Träume, glaube an die aufgewendete Energie. Glaube an den einen Regentropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Glaube an den einen Gedanken, der in der ewigen Wiederholung das Wunder manifestierte. Glaube an die Kontinuität der Worte. Glaube an den Fluss. Glaube. Glaube. Glaube.

Believe – Donnerstag, 14. Dezember 2023

15:20 Uhr

Ich komme wieder mit dieser Energie in Verbindung von der ich lange dachte, dass sie destruktiv und verletzend ist. Es ist die aggressive und wütende Seite von mir. Es ist der Teil in mir, den ich lange weggedrückt, verleugnet oder abgelehnt habe. Ob es aus Rücksichtnahme vor meinem Umfeld war weiß ich nicht mit Sicherheit. Ich habe mich damit selbst systematisch zerstört und kaputt gemacht. Ich habe mich so wie ich bin als Mensch und mindestens genauso wichtig als Mann mit meiner Energie in der Mitte meines Zentrums aus dem Gleichgewicht gebracht. Ich war oft da, doch viel zu nett, ließ Andere über meine Grenzen gehen und nahm mich, meine Bedürfnisse und meine Wünsche zurück. Jetzt bin ich noch hier, doch ein großer Teil von mir ist schon wieder weg, er wertet die Menschen und diese Gegend hier ab. „Die Leute suchen sich ihre Armut selbst aus, ich werde ausgenützt und und und“ sind die Worte, die sich in meinem Kopf immer wieder abspielen. Ich habe eine Alternative weil ich einen Studienabschluss habe, weil ich in jedem Moment tschüss und auf nimmer Wiedersehen sagen kann. Doch was mache ich mit diesem Privileg? Ich bin nicht dazu bestimmt mein Leben in sterilen Büroräumen und Besprechungssälen zu verbringen. Ich bin dazu bestimmt irgendwie zu leben. Jeder Mensch muss seinen eigenen Weg suchen und finden. Die einen sterben frühzeitig auf ihrem Weg, sie haben es aus den unterschiedlichsten Gründe nicht geschafft. Amy Winehouse trotz ihres Erfolges und ihrer Millionen eine Versagerin? Was ist letztlich richtig und was ist falsch? Wohin zieht mein Boot? Mein Kurs ist nicht ausschließlich vom Wind abhängig. Ich besitze ein Steuer und kann notfalls das Segel einziehen. Besitze ich Kompass und Landkarten? Bin ich seetauglich? Beim Windsurfen hatte ich einmal ein für meine fortgeschrittenen Anfängerfähigkeiten ein deutlich zu großes Segel. Ich konnte die Fahrt nicht mehr wirklich kontrollieren, es kostete ausgesprochen viel Kraft und war recht freudlos. Doch höre ich auf mein Herz? Vorhin war da wieder das Rufen in meinem Innen unmittelbar alle Sachen zu packen und mich heute Nachmittag oder morgen in den Bus zu setzen. Wohin? Vermutlich nach Quito. Irgendwohin werde ich schon gespült werden. All die Leute und Begegnungen hier sind nur ein winziger Abschnitt meines Lebens, ich kann ihn aus meinem Lebenslauf ausklammern, ich kann ihn verleugnen. Aber dann wurde ich mir wieder meinem inneren Versprechen gewahr, dass Gott mich gegenwärtig auf die Probe stellen möchte und ich bis zum Ende diesen Jahres hier bleiben soll – so schwer es auch sein mag. Ich hasse mich gerade. Wieder bilden sich Tränen in meinen Augen. Meine Energie möchte gerade wieder eingegangene Beziehungen oder Verbindungen blocken. Mir egal was im Anderen vorgeht, mir geht es schlechter. Sicherlich ist das kein erwachsenes Verhalten für einen 33-Jährigen. Heute bin ich mir dessen bewusst, früher machte ich mir vor, dass das eben ich sei.

Ich darf also wieder schauen, dass ich mit meinem Selbst in Verbindung komme; mit das Wichtigste sind gerade meine Over-Ear-Kopfhörer und die „Tengo mucho sueños“-Playlist. Vermutlich wäre es „normal“, jetzt mit einem Menschen zu reden. Doch ich habe nicht gelernt zu reden. Sicherlich fing ich an reden zu lernen auf den Stühlen von studierten Psychologen und Therapeuten, doch dies war nicht das Leben. Was also mache ich? Wie geht es weiter? Wieder ist da diese immense schwarze Wand vor mir. Es ist diese Wand, die mich am Ende meines Masterstudiums beinahe hat aufgeben und verzweifeln lassen. Es ist diese Wand, dieser Kampf, diese Unfähigkeit mit Herausforderungen und der „normalen“ Energie da draußen umzugehen. Es ist dieses Verleugnen meines eigenen Selbst. Es ist die Abneigung und der Widerwille. Gerade wäre der perfekte Moment um den Inkognito-Tab zu öffnen. Dann könnte ich wieder einmal alles um mich herum vergessen, mich in den unsichtbaren Seiten und all den leblosen Körpern und nackten Hüllen verlieren, dann wäre ich glücklich, ja dann wäre ich glücklich. „Schlechte“ Lesende verstehen selbstverständlich nicht die Ironie. Doch jetzt fließen sie die Tränen, jetzt ist da wieder diese Leere in mir, mein Smartphonedisplay bleibt leer. Da ist dieses Vakuum, dieses schwarze Loch. Wo ist die Liebe? Wo ist die Freude? Wo ist das Glück? Alles nur verschwenderische Platzhalter, nichts weiter als das Richtige. Wieder bin ich alleine. Ich ziehe mich zurück. Mir egal, was sich dort draußen abspielt. Mir egal, wenn jemand etwas von mir will. Zu viel habe ich gegeben, zu viel Raubbau habe ich an meiner Seele betrieben. Gott, wo bist du? Leben, wo bist du? Was habe ich hier eigentlich all die Wochen und Monate getrieben? Habe ich nichts Besseres zu tun, als mich mit einem Haufen Amateure zu umgeben?

Was fühle ich gerade? Da ist diese Traurigkeit, da ist dieser Hass, da ist diese Wut, da ist dieses abgekoppelte Sein von dem Fluss und von der Bewegung. Da ist diese Kälte und dieses zerbrochene oder verwundete Herz. Da ist diese Enttäuschung. Da ist die Unfähigkeit, mein eigenes erwachsenes Leben zu führen.

15:44 Uhr

Ich gebe zu viel. Und tief in mir wünscht oder erwartet vielleicht sogar ein Teil, dass ich etwas im Gegenzug erhalte. Aber ich erhalte nichts oder zumindest nicht das, was ich bräuchte. Ewigkeiten erscheint es her, dass ich „Die Kunst des Liebens“ von Erich Fromm auf der Dachterrasse in Mexiko-Stadt gelesen habe. Bin ich seitdem weiter? Was ist dieses Weiter? Ja verdammt, ich habe mehr geschrieben, ich habe Kolumbien noch einmal besucht und Ecuador kennengelernt – aber was ist das schon wert? So wie all die anderen Menschen bin ich jeden Morgen aufgestanden und habe Dinge gemacht, auf die ich keinen Bock habe, die gemacht werden müssen, in meinen Augen überflüssige Dinge und und und. Aber was ist das schon wert? Was hat sich seit dem 14. Dezember 2022 schon groß verändert? Ich wohne nicht mehr in Lörrach aber so toll war es dort auch nicht. Ich habe erkannt, dass ich im Geld mein Glück nicht finden kann. Aber ich stelle auch fest, dass es ein Mindestmaß an Geld zum Leben braucht. Was mache ich auf diesem Planeten? Ja, ich gebe zu viel. Mein Impuls sagt, unmittelbar meine Anstrengungen und Bemühungen zurückzufahren. Wieder ist da dieses Alles oder Nichts. Wieder Schwarz oder Weiß. Wieder Entweder Oder. Liebe. Hass. Verbindung. Isolierung. Nichts dazwischen. Einzig die beiden Gegenteile. Kein Raum und kein Anhaltspunkt für eine Handreichung. Purer Hass. Pure Ignoranz. Pure Täuschung. Aber ich muss mir vergegenwärtigen, dass ich noch hier lebe, dass die fallenden Regentropfen echt sind, dass die Tiere jemanden benötigen, der sie füttert, dass sie auf mich angewiesen sind. Ich bin nicht das Besitztum von einem anderen Menschen. Ich bin kein Millionär. Ich bin kein Heiler. Ja, vielleicht bin ich ein Scharlatan. Aber dann muss ich das akzeptieren. In ein paar Minuten wird es vermutlich für zwei Stunden wieder keinen Strom haben. Es gibt drei Möglichkeiten: 1. Ich rege mich auf und mache dieses „inkompetente Entwicklungsland“ innerlich fertig. 2. Ich akzeptiere es und genieße den Freiraum jenseits von digitalen Endgeräten. 3. Das habe ich inzwischen wieder vergessen.

16:07 Uhr

Ich habe mich dazu entschieden, kalten Kaffee zu trinken und bin etwas verwöhnter, da ich zwei Tüten für je einen Dollar mit Pan de Dulce und Pan con Sal samt vier fünf Kerzen im Dorf erworben habe. Die silberne Gebetskette befindet sich neben mir, das Pilgermuschel-Halstuch ebenfalls. Im Februar nächsten Jahres werde ich mich in Santiago de Compostela befinden. Das steht außer Frage. Was wünsche ich mir? Was bete ich? Fühle ich mich ohnmächtig und meinen Umständen ausgeliefert? Setze ich die Brille der Negativität und Destruktion auf? Richte ich meinen Fokus auf die Verluste und die Rückschläge in der Vergangenheit? Nicht unbedingt die beste Wahl, wenn ich glücklich und zufrieden sein möchte. Was also mache ich? Unzählige Dinge gibt es hier zu tun, aber das steht jetzt nicht im Vordergrund. Die silberne Gebetskette wird riesengroß, das Kreuz es ist ein kleiner Berg, das Eigentliche ist aus meinem Blickfeld geraten. Ich muss meine Hände falten und mir vergegenwärtigen, dass ich nicht ohne Grund hier bin, dass dem Perpetuum-Tag no. 846 der Perpetuum-Tag no. 1.692 folgen wird. Entscheide ich mich dafür hier zu bleiben oder weiterzugehen? 20 Tage verbleiben mir noch hier. Ich habe es in der Hand. Oder darf ich die Verantwortung nicht doch lieber an Gott weitergeben? Was erwarte und was wünsche ich mir noch vom Leben? Gegenwärtig bin ich zu müde diese Frage zu beantworten…

18:02 Uhr

Mir kommt es so vor, als würde ich immer noch im Dunkeln tappen. Mir fehlt die Erleuchtung. Mir fehlt die Herzöffnung. Mir fehlt der Durchbruch. Mein gesamter Körper schmerzt. Unglaublich viel Stress und Erschöpfung fallen von mir ab. Das Vogelnest trägt einzig noch einen leblosen kleinen Körper. Das ist die Natur. Dafür fand ich vorhin auf dem Weg zum Fluss eine Gänsemutter mit ihren sechs Jungen. Schnell ging ich zurück ins Haus und holte eine Kelle voll mit Mais und Spezialfutter für die Kleinen. An der gleichen Stelle stürzten sie sich auf das Essen. Habe ich damit meine gute Tat des Tages vollbracht? Wohin führt meine Reise? Wieder sind da die Fragen über Fragen. Unendlich viele Gedanken in meinem Kopf. Ich akzeptiere sie. Aber ich identifiziere mich nicht mehr mit ihnen. Auch wenn ich mir sage, dass ich im Verhältnis zu einem Arbeiter, der keine Bücher ließt, vermutlich mehr Gefallen daran finde, mich meinem Intellekt hinzugeben. Das Denken ist wichtig für mich. Das Schreiben ist wichtig für mich. Das Atmen ist überlebenswichtig für mich. Alles hat seinen Sinn. Alles hat seine Berechtigung. Alles Schritt für Schritt.

Seite 75

19:19 Uhr

Wieder Bett

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und Regen. Wieder Schreiben.

19:26 Uhr

Immer noch packt mich etwas an diesem Inseltraum. Ich muss ein Ende für „Heal your Heart“ finden. Aber noch ist es nicht so weit. Nein, ein wenig Tinte verbleibt mir noch. Ich habe wieder per E-Mail Kontakt aufgenommen mit einem Hamburger Freund. Über gute zwei Jahre war die Verbindung abgebrochen, ich hatte keine aktuelle Telefonnummer von ihm, glücklicherweise dann noch seine E-Mail-Adresse gefunden. Er schrieb mir, dass er meiner Internetseite folgt (woher hat er den Link?) und dass er immer noch damit beschäftigt ist, seinen Platz in der Welt zu finden. Die Tonga-Doku habe ich weiter angeschaut. Herrlich all die Charaktäre und Persönlichkeiten. Vorhin habe ich nun doch noch einem Workaway-Host geschrieben. Es ist merkwürdig. Der Platz liegt in Tulipe auf der Strecke nach Quito – ich wünsche mir eine Antwort zu erhalten – gleichzeitig hat sich die Aufregung von vorhin gelegt und so schlecht / abwegig erscheint es mir nun wieder doch nicht, die kommenden 20 Tage hier zu verbringen. Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall bin ich froh, die Anfrage einfach rausgesendet zu haben – früher hätte ich ewig überlegt und es am Ende dann vermutlich doch nicht gemacht. Aus irgendeinem Grund stehen da Portugal, Norwegen, Hiva Oa, Australien und Marokko ganz weit oben auf dieser Liste. Schweden habe ich abgehakt, da ich mit der Bahn einst von Kopenhagen für ein paar Stunden bis nach Malmö gefahren bin. Aber das Land kenne ich noch nicht. Es ist Mumpitz.

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Was? Einfach alles! Der Meeresspiegel wird mit Sicherheit angestiegen sein. Aber wozu Panik? Keine Sorge, alles wird gut. Gott reist immer inkognito. Alles wird gut. Alles wird gut. Alles ist gut. Ja. Alles ist gut. Seit jeher und auf Ewigkeiten.

Dedication – Dienstag, 12. Dezember 2023

08:22 Uhr

Wieder sitze ich auf dem Stuhl im Eingangsbereich, trinke Kaffee, spüre die vom abgeebbten starken Regen kühle Luft auf meiner Haut, ich trage die Gummistiefel, habe nach den für die Menschheit bedeutsamsten Entdeckern gesucht, ein paar gefunden, doch warum ist mir das von Bedeutung? Mein Vater hat mir geschrieben, der Wespenstich schmerzt beim Laufen immer noch recht intensiv, wohin mit deinen Schritten, wohin nur mein Sohn? Wieder das Flusswasserrauschen, die Vögel kriechen aus ihren Verstecken und bezwitschern die Umwelt, ein neuer Tag ist angebrochen, ein neuer Tag ist angebrochen. Aus der „The Tigris Expedition“ habe ich das Zitat von Thor Heyerdahl transkribiert: “We have felt that we have been living 5.000 years ago among really civilized people. And then suddenly we wake up to be in the year 1978 where wonderful people on both sides of the Red Sea are killing each others. And we know that people in all nations are so alike that they try to solve problems by killing other people that are like yourself. It’s the greatest stupidity men ever invented.”

Wie kann Frieden manifestiert werden? Wie kann Frieden verpflichtend werden? Ist es innerhalb der etablierten Strukturen überhaupt möglich? Sind die Vereinten Nationen wirklich Hilfsorganisationen oder nichts weiter als Organe des guten Gewissens und im Hintergrund steuert die Waffenindustrie? Weiß es jemand? Macht es einen Sinn Fragen wie diese zu stellen? Wie kann die Zeitlosigkeit festgehalten werden? Warum war bei Nabokov der 12. Roman für den internationalen Erfolg und finalen Durchbruch ausschlaggebend? Hatte er es beim Schreiben gewusst? Der Hund riecht wie eine Kuh, zu lange hat er sich gestern im Mist genüsslich gewälzt und scheint Gefallen daran zu finden, diesen beinahe bestialischen Gestank mit sich herum und in die Umgebung zu tragen. Man muss Tiere nicht immer verstehen. Es geht gemütlich zu. Ja, es geht gediegen zu. Mit dem Kaffee und dem Kuhgeruch komme ich mir wie auf dem Schweizer Bergbauernhof vor. Fehlt nur noch das schneebedeckte Bergpanorama. Jenseits der Kubatur der Kreise können Sterne gezeichnet werden. Alternativ können sie gemalt werden. Dafür muss jedoch ein separater Bewilligungsantrag mit zwei Durchschlägen gestellt werden. Jene müssen in den Abteilungen 45.A und 89.H unterschrieben und abgeheftet werden. Das digitale Zeitalter wird nicht in den Behörden ankommen. Warum weiß kein Mensch. Was geschieht heute? Niemand ist sich dessen gewahr. Lachs ist im Kühlschrank vergeblich zu suchen.

16:42 Uhr

Hier draußen an der frischen Luft weht ein sanfter Wind. Es ist angenehm und leicht kühl. Worauf richte ich mein Bewusstsein? Ein Vogel ist verschwunden, die Katze ist aufgetaucht. Sie ist neugierig. Sie streunt umher und erkundet immer noch zum ersten Mal. Vielleicht ist es für das kollektive Wohl sogar von Mehrwert, wenn zwei Stunden pro Tag der Strom abgeschaltet wird. In Deutschland wäre es ein Modellprojekt, bei dem Millionen Euro im Voraus an Forschungsgeldern fließen würden. Was mache ich aus meiner Lebenszeit? Was ist mir ein Tag, eine Woche, ein Monat, ein Jahr, eine Dekade wert? Was ist mein Leben wert? Wie viele Stunden werden noch verstreichen ohne dass ich eine Ahnung habe? Die Vorweihnachtszeit ist mysteriös, das Warten wird allerdings früher oder später ein Ende haben? Gerne wäre ich bereits jetzt schon auf dem Fahrradsattel irgendwo an der Französischen Südküste. Ich kann es nicht erwarten. Das Jahr 2024 wird groß. Wir haben all die technischen Errungenschaften, doch wir sind leer. Der Fokus muss wieder auf das Wesentliche gerichtet werden. Wir müssen glauben. Trotz oder vielleicht sogar exakt wegen all der Unkenrufe müssen wir uns behaupten und unserem Werk kontinuierlich weiter Form verleihen. Denn wir kamen nicht ohne Grund. Denn wir atmen nicht ohne Grund. Denn wir zerbrechen uns nicht ohne Grund den Kopf in der Stille wenn es Ungereimtheiten oder propagandaähnliche Wahrheitserklärungen gibt.

16:49 Uhr

Es ist der Wind der Veränderung. Die Vögel fliegen. Heute beim Laufen auf der Wiese wie ich all das Grün, das Gras und das Wachstum sah spürte ich, dass dieser Planet so immens und kraftvoll ist und ich als einzelnes Wesen so klein und vermeintlich unbedeutsam bin. Aber es war eine schöne Erkenntnis. Denn sie vergegenwärtigte mir, dass letztlich die Natur das Sagen hat. Wir kamen als Gäste auf diese Erde. Ja, sie ist unser zuhause, doch wir sind hier nur zu Gast. Im Laufe unseres Lebens können wir aus dem vermeintlichen Nichts Milliardenimperien erschaffen, wir können unzählige Bäume pflanzen, Firmen gründen, immer neue Medikamente erfinden, doch im Kern werden wir immer die Selben sein. Wir haben unsere Wurzeln in unseren Ahnen. Wir sind eine Perle in diesem kostbaren Familienerbstück, in dieser Kette. Wir können unsere Sehnsüchte und innersten Wünsche nicht verleugnen. Wir können sie verleugnen für eine geraume Zeit, doch früher oder später müssen wir in den Spiegel blicken und uns tief in die Augen schauen. Dort werden wir das Wesen sehen, das wir im Kern sind. Im Spiegel werden wir all die Unsicherheiten und die Ausflüchte finden, wir werden merken, dass etwas nicht passt. Doch werden wir den Mut besitzen diesen Kokon zu zerreißen? Werden wir aus unserem Selbst heraus sein und wirken ohne darüber nachzudenken, was andere Wesen über uns selbst denken könnten? Werden wir einfach zufrieden und glücklich sein, weil wir an diesem verstrichenen Tag unser Bestmöglichstes gegeben haben (auch wenn es diese Stimme in unserem Kopf gibt, die uns einzureden versucht, dass wir niemals unser Bestmöglichstes geben können in diesem Leben da es immer Menschen gibt, die besser sind als wir)? Werden wir uns über den Regen freuen, weil er die Pflanzen und die Lebensmittel nährt? Werden wir tanzen gemeinsam mit Gleichgesinnten ohne an das Morgen zu denken?

Wieder stelle ich mir vor, dass ich mit dir auf einer Dachterrasse oder Anhöhe gemeinsam auf der handgeflochtenen Decke liege, dort in greifbarer Nähe am Horizont die Sonne ins Nirwana eintaucht, wir den Herzschlag des Gegenübers fühlen, die Sprache der Hände Bände spricht, ein Schmetterling ließ sich auf einem Grashalm nieder, …

17:04 Uhr

Ich schmuse mit der hellbraunen Katze, H. meinte sie und ich wir seien Brüder wegen der Ähnlichkeiten unserer Haarfarben und der blauen beziehungsweise grünen Augen. Ich höre die Buchstabenaneinanderreihung: „Meine Augen auf dich gerichtet, mein Herz sehnt sich nach dir, mein Leben hingegeben, alles gehört dir, meine Augen auf dich gerichtet, mein Herz sehnt sich nach dir, mein Leben hingegeben, alles gehört dir, wenn ich vor dir stehe, dich anbete, fokussier mich ganz auf dich, deine Nähe umgibt mich, ich bleib für immer bei dir…“ von ICF SWB Worship, …

17:28 Uhr

Unzählige Schwalben schwirren umher, die Katze hat es sich auf meinem grünen Rollkragenpullover bequem gemacht, ich nehme sie einfach mit zurück nach Deutschland. Sie fühlt sich wohl, dass merkt man. Immer wieder schmiegt sie sich an meinen Handrücken, sucht die Verbindung, dreht und wendet sich, rollt sich zusammen und blickt mit leicht geschlossen Augen in irgendeinen Zwischenraum. Vor mir all die Magie der Naturgrüntöne. Es ist das Paradies auf Erden. Die Schwalben, die Katze und ich – wir wissen es. Der Fluss rauscht. Fünf junge Papayas hängen an einem Bäumchen. Der Bereich da ich sitze wartet auf Gemeinschaft. Platz für gut 18 Leute hat es hier. Irgendwann wird sich hier eine Gruppe befinden. Doch im gegenwärtigen Moment befinde ich mich hier alleine. Es ist sinnbildlich für mein Leben. Ich bin oft alleine unterwegs, sehne mich nach der Verbindung, doch wenn die Menschen kommen, dann ziehe ich mich zurück, dann brauche ich meine Ruhe und meinen Raum, dann brauche ich die Freiheit und die Stille. In mir steckt von allem ein bisschen. Ich bin die Welt. Ich bin auf der Suche. Eine Träne steckt im Inneren meines Auges fest, sie schafft es nicht bis an die Oberfläche. Leicht weine ich im Innen. Ist es das dieses Leben? Unbeschreiblich, ungreifbar, nicht näher eruierbar? Ein immenses Rätsel. Woher kommen all diese Bäume auf der gegenüberliegenden Hangseite? Wer erschuf sie? Wer ließ sie in die Höhe wachsen? Wer gab ihnen Licht und Wasser? Wer schützt sie? Werden sie eines Tages gefällt werden? Warum ist es uns so wichtig auf einem anderen Planeten Wasser zu finden? Hier haben wir Wasser, doch wir verschmutzen es, wir stellen den kurzfristigen wirtschaftlichen Profit eines Unternehmens über das Menschenwohl, über das Leben, über Ahnenreihen von Generationen. Wir sind dazu bestimmt auf diesem blauen Planeten zu bleiben. Wir dürfen unseren Heimatplaneten so gut es geht bewahren und beleben. Wir müssen ihn bewirtschaften, wir benötigen Nahrungsmittel und Rohstoffe. Aber wir dürfen ihn nicht bis über die natürlichen Grenzen ausplündern und uns an ihm bereichern. Ist es nicht in Gänze natürlich so viel zu essen und zu verbrauchen, wie auch vorhanden ist? Früher konnte ich mit dem ökologischen Fußabdruck nicht so viel anfangen. Wen interessiert es schon, ob du zwei Erden verbrauchst wenn die Auswirkungen jenseits deines Alltags auftreten? Wen interessiert schon Krieg, wenn der Feind auf der anderen Seite der Grenze wohnt und bekämpft werden muss? Welcher Mensch werde ich sein, wenn ich auf diesem Fleck in 33 Jahren sitzen und „Heal your Heart – El Diario“ in der Hand halten werde? Wer werde ich morgen sein? Wie viel Wasser wird in den kommenden 33 Jahren den Rio Magdalana hinunterfließen? Wie viele Autos werden in 33 Jahren noch in der Wallbrunnstraße geben? Wird es immer noch Menschen geben, die behaupten, dass ohne Autos nicht gelebt werden kann? Leben wir nicht doch in generationenübergreifenden Gemeinschaften in Eartships mit Tieren und Pflanzen? Werden wir den Frieden im Innen und Außen gefunden haben? Werden wir die Früchte unserer Arbeit ernten können? Welche Samen werden wir an unsere Nächsten weitergegeben haben?

Ich möchte aufstehen, doch ich kann die Katze nicht aufwecken. So bleibe ich sitzen, genieße einfach am 12. Dezember in der Vorweihnachtszeit diesen Wunderflecken in Ecuador, bin dankbar für die Gesundheit meines Seins und atme ein paar Male tief ein und aus…

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20:57 Uhr

Ein weiterer langer Tag neigt sich dem Ende zu, interessehalber habe ich auf Workaway nach Hosts in Portugal geschaut – über 1.200 Angebote und alle in der Art, wie ich sie mir wünsche. Ein Platz hat es mir angetan, er befindet sich auf einer Insel, es ist das Paradies. Soll ich nicht doch hierbleiben, nein, ich bin noch nicht angekommen, ich bewege mich mittlerweile wieder in Teilen in meiner Komfortzone. Weiter darf es gehen – ich bin gespannt, was da im Universum noch auf mich wartet. Gut Ding will Weile haben. Aus mir strahlt das Wunder heraus. Ich bin die Heilung. Immer weiter sammle ich die Momente der Freude, der Heilung, des Wachstums und der Natürlichkeit. Ich bin am Geben und ich erhalte. Ich bin dankbar zu leben. Ich bin. Ich bin aus der Tiefe meines Selbst heraus mit etwas weitaus Größerem in Verbindung.

Immer wieder fällt mein Blick auf die größere Spinne an der gegenüberliegenden Wand – aber ich kann sie schlecht töten. Ich erinnere mich an die Worte Jesus: „Du sollst nicht fürchten.“

Courage – Montag, 11. Dezember 2023

17:01 Uhr

Ich esse Kokosnussstücke, habe einen frischen Kaffee neben mir stehen und sitze auf einem weißen Plastikstuhl an einem schwarzen alten Tisch. Ich frage mich, ob es wohl jemals eine Zeit gab, da er „in“ war. Ich trage das rotweiße Hemd aus dem Ökoladen in Tübingen „Made in Bali“, meine türkisgrüne Chinohose und die Sportschuhe mit den gelben Sohlen. Ich bin ausgesprochen leer und verwirrt. Die Erkenntnis trifft mich wie der Schlag, dass ich am 03. Januar 2024 wieder die Rückreise nach Europa oder vielmehr nach Deutschland antreten muss oder werde. Bin ich mittlerweile weiter als am 03. Juli 2023? Warum ist mir das überhaupt wichtig? Im Leben geht es einfach darum zu sein, zu lieben, zu machen was einem Freude bereitet und wovon die Gesellschaft profitieren kann. Die Fledermaus ist irgendwann im Laufe des Tages gestorben, ich spürte ihren winzigen Herzschlag, sie konnte allerdings nicht mehr fliegen. Ich habe einen Wespenstich im linken Oberschenkel am Knie, er ist recht schmerzhaft. Gil. und ich ernteten fünf Kokosnüsse (vielmehr er, ich schaute fachmännisch zu), wir schälten sie (er schälte sie), wir öffneten ein paar (er öffnete ein paar), tranken genüsslich das Wasser, schabten aus den frischeren von ihnen nach dem Knacken die weiche weiße Masse mit einem Löffel aus und waren ein Stück entspannter. Gerade erscheint es mir unmöglich, dass ich all die Monate alleine hier in Amerika überlebt habe. Irgendwie geht es dann schon immer – aber habe ich das Schicksal unter Kontrolle? Ich weiß nicht so wirklich weiter. Gerade kommt mir das komplette „Perpetuum Publishings“-Getue wie ein Albtraum vor, ich würde gerne einfach leben, einfach ein bisschen Geld verdienen, einen Ort oder vielmehr eine Heimat haben mit den Menschen die mich kennen, mit den Menschen die ich kenne, mit meinen Eltern, mit meiner Schwester, mit meinen Freunden und mit meiner Partnerin. Ich habe es satt umherzuziehen und immer wieder weiterzureisen und gleichzeitig weiß ich, dass ich im kommenden Jahr exakt das des Öfteren machen werde. Ich kann nicht anders. Es liegt mir im Blut. Bereits jetzt habe ich schon wieder ausgesprochen Fernweh, ich vermisse Europa, ich muss Portugal und Norwegen kennenlernen und in Italien meine Olivetti Lettera 22 kaufen. Ich muss meine Fahrradkette ölen, die Bremsen nachziehen und den Ledersattel einstellen, meine Satteltaschen packen und mein Zelt samt der Pilgermuschel mitnehmen und endlich wieder mit dem Rad unterwegs sein. Wo ist mein Segelboot und wo mein Baumhaus, wo mein „Perpetuum Publishings“-Buchregal no. 2 und wo die „UNRUHE“-Version meines Großvaters, wo ist der Barcelona-Besuch no. 3 meines Lebens, wann Zypern und wann Sizilien? Was ist mit den Kanarischen Inseln oder mit den Kapverden? Wer richtet mich oder wurde ich schon längst gerichtet? Wohin wird es mich weiter in Zukunft ziehen? Wann werde ich Asien kennenlernen? Wie wird es wohl in Istanbul am Bosporus riechen? Kann ich als nicht Moslem dennoch einen Weg finden den schwarzen Stein in Mekka zu berühren? Wann werde ich die Gräber auf dem Cimetière du Père Lachaise von all den Schaffenden erkunden? Ja, ewiglich laut schreit es in mir, denn ich bin verzweifelt, da meine Internetseite und somit das „Heal your Heart – El Diario“-Projekt einzig eine Handvoll Leute in Erfahrung gebracht haben. Aber was soll ich tun? Habe ich mir zu wenig Mühe gegeben? Bin ich auf dem Holzweg oder schon längst in der Sackgasse? Sicherlich ist der State of the Art durchlässige Sackgassen für zu Fuß Gehende oder Radfahrende zu planen und auch zu bauen. Aber noch wurden sie nicht alle umfunktioniert. Wann wurde aus Hundertwasser Hundertwasser? Was machte de Saint-Phalle zu de Saint-Phalle? Warum Antoine de Saint-Exupéry und nicht Karl Eberhard Müller? Warum die Neugierde? Warum Osho? Warum dieser innere Antrieb nach der Ungewissheit? Wann mein 6.000er? Wann der Acamarachi? Wann der Durchbruch?

Es ist spät geworden. Die Zeit ist fortgeschritten auf einer anderen Ebene weit jenseits der Normalität. Ich sitze hier gleich dem stoischen Buddha und bin aus mir nicht näher ersichtlichen Gründen vom Wandel der Zeit gefeit. Mittlerweile befinde ich mich nicht mehr im Kaninchenbau, ich wache in der Realität, allerdings als geläutertes Wesen. Alles reißt an meinem Gefieder. Die zwei Vogelküken im Nest atmen. Nach jedem 24 Stundenzyklus besitzen sie mehr Federn. Es gibt Nachwuchs bei den Hühnern. Es ist ein kunterbunter Haufen. Vermutlich geht es im Leben darum einfach Leben in die Bude zu bringen, sich nicht aus Rücksicht vor anderen Menschen zu sehr zurückzunehmen und gleichzeitig mit offenen Augen bewusst für die Wünsche und Sehnsüchte der anderen zu sein. Ich habe mir ein Youtube-Video angeschaut von einem Mann, dessen Inhalten ich in der Hamburgzeit folgte. Damals wohnte er glaube ich in Sedona. Er hat sich verändert und mein Anschauverhalten hat sich ebenso gewandelt. Ich verbringe nur noch recht wenig Zeit vor dem Bildschirm. Beziehungsweise bin ich bewusster und aktiver wenn es darum geht, welche Informationen in meinen Kopf finden. Er sprach von Empathen und Narzissten, von „People Pleasern“ und „Nice Guys“. Am Ende befand ich mich in der seelischen Krise. Ich befinde mich immer in der Position des netten Menschen. Ich kann keine Grenzen ziehen. Ich kann nicht nein sagen. Ich kann nur schwer Konflikte aushalten. Wenn die Harmonie gestört oder getrübt ist (selbst wenn sie nur oberflächlich vorhanden ist), dann zerbricht ein Teil in meinem Herzen. Vielleicht ist es eine tiefe Kindheitswunde, die niemals verheilen wird. Doch ich bin jung, ich bin 33 Jahre alt, ich habe mein Leben vor mir, wenn ich noch des Öfteren im Manduriacu-Tal sein werde, dann werde ich mit Sicherheit auch 107 oder 112 Jahre alt werden, dann habe ich noch mindestens 74 Geburtstage vor mir, dann kann ich noch einiges lernen über mich und die Welt, dann habe ich noch unglaublich viele Seelen denen ich begegnen kann, dann werde ich immer weiter meine Schritte frohen Mutes auf dem schmalen Pfad im Dritten Jahrtausend nach Christus setzen können. Ich glaube. Ja, ich glaube. Ich glaube an den „Perpetuum Publishings“-Traum. Ich glaube an die Nährstoffe der Kokosnüsse auf dem Baum und in meinem Magen. Ich glaube an die Beerdigungsrituale der Tongarianer (Einheimische aus Tonga, vielleicht nennt man sie auch anders). Ich glaube an die Menschlichkeit. Ich glaube an die Tiere und an das Wasser. Ich glaube an die Stimme meines Herzens. Ich glaube meiner Neugierde. Ich glaube der Sonne und dem Neumond. Ich glaube der übergeordneten Summe der Dinge.

Irgendwann werden wir aufwachen und spüren, dass wir angekommen sind im Paradies. Alles um uns herum wird noch so sein wie es zuvor war, doch alles hat sich verändert. In uns ist etwas geschehen. Unser Innen hat sich gewandelt. Wir haben eine unsichtbare Schale zerbrochen. Wir befinden uns im Himmel. Wir sind dankbar für all die Proben und Lehren in der Vergangenheit, da sie uns zu dieser Persönlichkeit im gegenwärtigen Moment werden ließen. Wir sind dankbar für die Narben und Wunden, da sie uns in die Richtung der Heilung stießen. Wir sind dankbar für die Nahrung auf unseren Tellern. Wir sind dankbar für die Gesundheit in unserer Seele.

Ja, es ist spät geworden. Alles hat sich verändert. Das Gewohnte ist implodiert oder aus den Fugen geraten. Die Beweisstücke müssen noch vollständig gesammelt, katalogisiert und ausgewertet werden. Das Universum hat uns unweigerlich vor Augen geführt, dass es an der Zeit ist den Blick auf andere Tatsachen zu richten. Wir sind verstrahlt oder gestört in unserer Frequenz. Wir müssen in die Gesamtheit unseres Selbst eintauchen. Ohne das Vertrauen geht es nicht. Wir müssen bedingungslos in unser Gegenüber vertrauen, in ihm das Höchste des Menschen sehen, denn dieses Höchste wird uns wieder gespiegelt, dieses Höchste gibt uns Geschenke und Licht und Liebe und Gemeinschaft. Wir müssen wagen auf unbekanntem Terrain und ohne auf das was bereits vorhanden ist Rücksicht zu nehmen Neues schaffen. Es ist ein fortwährender Zyklus des Werdens und Vergehens, der Einsichten und Ausblicke, der Horizonte und Perspektiven. Es ist ein Prozess. Eine Odyssee. Ein Opus Magum. Es ist die unendliche Geschichte. Das Fass ohne Boden. Die Summe der Dinge. Es ist der Moment in dem wir die Luft anhalten müssen, da die Gänsehaut uns von der Erde zieht. Es ist das Geschenk.

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18:45 Uhr

Wieder liege ich im Bett, 12 Stunden oder 50 Prozent eines Tages habe ich nun wieder ungestört für mich zur Verfügung. Es tat mir ausgesprochen gut einfach wach oder im Schlaf an diesem friedlichen Ort zu sein und kontinuierlich das Fließen des Wassers und die Tiere zu hören. Hier bin ich ein Teil von allem. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Fahrzeuge in dem Zeitraum da ich mich nun im Manduriacu-Tal befinde die Wallbrunnstraße in Lörrach entlanggefahren sind. Tausende Menschen wohnen dort, alte, junge, arme, etwas reichere, Väter, Mütter, Kinder. Sie hören (vermutlich eher unbewusst) dieses künstliche Rauschen rund um die Uhr. Muss man sich dann noch wundern, wenn eine Gesellschaft krank ist? Vieles geht mir durch den Kopf, der Wespenstich am Oberschenkel schmerzt recht stark, ich wurde in der Muskulatur getroffen und habe nun Schwierigkeiten beim Laufen. Das Bedürfnis nach dem Inkognito-Tab ist nicht da. Immer wieder denke ich an Ma., stelle mir philosophische Grundsatzfragen der Menschheit, die alle großen oder kleinen Geister bereits beschäftigten, ich entspanne mich, lasse los und bin einfach mit meiner Seele in meinem Körper an diesem besonderen Ort nahe des Äquators inmitten der Natur. Dafür bin ich dankbar. Vorhin wurde ich mir gewahr, dass ich vermutlich ähnlicher als mein Vater bin als mir lieb ist. Aber das ist ein Teil des Prozesses, das ist ein Teil meines Lebensweges. Wir sind alle mit unseren Ahnengenerationen verbunden. Sie wirken durch uns hindurch, wenn wir das Licht des Bewusstseins noch nicht auf gewisse Themen gerichtet haben. Nicht alle in meiner Familie sind so reiselustig wie ich. Und irgendwie ist das auch gut so. Sie passen in der Heimat darauf auf, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Sie warten in irgendeiner Form auf mich und meine Erzählungen. Es kann sein, dass ich

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mir das nur einrede. Gerade stehen wir von einem zentralen Scheideweg. Wir stehen immer vor dem Scheideweg, wir haben immer die Wahl aus freien Stücken Entscheidungen zu treffen. Aber gerade ist es intensiver. Ich habe die Möglichkeit, Wünsche und Gebete in das Universum hinauszusenden. Ich bin getragen vom Kosmos. Ich bin ein Teil des Ganzen. So viel gibt es, was ich nicht sehe, doch das ist das Leben. Ja, das ist das Leben.

19:09 Uhr

Auf einer nicht sichtbaren Ebene verändern sich gerade so viele Dinge, auf globaler aber auch auf individueller Ebene. Wir sind miteinander verflochten. Im Innen tragen wir alle die Sehnsucht nach einem friedvollen harmonischen und florierenden Leben, doch sind wir oft so abgekoppelt davon, dass wir missbrauchen und misshandeln, verraten und hintergehen, belügen oder töten. Wir fügen anderen wissentlich oder unwissentlich Schmerzen zu. Wir nehmen mehr Rohstoffe und Nahrungsmittel als vorhanden sind. Hier lerne ich, dass alles begrenzt vorhanden ist. Ja, im spirituellen oder religiösen Bereich wird häufig proklamiert, dass wir größer denken müssen. Aber wie sehr denken wir da an unsere Nächsten, wie sehr sind wir uns unserer Wurzeln und unserem Ausgangspunkt bewusst? Dieser befand sich einst im Mutterbauch oder noch viel früher beim Akt der Zeugung. Was würde ich schreiben, wenn ich mich nun in der internationalen Raumstation im Weltall befände? Was würde ich in Dubai schreiben? Was in Kiew und was auf den Osterinseln? Was bei Ma.? Was nach dem Besuch des US-amerikanischen Präsidenten? Was auf dem Himalayagipfel? Was im U-Boot? Was in einem Panzer? An welchen Orten bewege ich mich? An welchen Orten möchte ich mich in Zukunft noch mehr bewegen? Mittlerweile wohnte ich ein paar Mal an Flüssen. Das Meer fehlt noch. Zieht es mich stärker in die Stadt oder in die Natur, in wärmere oder kältere Gefilde? In

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eine Gemeinschaft, ein alternatives Wohnprojekt oder alleine in eine Eigentumswohnung? Werde ich noch einmal ein eigenes Auto besitzen? Wann schreibe ich in der Bucht von Hiva Oa? Universum, was erzählst du mir? Kann es eine künstliche Intelligenz mit mir aufnehmen? Ist ein nicht näher klassifizierbarer Schreibstil erkennbar? Was bringt das Morgen? Wo finden Austausch und Dialog statt? Wer bestimmt, wer wir als Gesellschaft sind? Auf welcher Frequenz schwingen wir? Welche Gebete verlassen unser Sein?

Acceptance / Die Sam-Fledermaus – Sonntag, 10. Dezember 2023

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07:52 Uhr

Ich schaue mir die National Geographics-Dokumentation „The Tigris Expedition“ mit dem Schilfboot und dem norwegischen Entdecker an. Wieder dringen sie in meinen Kopf die Fragen nach dem gesellschaftlichen Mehrwert meiner Reise, nach meinem Sein überhaupt, nach dem Antrieb der großen Persönlichkeiten. Wieder quält mich etwas tief in meinem Innersten. Es ist die Gewissheit und die trügerische Ahnung, dass ich noch nicht alles in meinem Leben gegeben habe, dass da noch mehr auf mich wartet, dass das Wahre noch tiefer ergründet werden darf. Auf dem Meer gibt es keine Fußspuren als Zeugen derer die es einst kreuzten. Dafür gibt es auf dem Meer Tiefen und Abgründe, Stürme und Gewitter, Regenbögen und Wellenberge, Fische und Fehler. Immer weiter geht sie die Reise in diesem Leben. Immer höher wird mein Flug der Zeitlosigkeit. Mittlerweile ist da der Spirit of Freedom, der Spirit of Canada, der Spirit of Australia, der Spirit of Zurich und der Spirit of Eternity. Was haben diese fünf Spirits gemeinsam? Sie tragen viele Weisheiten und magische Rätsel in sich. Sie sind nicht näher ergründ-…

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lich.

14:52 Uhr

Immer noch schwebt sie da über meinem Kopf die Frage, wo mich mein weiterer Weg hinführen wird. Das Jahr 2024 ist aus irgendeinem Grund nicht das Jahr 2024. Es ist das Jahr 2024!!! Nein, die Großbuchstaben genügen nicht, es ist das Jahr 2024 in der ultimativen Schriftgröße. Wohin steuert mein Schiff? Was mache ich aus meinem Leben? Was muss ich selbst in der Hand haben und wo muss ich die Verantwortung an das Universum oder an andere Menschen abgeben? Was wären sie die letzten Worte meines Lebens die ich schreiben würde? Ich muss nichts mehr schreiben. Alles was ich geschrieben habe trifft irgendwo die Wahrheit. Meine letzten Atemzüge verbringe ich mit den Seelen, die mir am wichtigsten sind. Ich bin angekommen auf dieser Erde inmitten der Ewigkeit. Ich habe meinen Platz und meinen Segen gefunden. Ich bin im Frieden und im Reinen. Ich bin losgezogen um mich zu finden. Wieder bin ich zu dem kleinen Vogelnest mit den zwei frisch geschlüpften Küken gegangen. Noch vor guten zwei Tagen waren es „nur“ zwei Eier. Man hätte sie vor einiger Zeit essen können. Doch jetzt sind es kleine haarige Etwasse. Bald werden sie losgeflogen sein. Irgendwann werden sie ihr eigenes Nest bauen. Vielleicht wird eines der beiden gefressen. Vielleicht sind morgen beide tot. Man kann es nicht vorhersagen. Ich liege im Bett und höre eine Peace-Worship-Musik. Ich schalte immer weiter ab. Immer noch ist sie da diese Angst vor dem Unbekannten. Ich schiebe sie nicht mehr weg noch versuche ich sie zu betäuben. Ich akzeptiere sie einfach. Ich bin dankbar für ihre Existenz. Denn sie zeigt mir, dass ich im Vertrauen noch wachsen darf. Sie zeigt mir, dass ich noch weiter auf der Reise mich befinde. Sie nährt meine Seele mit den weißen Puzzlestücken, die noch mit dem Inhalt gefüllt werden dürfen.

Es ist spät geworden. Es ist die Vorweihnachtszeit. Doch was ist diese Zeit wert, wenn es Krieg auf der Erde gibt? Was ist unser Wohl und unsere Gesundheit von Bedeutung, wenn wir als Menschheit nicht menschlicher werden? Wir brauchen weder mehr Geld noch mehr Fortschritt oder mehr Wachstum. Wir brauchen „einzig“ mehr Menschlichkeit. Menschlichkeit gibt es in keinem Geschäft zu kaufen. Wir müssen den Mut haben um auszusteigen und anzuhalten. Oder um anzuhalten und uns hinzusetzen. Wir müssen erkennen, dass wir nicht schlauer als irgendein anderes Wesen sind. Wir müssen erkennen, dass unser innerer Reichtum grenzenlos ist. Wir müssen ihr immer weiter folgen dieser Fährte, die beizeiten nichts mehr als eine unendlich leise Vorahnung ist. Manchmal ist sie das Murmeln des Baches oder das Flüstern des Windes an den Blättern der Bäume. Sie ist das Zwitschern der Vögel und das Reifen der Pilze, sie ist dieses unbeschreiblich schöne Gefühl in der Luft was uns nährt und dazu antreibt das Neue zu manifestieren. Die Erde ist unsere Heimat. Wir müssen keinen fremden Planeten besiedeln um das zu finden was wir hier haben aber viel zu oft nicht sehen, weil es zu offensichtlich oder zu gewöhnlich ist. Es hilft nichts an eine verbündete Nation Waffen zur Sicherung des Friedens zu senden. Wir müssen ein Leuchtturm sein und unsere Waffen niederlegen. Wir müssen sie einschmelzen und deutlich mehr Zeichen setzen. Wir müssen die Grenzen befrieden und Brücken samt Durchgängen konstruieren. Wir müssen uns verbinden ungeachtet jeglicher Distanz. Wir müssen den Glauben bewahren, dass wir als Menschen es sind, die den Wandel bereits verkörpern. Keine technische Errungenschaft, kein materielles Ding, kein Präsident, kein Preis oder Abzeichen wird uns geben können, was wir in uns selbst finden, kultivieren und bewahren müssen.

Wieder habe ich Tränen in den Augen. Ich weiß nicht, ob es Tränen des Glücks oder Tränen der Traurigkeit sind. Es sind einfach Tränen der Emotionen – wegen dem leben, dem atmen und dem Privileg schreiben zu dürfen. Unser Ziel mag in einzelnen Abschnitten glasklar verpackt in der Form eines Traumes, in einer Einsicht oder in einer Fata Morgana gleich einer Oase erscheinen. Ist es von Bedeutung für unser Wohl, ob sich inmitten der Sandkörner vor den Füßen der Pyramiden von Gizeh Gold befindet? Ist ein gefüllter Kühlschrank von Kraft, wenn wir alleine am Tisch sitzen? Wie lange hält die Sattheit, wenn wir viel zu lange nicht mehr losgezogen sind?

Ich atme tief ein und aus. Ich spüre meinen Körper. Die Musik beruhigt meinen Geist. Ja, ich bin angekommen. Ich bin angekommen in Ecuador, ich bin angekommen in Amerika, ich bin angekommen in meinem Körper und auf diesem blauen Mutterplaneten. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich als Kind die ewig alten Urzeitkrebse aus einem Magazin in das Wasser setzte. Damals hatte ich mein eigenes Mikroskop, ich hatte eine Lupe um mit der gebündelten Kraft des Sonnenlichtes Blätter anzuzünden und ich hatte meine Tonmasse um Fantasiekonstrukte zu bauen. Ich hatte meine Füße und meine Freunde um in den angrenzenden Wald zu rennen und zwischen dem Moos, den Wurzeln und den Ästen zu spielen. Ich hatte meine grenzenlose Fantasie. Ich hatte diesen einen Abend am Fenster im dritten oder vierten Stockwerk des Hauses an Silvester mit dem riesigen Vollmond am Himmel. Ich hatte meine Inlineskates und meine aufgeschürften Knie. Ich hatte all die Klettergerüste dieser Welt. Ich hatte meine Sammlungen und die Musik, die Radreisen mit meinem Vater und das Gartenstück meiner Großeltern. Ich hatte Ulm und die Bücher, meinen Schulranzen und meine Hefte.

Ich glaube, dass ich einen überwiegenden Teil meiner Vergangenheit nachlässig war und die Dinge für selbstverständlich erachtete. Aber heute ist es anders. Gerade ist es anders. Gerade bin ich ausgesprochen dankbar. Ich weiß, dass dieses Leben ausgesprochen schnell zu Ende sein kann und eventuell bin ich deswegen so melancholisch. Wir können die schnellste Rakete, die beste Drohne und die intelligenteste Persönlichkeit haben. Aber was wird sie für das Wohl und Fortbestehen unserer Gesellschaft von Bedeutung sein? Wie oft müssen wir das allzu Offensichtliche wiederholen weil es Einzelne gibt, die unsere Köpfe in die falschen Richtungen drehen mögen? Wie oft werden wir fallen Gelassenes wieder aufgreifen müssen? Wie oft müssen wir trotz all der Müdigkeit mechanisch unsere Füße weiter gen Unbekannt setzen dort wo all die anderen umgekehrt oder ums Leben gekommen sind? Wie oft dürfen wir uns einzig vom Glauben an das Göttliche leiten lassen? Wie oft werden wir noch aufwachen um dem zu folgen, was uns von zentralem Wert ist?

15:28 Uhr

Denn es gibt die Phasen, da wir alles was wir geglaubt gelernt zu haben loslassen und uns dem Gewohnten für eine gewisse Zeit entziehen müssen, um unseren Blick auf das Wesentliche zu richten und in einer in Gänze neuen Umgebung den winzigen Funken des eigentlich Bedeutsamen in unserer Seele zum Lodern zu bringen. Denn wir mögen einzig ein Mensch mit all unseren Schmerzen und Problemen, mit unseren Fehlern und unseren falschen Glaubenssätzen sein. Aber das sind wir, das ist die Repräsentation einer Weltennation aus ein paar Milliarden unterschiedlichsten Augenpaaren. Es ist egal ob wir im Innen oder im Außen sehen. Wir werden alle von dieser höheren Kraft berührt und durchdrungen, die auf den Frequenzen des Friedens, der Liebe und der Harmonie strahlt. Wir sind die filigransten aller Empfangenden in diesem Universum.

Ob ich nun im Geiste gemeinsam mit Jiddhu Krishnamurti, Yuri Gagarin, Antoine de Saint-Exupéry, Theodor Herzl oder Thor Heyerdahl gehe ist nicht weiter relevant, das Einzige das zählt ist der Glaube an das Höhere in meinem Wesen samt dem Glauben an all die Myriaden all der unsichtbaren Stränge und Bänder in diesem Kosmos. 33 Jahre Alter ist ausgesprochen jung. Ich habe mein Leben vor mir. Ich kann ein jedes dieser Länder bereisen, zig Tausende von Kilometern mit dem Fahrrad fahren, diese eine Frau mit jedem anbrechenden Sonnenaufgang mehr lieben lernen und mich in der Schönheit unserer Menschheit immer weiter verlieren. Ich bin aufgegangen in meinem Sein und quälte mich durch die Qualitätsansprüche des Schaffens und schrieb unentwegt, ich schrieb unentwegt, ich schrieb unentwegt.

19:48 Uhr

Wieder ist sie da die Unsicherheit. Vorhin beim Abendessen schnitt ich einen Kürbis, las die erste Seite beziehungsweise Seite 11 aus „Los Montoneros de Dios“, hielt die beiden Katzen auf meinem Schoß wieder davon ab in meine Reisschale mit der Schnauze zu spicken, entdeckte eine Fledermaus auf dem Boden, erkannte, dass sie aus einem mir nicht ersichtlichen Grund nicht mehr die Kraft zum Fliegen besitzt, machte ihr Zuckerwasser um sie aufzupäppeln, nahm sie mit auf mein Zimmer um sie retten zu wollen, fotografierte sie, spürte ihren Herzschlag und wartete. Doch nichts geschah. Sie atmete, sie bewegte sich immer wieder, doch irgendetwas stimmte nicht…

19:56 Uhr

Ich trinke Oregano-Tee, höre die aktualisierte „Mix der Woche“-Playlist, die sich aufgrund der Zeitumstellung statt am Montag bereits am Sonntagabend aktualisiert, schaue mir eine weitere Südseedokumentation an – dieses Mal über Tonga – und bin irgendwie zufrieden. Also klar ist morgen der erste Tag der Woche, klar habe ich immer noch recht wenig Ahnung, wohin es mich in all den weiteren Dekaden und Millenien so treiben wird, doch ich spüre meinen Körper, ich weiß, dass ich ein fühlendes Herz in meiner Brust schlagen habe und ich immer noch mehr als 20 Tage in Ecuador sein werde. Von nun an zählt jeder Tag. Jede einzelne Sekunde davon muss ich mehr als auskosten. Ich muss sie wie die Limonen bis auf den letzten Tropfen auspressen, genießen und profitieren, ich muss sie irgendwie konservieren und als meine Äquator-Seifenblase auf Ewigkeiten einfrieren. Irgendwie muss ich es schaffen dieses Gefühl mit ins Flugzeug zu packen und über eine Ozeanreise zurück nach Europa zu schleppen. Ich muss das Vertrauen bewahren, dass meine Atemzüge so wie die Atemzüge meiner Mitmenschen und so wie die Atemzüge der Fledermaus einen Unterschied darstellen. Vielleicht sind sie schlichtweg auch das Gewöhnlichste dieser Welt. Ich muss mir nichts einbilden. Ich bin nicht außergewöhnlich. Ich bin normaler als normal. Ich bin im Glauben und Gott recht nahe. Kann mein Bewusstsein so wie das Wasser überall auf diesem Planeten sich befinden? Kann ich bald von den Tantiemen leben? Werde ich den morgigen Tag überleben? Entgegen meiner Kenntnis dass es hier keine Skorpione geben soll wurde ich eines Besseren belehrt. Mein Problem ist, dass die Skorpione nicht so wie in Mexiko winzig klein sondern knapp 20 Zentimeter groß sein sollen. Ich verzichte darauf im Internet die entsprechenden Worte in eine Suchmaschine einzugeben um Bilder zu erhalten. Jetzt weiß ich auch, weswegen die Gummistiefel und die Machete.

20:07 Uhr

Ein paar Stunden Ruhe und Schlaf verbleiben mir, Regeneration für meinen Körper, Entspannung für meine Seele, Träume für mein Unterbewusstsein. Irgendwann seit dem Morgen wurde ich mir gewahr, dass ich in der letzten Nacht einer Frau mit nur drei Fingern an einer Hand sowie eine schwarze Gebetskette mit einer Plakette in arabischer oder in Nepali-Schrift im Traum gefunden hatte. Die Reinheit im Herzen ist das Wichtigste im Leben eines Menschen. Denn sie ist der Spiegel der Seele. Nur durch sie kann sich die volle Kraft des Geistes entfalten. Wir können die „fortgeschrittensten“ Menschen sein, doch wenn wir krank im Herzen sind, dann werden wir diesen vermeintlichen Fortschritt dafür verwenden mit Waffen Grenzen zu schützen und unser Gegenüber umbringen. Dieser Nachbar könnte unser Gast sein, wir könnten am Tisch beim Getränk oder Essen mit ihm diskutieren, wir könnten von ihm lernen und müssten die ein oder anderen Glaubenssätze überprüfen. Wir könnten eines Tages unsere Kinder gemeinsam in die Schule gehen sehen und kontinuierlich den unweigerlich zwischen uns vorhandenen vermeintlich unsichtbaren Frieden wachsen lassen. Wir könnten Freunde sein. Wir könnten uns verbünden. Wir könnten uns vergeben. Wir könnten lernen unsere Barrieren abzubauen, Hände zu reichen und die Liebe blühen zu lassen. Doch was machen wir? Worin investieren wir unser Geld? In welche Richtung schauen / denken / handeln wir? Welche Schritte setzen wir auf dem Terrain des Dritten Jahrtausends nach Christus? Wie weit sind wir entwickelt? Welche Skala gibt es für die Menschlichkeit?

Doch ich bin einer von uns, ich bin einer von acht Milliarden Seelen, ich bin ein Teil des Ganzen, ich bin ein Fragment des göttlichen Gebildes, ich bin ein Tropfen im ewiglichen Ozean, ich bin ich und ich bin dein Spiegelbild. Ich bin der Eroberer meiner Sucht. Ich bin der Entdecker des nicht vorhandenen Labyrinthes. Ich stieg so tief in den Kaninchenbau, dass ich jenseits von all den Rohstoffen und Diamanten, hinter all den Höhlengängen und Katakomben erst das ellenlange Nichts und dann das Ende der Welt fand. Ich stürzte aus dem Universum und fiel aus der Geschichte der Zivilisation. Ich vergaß mich und verlor das Wesentliche aus den Augen, ich flog jenseits der Schwerelosigkeit in das Unten und das Oben und wachte irgendwann irgendwo auf. Mein Sein ein Märchen aus 1.001er Nacht, der kollektive Wegweiser und der finale Befreiungsschlag. Mein Sein ohne Preisschild oder Kategorie. Mein Schreiben ohne Genre. Mein Innen ein Rätsel. Mein Fundament ein jeder Flecken dieser 510 Millionen Quadratkilometer – nein was fasle ich – noch weit jenseits dessen. Meine Ewigkeit ein Wunder. Mein Glaube ohne Limit. Mein Wille endgültig. Ja, es ist spät geworden, wieder bin ich in die Höhe gestiegen, wieder habe ich mich in der Dunkelheit zurückgezogen, links und rechts von mir stoben die Sternschnuppen gleich Feuerwerken umher, meinen Poncho habe ich tief ins Gesicht gezogen, die Melodie aus den Tälern in der Ferne erklingt gleich einem vom Wind der Veränderung getragenen Delfingesang aus dem Pazifik. Doch das ist es nicht gewesen. Das wird es niemals gewesen sein. Das ist noch nicht einmal der Anfang. Das ist der Auftakt in der Probe. Das ist der Ursprung der Imagination. Das ist der Funke des Feuersteins, der das Gas zu einer Flamme verwandelt. Das ist die Mode. Das ist die Moderne. Das ist der Geist. Das ist dein Refugium. Das ist dein Gefängnis. Das ist dein Korsett der Angst. Das ist dein Segen. Das ist dein rettendes Floß. Das ist dein Leuchtturm.

Lege dich nieder und bette dich auf das weiße weiche Tuch, halte inne, inhaliere die frischen Rosendüfte, lasse dich in den Schlaf wiegen und entschwinde nicht – zumindest nicht dieses eine Mal. Schlafe tief doch bleibe hier, reise nicht hinfort, halte dich so fest es nur geht und lasse los. Lasse dich treiben und bäume dich auf einem Phönix gleich, sprenge sie all die Ketten und richte deine Aufmerksamkeit auf das Wesentliche. Finde dich. Finde dich. Finde dich. Öffne deine Augen. Öffne deine Augen. Wach auf. WACH AUF!!!

Nein, es ist kein Albtraum, es ist die Realität, es war sie bereits dein gesamtes Leben lang, du musstest über die hochfrequentierten Zugschienen mit Augenbinde rennen, du hattest den Mut, du gelangtest auf der sicheren anderen Seite an. Du ließt alles hinter dir. Du durftest nicht zurückblicken. Du musstest den Glauben an deine Heimat einzig in deiner Seele bewahren. Du musstest das Gewohnte aus deinem Gedächtnis zehren. Und aus deinem Händen. Es gab keine Spiegel an den Orten in der Wildnis zu dem Zeitpunkt da du wandeltest. Du befandest dich auf der Reise. Wie viele die du kanntest musstest du zurücklassen? Wie viele wurden verfolgt, vertrieben oder in die Falle gelockt? Wie viele wurden von falschen Göttern und von Versprechen getrieben? Wie viele kamen wahrlich an? Wie vielen war es ernst mit diesem Leben? Wie viele opferten? Wie viele falteten ihre Hände in all den Momenten des Bangens und des Zauderns um mit innigster Kraft tief in die Höhe zu flehen, um gehört zu werden, um gehört zu werden, um gehört zu werden. Wie viele sprachen doch kein einziges Wort der Wahrheit, der Bedeutsamkeit, der Zeitlosigkeit verließ ihre Lippen? Wie viele liebten doch sie hatten niemals gelernt, was die Liebe wahrlich ist? Wie viele spielten Tag für Tag an den Unorten in der Irre? Wie viele starrten des Nachts bei zitterndem Leib in die Dunkelheit? Wie viele waren trotz der räumlichen Distanz gedanklich niemals fortgegangen? Wie viele waren noch bereit zu wagen und Risiken einzugehen?

Es ist spät geworden. Man erzählte sich an den Tischen die Anekdoten und Geschichten von damals als es noch eine andere Zeit gewesen war. Doch niemand schmückte sie mehr mit unpassenden Belanglosigkeiten aus, es wurde sich auf die tiefere Wahrheit konzentriert. Ein paar Vertraue die sich damals vor ein paar Dekaden durch einen unglücklichen Zufall getroffen hatten und die aufgrund der diversen Verstrickungen ihrer Lebenswege in flackernden Passagen immer wieder zueinander fanden. Nein, Trickbetrüger oder Halunken dritten Grades waren es nicht (wobei nicht viel dazu gefehlt hätte), es waren vielmehr einfache Menschen die an das Gute und an das Werk der eigenen Hände glaubten. Sie waren die Verkörperung von „Horizontes“, sie hatten sich dafür entschieden in das Paradies einzutauchen. In ihrer Nähe flimmerte etwas Magisches. Sie waren nicht sonderlich markant oder speziell. Sie waren im Prinzip in Gänze normal. Doch was war überhaupt noch normal? Ihre Smartphones hatten sie über Bord geworfen, ihr Hafen war im Himmel, ihr Segen ebnte ihre Wege. Ihr Vertrauen war grenzenlos. Ihre Botschaft ein Wunder.

20:48 Uhr

Ja, es ist spät geworden. Zwar spielt sie noch die Musik, doch es ist nicht mehr dieselbe. Die Fledermaus liegt noch an der selben Stelle. Ihr Kopf bewegt sich noch. Ein paar Mücken schwirren im Kegel des Zimmerlichtes. Mit welchen Gedanken werde ich einschlafen, mit welchen Gedanken werde ich aufwachen? Wer wird der erste Mensch sein, den ich morgen sehe (ich habe keinen Spiegel!)? Was träume ich? Was werde ich in der nächsten Woche schreiben? Wann finde ich Raum und Abstand um „The Four Starseeds“ fortzuführen? Was bringt die Zukunft? Was wird aus „Heal your Heart – El Diario“? Wohin führt die Reise? Warum liegt auf dem Friedhof in Montreux-Clarens Flaubert vor, hinter oder neben Nabokov begraben? Wer stellt noch Fragen im Dritten Jahrtausend nach Christus? Wer schreibt noch wahrlich aus der Tiefe der Seele des eigenen Selbst heraus im Einklang mit dem Glauben der Zeitlosigkeit? Wer denkt noch? Wer hat noch Tränen in den Augen einen jeden Tag? Wer setzt als Pionier des Bewusstseins nach einem jedem Sonnenaufgang weiter Schritte auf dem Sand der Vergänglichkeit? Wer kämpft sich durch all die Phasen des Haderns und Zweifelns in der Abgeschiedenheit seinen Werken folgend? Wer ist und wer scheint? Wie viel Licht und wie viel Abgrund? Wie viel Inhalt? Wie viel Tiefgang? Wie viel Leichtigkeit? Welches Verhältnis? Wer bin ich und wenn ja wie viele? Wann Japan? Und wann Hiva Oa? Noch einmal Schwarzsee?

Gratitude / Zwei Vogelbabies – Samstag, 09. Dezember 2023

07:46 Uhr

Die Anstrengungen der Woche fallen von mir ab. Mein Körper schmerzt von der Arbeit mit der Machete. Mir fehlt der Durchblick. Gestern dachte ich die ganze Zeit an Hiva Oa. Ich las einen Artikel über den norwegischen Entdecker Thor Heyerdahl und stieß über ihn wieder auf die Südseeinsel. Ich sah es klar vor mir, dass ich dort im nächsten Jahr sein werde. Gleichzeitig ist in mir diese Sehnsucht nach der längeren Fahrradreise in das Unbekannte. Ich muss einen weiteren Sprung wagen. Ich darf eine weitere Entscheidung treffen. Alles wird zur richtigen Zeit geschehen. Doch im gegenwärtigen Moment bin ich hier. Ich habe die Gänse und die Hühner, den Hund und die zwei Katzen, die Fische und mittlerweile auch die zwei frisch geschlüpften Vogelküken. Immer wenn ich merke, dass sich meine Gedanken in die falsche Richtung bewegen, dann gehe ich auf eine kleine Entdeckungstour und mache mir bewusst, an welchem genialen Ort ich mich hier eigentlich befinde. „Heal your Heart – El Diario“ plätschert so vor sich hin, vielleicht spiegelt es auch einfach meinen gegenwärtigen Lebenszustand wieder. Ich höre Krishna Das. Ein Hahn kräht. Die silberne Gebetskette liegt zwischen meinem Sakralchakra und dem Solarplexus. Ich bin ausgelaugt. Gestern sprang ich kurz in den Fluss. Allerdings nur für zwei oder drei Sekunden, das Wasser war mir zu kalt. Ein neuer Tag liegt vor mir – was werde ich heute machen? In welche Richtung richte ich meine Aufmerksamkeit? Welchen Dingen verleihe ich mehr Raum in meinem Leben? Was werde ich schreiben?

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19:46 Uhr

Es will mir nicht so wirklich in den Kopf, dass bald die Weihnachtszeit sein soll. Das erste Mal in meinem Leben verbringe ich den Dezember bei solchen Temperaturen und es ist genial. Ich habe einen Sonnenbrand auf den Oberarmen, drei frittierte Fische im Magen und ein zu knapp 70 Prozent fertiges Verlagsprogramm. Heute war ich knapp vier Stunden mit C. angeln, es war viel frische Luft und Natur. Das erste Mal in meinem Leben fing ich einen Fisch, zog ihn dann auch an Land und verwahrte ihn. Es war ein wahrer Boost für mein Selbstvertrauen, ein kleines Hochgefühl – insbesondere auch, weil ich nur geraume Zeit später einen zweiten Fang hatte. Ich habe keine Lust nach Deutschland zurückzukehren. Ich habe keine Lust auf all das Kleinklein. Hier habe ich die Weite, hier habe ich die Freiheit, hier habe ich meine Träume und hier interessiert es niemanden, ob du einen Angelschein hast, noch welche Fangzeit es ist. Das sind die Pluspunkte. Die Minuspunkte sind, dass die Mentalität hier eben nicht unbedingt die europäische ist, es mehr Wirtschaftskraft geben könnte und insgesamt. Ich weiß, dass ich noch tiefer in mein Innerstes, in mein Herz sinken darf. Aber wurde Carlos Castaneda als Carlos Castaneda geboren? Wer war Casanova? Bin ich auf dem guten Weg? Meine Realität verändert sich. Ich werde mir gewahr, dass mir das Leben auf dem Campo schon taugt und ich nicht ganz schlecht dabei bin. Immer wieder schaue ich wenn ich draußen bin hoch zum Himmel, lasse meinen Blick entführen, mache mir bewusst, welches Geschenk es ist, hier in Ecuador zu sein und ich bin dankbar und spüre die Kostbarkeit, dass ich meine Träume realisiert habe. Aber dann gibt es immer wieder diese anderen Passagen, da sich meine Gedanken verirren, da ich immer noch Zweifel ob meiner Lebensführung habe, da ich mir wünschte, dass die Dinge anders wären. Nein, es geht darum die Realität zu akzeptieren wie sie ist, es geht darum einfach ich selbst zu sein ohne Schnickschnack oder Fassade. Ich muss mich nicht mit Vladimir Nabokov vergleichen. Ich muss kein Millionär sein. Es würde mein Leben nicht verändern. Wenn ich immer noch etwas verändern möchte, dann muss ich es jetzt machen. Habe ich noch vor etwas Angst? Drücke ich mich vor etwas? Immer noch

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muss ich diese E-Mail an einen ehemaligen Arbeitgeber schreiben. Seit mehreren Monaten schiebe ich das nun vor mir auf. Ich weiß nicht genau, ob ich einzig einen kurzen Dreizeiler schicken oder eine ausgeschmückte Textnachricht anfertigen soll. Ich entscheide mich für die dritte Option nämlich gar nichts abzuschicken, da verhalte ich mich passiv und kann nicht verletzt oder enttäuscht werden, das habe ich mehr oder weniger erfolgreich bereits mein gesamtes Leben getan…

Gegenwärtig erscheint es mir ein Rätsel, dass ich die vergangenen Monate so viel geschrieben habe. Wo sind die Früchte, die zum Ernten warten? Was habe ich überhaupt ausgesät und wie fließig war ich beim Gießen, beim Hegen und Pflegen der Pflanzen?

Ich habe meine Schreibmaschine gefunden. Es ist eine Olivetti Lettera 22. Ein Modell aus Italien. Über den Film „The Talented Mr. Ripley“ stieß ich auf sie. Ausgesprochen gut würde sie zur Produktion von „Die Tinte Gottes“ passen.

Love – Donnerstag, 07. Dezember 2023

Besonderes Himmelsspektakel

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19:58 Uhr

Tatsächlich habe ich jetzt seit sehr langer Zeit nicht mehr das Bedürfnis nach dem Inkognito-Tab. Ich bin vielleicht das erste Mal in meinem Leben so richtig mit den Menschen in Verbindung. Heute erzählte mir Gil von seinen Träumen und davon, dass sie in der Schule einmal die Hausaufgaben erhalten haben, 1.000 Mal aufzuschreiben, dass es nur zwei Jahreszeiten – Frühling und Sommer – in Ecuador gibt. Die 1.000 Mal eben als Übung und fortwährende Wiederholung, dass es hier nur zwei Jahreszeiten gibt. Es ist also nicht die Tatsache, dass es vier Jahreszeiten geben muss. Zumindest nicht überall auf der Erde. Wieder war es ein langer Tag, ich liege im Bett, wieder geht es darum, mir zu vergegenwärtigen, was mir wichtig ist. Die Chiribiquete-Präsentation macht Fortschritte, das Logo für die 1.000 Buchaufkleber steht und die Dinge fügen sich. In diesen letzten Tagen habe ich deutlich stärker zu Gott gefunden. Hier bin ich also nun nach über drei Monaten immer noch in Ecuador, es gibt sie immer wieder die Momente, da ich mich frage, was ich hier denn eigentlich mache, doch dann sinke ich tiefer in die Materie und verbinde mich stärker

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mit der omnipräsenten Kraft. Ich darf also vertrauen, dass die richtigen Dinge geschehen werden.

Patience – Mittwoch, 06. Dezember 2023

16:51 Uhr

Die Essenz trieft an Tagen wie diesem aus meinem Innersten heraus könnte man meinen. Dem ist jedoch nicht so, alles wird sich unweigerlich verändern da die Tatsache greifbar ist. Ich atme tief ein und halte die Luft kurz in meinem Körper, ich spüre meine beiden Füße fest auf dem Boden ruhen. Ja, ich bin verwurzelt. Ja, ich bin ein Teil dieses ewiglichen Weltgebildes. Ich bin angekommen. Ich bin im Reinen. Ich habe mich mit meinem Ursprung ausgesöhnt. Ich bin die Wegweisung. Ich bin die Richtung. Ich bin der Flügelschlag des Schmetterlings.

16:54 Uhr

Muss man manchmal alles auf eine Karte setzen? Wie sehr ließ ich Gott in der Vergangenheit die Ahnung und die Antwort meines Lebens bestimmen? Wie sehr vertraute ich? Wie viel Gott sah ich im Außen?

19:04 Uhr

Probably it is essential to realize, that you are the master. You are the holy one. You are special and magnificent. You are the pure source of being. You are in synchronicity. You are love. You are. You are ever-present. You are the one in control over your destiny. You are called by god. You are in tune with the essence.

Wieder frage ich mich, was…

Hope – Dienstag, 05. Dezember 2023

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14:53 Uhr

Gerade bin ich hier, aber wieder ist sie da diese Wand. Wieder ist da diese Grenze zwischen mir und dem was sein könnte. Ich habe das Vertrauen, ich habe „2 Nephi“, ich habe einen frischen Kaffee und noch ausgesprochen viele Lebensjahre vor mir. Ich bin angekommen auf diesem Planeten in diesem Leben. Vielleicht ist es das gewesen. Ich ringe mit mir G. zu schreiben. Spielt es eine Rolle? Vermutlich freut sie sich und wartet bereits darauf. Aber

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was dann? Ja, was dann?

16:51 Uhr

You are blessed. You are holy. You are a magnificent spiritual being. You are love. You are free to choose. You are a miracle. You are a fragment of something far bigger. Embrace your shadows and let your light truly shine.

The Holy Chapter / LGWMV – Montag, 04. Dezember 2023

21:49 Uhr

Ich liege im Halbdunkeln auf dem Bauch im Bett, schreibe auf dem Smartphone und schlafe die zweite Nacht im Haupthaus. Immer weiter komme ich in mir selbst an. Die Dinge fügen sich. „365 Days of Writing – The Stats“ habe ich nach 57 Revisionen nun endlich veröffentlicht. Es ist nicht perfekt, etwas chaotisch, doch es musste diese unsichtbare Grenze zwischen privat und öffentlich überwinden. Wieder höre ich die „Holy Spirit / Deep Worship“-Playlist. Wieder ist hier die silberne Kairo-Gebetskette. Der Regen fällt auf das Dach. Vorhin flog eine Fledermaus nur einen knappen Meter über meinem Kopf beharrlich ihre Kreise. Der selbstgemachte Traumfänger von Ma. hängt an einem wichtigen Flecken. Irgendwann schreckte ich in der Nacht aus einem Albtraum auf. Jemand hatte mich sehr stark auf die Schulter / auf meinen Rücken gedrückt. Dort ging jemand durch meinen Raum. Dort war jemand in meinem Zimmer. Selbstverständlich muss es eine Fiktion sein, die Türen waren am Morgen zu, doch ich spürte die Präsenz dieses fremden Wesens. Irgendwann schreckte ich also in der Dunkelheit auf und lag dann eine unbestimmte Ewigkeit wach, konnte nicht mehr entspannen, mich nicht mehr bewegen oder in Frieden atmen. Am Sonntag sah ich die schöne Weihnachtskrippe von einer 92-jährigen Urgroßmutter. Wie wichtig ist die Familie im Leben? Wie viel darf ich über andere Menschen schreiben? Gewittert es in meinen Kopfhörern oder am Himmel über dem Dach? Was wird morgen sein? Werde ich G. schreiben?

The Cross – Sonntag, 03. Dezember 2023

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Gegen 21:00 Uhr

Es kommt mir so vor, als sei ich angekommen. Vielleicht wird hier ein Ort eines Tages Puente Gringo Julian genannt. Ich bin zutiefst dankbar für dieses Leben und für diesen Tag. Manchmal geschieht alles ganz schnell. Ohne zu wissen wie hat sich von heute auf morgen alles verändert.

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Ich weiß, dass ich auf einer gewissen Ebene ein Pionier bin. Ich weiß, dass dieses Leben ausgesprochen mysteriös und labyrinthhaft sein kann. Aber ist nicht das der Charme des Ganzen? Möglicherweise habe ich mich tief in meinem Innen bereits transformiert. Immer einen kühlen Kopf bewahren lautet die Devise. Was geschieht im neuen Jahr? Muss ich es heute wissen? Mittlerweile habe ich genug Farbe und Pinsel gesammelt, um ein jedes einzelnes Kalenderblatt an einem grauen tristen Regentag mit ausgesprochen viel Leben und Magie zu füllen. Der Antrieb vollzieht sich immer auf einer unsichtbaren Ebene. Kopf hoch und die beiden Beine fest mit dem Boden verwurzeln. Dann wird

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das schon irgendwie werden. Behalte dir das Vertrauen des Universums. Lasse dich auf die Fiesta ein. Mache und hänge dich in Gänze hinein, ebne all die noch zu errichtenden Pfade, wappne dich für die vor dir liegenden Herausforderungen. Sei.

Awareness / Das Kabarett – Samstag, 02. Dezember 2023

09:17 Uhr

Meine Zeit hier neigt sich dem Ende zu. Der Tag gestern war sehr kräftezehrend, kein Wunder schlief ich fast elf Stunden und habe trotzdem immer noch recht starke Augenringe. Immer wieder verlagert sich meine Aufmerksamkeit in die Zukunft. Was wird geschehen? Wo wird mich mein Weg hinverschlagen? Welche Schritte werde ich auf meinem Pfad zurücklegen? Der Hund folgt mir mittlerweile wo auch immer ich hingehe, die Katzen werden auch von Minute zu Minute anhänglicher, gestern im Bus dachte ich mir dass es möglich sei auch hier zu leben. Was sagt mein Herz? Wie tief ist der Frieden den ich hier erlangte bei all den Ablenkungen und Versuchungen in der Großstadt? Was wird sein? Was ist? Ich sitze wieder im Eingangsbereich, erkenne, dass das Schreiben ein Auf und Ab ist, alles in Zyklen verläuft und es genügt einfach zu sein.

09:31 Uhr

Wieder vergegenwärtige ich mir, dass ich der Schöpfer meiner Realität bin. Gestern auf der Rückfahrt hatte ich sehr starke Gedanken bezüglich dem Verlangen, immer wieder dachte ich an die Heilungsgeschichten anderer Menschen, war dankbar mich im Bus mit all den Seelen zu befinden, wollte schreiben, doch schlief ein. Du kannst nicht das Glauben für deinen Nächsten übernehmen. Du kannst und du musst an deinen Nächsten glauben. Du darfst ihn ermutigen und ihm gut zureden, du darfst ihm helfen seine Träume zu verwirklichen, du darfst ihn lieben und du darfst gemeinsam mit ihm einen Abschnitt des Weges zurücklegen. Früher dachte ich, dass ich alleine sei in diesem Leben. Immer stärker wird mir jedoch in vollem Ausmaß bewusst, dass ich mit allen Wesen verbunden sind. Dieses was wir die Realität nennen ist einzig ein Prozess des Lernens. Das was wir auf oberflächlicher Ebene sehen ist nur bedingt das Wesentliche. Das Verlangen ist nicht die Wahrheit. Die Wahrheit ist zeitlos und zunächst unsichtbar. Die Wahrheit liegt im Innen verborgen. Die Wahrheit ist eine Schule.

Gestern am Busterminal in Quito spürte ich wieder das Leben in seiner vollen Intensität. Das erste Mal fuhr ich mit E. in einem Linienbus in Quito. Nach rund zwei Stationen stieg ein Mann ein und schüttete sein Herz aus. In Kolumbien wie auch in Berlin oder Hamburg hatte ich es des Öfteren erlebt aber diese Geschichte des Mannes war irgendwie anders und berührender. Recht schnell hatte er Tränen in den Augen und ich spürte dass er die Dinge nicht erzählt um Geld zu erhalten sondern weil er schlichtweg im gegenwärtigen Moment keine Alternative hat. Ich hatte auch Tränen in meinen Augen, wollte allerdings mit dem Rucksack auf dem Schoß und auf dem engen Sitzplatz nur bedingt meinen Geldbeutel im vollen Bus zücken noch dazu mich E. nur kurz zuvor darauf hingewiesen hatte, dass ich acht geben solle. Die Blogeinträge anderer Reisenden hatte ich ebenso im Hinterkopf. Am Morgen auf dem Fußweg zwischen dem Migrationszentrum und dem Einkaufszentrum El Jardín in der Avenída Rio Amazonas in La Carolina gab ich einer Frau auf der Straße all mein Kleingeld. Hier müssen sich die Menschen gegenseitig helfen. Hier zeigen sich auf der Straße im öffentlichen Raum all die Themen, die wie ich meine in anderen Ländern im Innen der Wände vermeintlich gelöst oder betäubt werden.

Für heute Nachmittag wurde ich zu einem Fußballspiel eine Ortschaft weiter talabwärts eingeladen, gegenwärtig hält mich meine Lust in Grenzen aber es ist eine Herausforderung für mich und es ist wichtig, dass ich weiter neue Dinge unternehme. Es ist eine tägliche Übung. Die Internetseite plätschert so vor sich hin aber auch das gilt es zu akzeptieren. Wenigstens ist mein Verhalten nicht mehr so wie früher ausgeprägt, dass ich nach einer Enttäuschung komplett aufgebe und etwas Begonnenes fallen lasse. Immer noch halte ich verständlicherweise an „Heal your Heart – El Diario“ fest aber es ist nicht mehr so krampfhaft. Es wird mehr von etwas Leichtem und Vertrauensvollem getragen. Unweigerlich wird alles zur passenden Zeit geschehen sage ich mir.

18:53 Uhr

Der Tag geht zu Ende. Wieder war es eine lange Reise. Vor knapp 12 Stunden öffnete ich die Türe meiner Cabaña Los Angeles. Mir wird bewusst, dass mein ursprüngliches Ziel der Reise mit dem vermeintlich verheißungsvollen Titel „Leaving Los Angeles and Entering Chiribiquete – Inside El Corazon del Mundo“ seine Richtigkeit hat. Das Manduriacu-Tal ist mein Chiribiquete. Los Cedros ist mein Regenwald. Man hat im Leben immer nur einen Teil in der Hand. In einem Monat werde ich am 02. Januar 2024 um diese Uhrzeit im Flugzeug zunächst auf dem Zwischenstopp gen Guayaquil sitzen. Doch ich bin angekommen. Vor fünf Monaten zog mich die Stadt der Engel an. Dort habe ich mich nicht gefunden. Vielleicht habe ich Teile von mir vor dem Grabstein Carlos Ruiz-Zafóns, vor dem Griffith-Observatory, im Sikh-Tempel, in der Begegnung mit dem polnischen Pärchen und in den Metrofahrten, in den Obdachlosen und Drogenabhängigen, in der Downtown und im Sonnenuntergang am Unabhängigkeitstag der Vereinigten Staaten von Amerika gefunden. Sicherlich haben sich die Spaziergänge durch Koreatown als auch die Pio Pico Branch Library, die Gespräche mit dem Indonesier und dem Navajo-Indigenen eingeprägt. Auf der blauen Holzbank am Schrein vor den Hollywood-Hügeln fand ich meinen Frieden. Es war nicht die Gesamtheit des Friedens der mich hier überkommen hat. Ich blicke zurück auf meine 33 Lebensjahre. Ja, ich lebte. Aber ich war mir der Kostbarkeit und der Bedeutung dessen nicht in vollem Umfang gewusst.

Heute dachte ich daran was es bedeutet ein gesundes Gottvertrauen zu haben. Gibt es ein gesundes Gottvertrauen? Ist dieses Gottvertrauen gleichzusetzen mit dem integren Selbstvertrauen? Mag sich dieses Gottvertrauen von Mensch zu Mensch unterscheiden?

Am Vormittag sah ich beim Kehren des Weges auf einen kleineren Schmetterling. Ich glaube nicht, dass die größten und schönsten Schmetterlinge als solche aus ihrem Kokon schlüpfen. Ich glaube, dass auch sie im Laufe ihres Schmetterlingsdaseins in der äußeren Größe wachsen und sich immer noch von Tag zu Tag entwickeln. Ja, dieser kleine Schmetterling setzte sich für den Hauch einer Sekunde auf einen der fünf Engel an meiner Türe. Wieder waren da Antoine de Saint-Exupéry, das Mariposarium am Ufer des Rio Urubamba bei Machu Picchu und das im Natural History Museum im Bundesstaat Kalifornien. Dieser kleine Schmetterling verkörperte die unsichtbare Kraft die uns stets antreiben kann, das Unmögliche zu realisieren, über unsere Grenzen hinauszuwachsen und jenseits aller Konventionen oder Gesetze das menschlich Richtige aus unserem Innen heraus zu vollbringen. Dieses filigran-zerbrechliche Wesen war die Erkenntnis, dass das Wesentliche im Regelfall jenseits des Rationalen geschieht.

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20:17 Uhr

Wieder strahlt das Licht so hell, wieder ist sie da die pure Liebe, wieder ist da der Glaube und der Schein des Traumes namens „Perpetuum Publishings“. Wieder sind da die Tränen in den Augen von all der Liebe der Menschen an die-…

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sem Tag. Wieder ist da das Glück und das Erschaffen des Wunders aus dem Innen heraus. Es bringt nichts zu versuchen jemand zu sein, der ich nicht bin. Es bringt nichts, auf der Bühne des Lebens im Spiel „Das Kabarett“ eine Rolle zu tragen, die mir nicht passt. Ich habe die Möglichkeit ich zu sein. Ich darf mich in Gänze so annehmen und lieben wie ich bin. Ich darf mir für all meine negativen Gedanken und Taten vergeben. Ich darf noch weitaus mehr glauben. Lange dachte ich, ich sei von meinen Großeltern, von meiner Taufpatentante und von M. getrennt. Doch ich bin mit ihnen zutiefst verbunden. Sie existieren bereits an dem Ort, an dem wir als Seelen alle früher oder später landen werden. Die Separierung zwischen Himmel und

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Hölle ist zwecklos. Gottes Liebe kennt keine Grenzen. Ein jeder von uns wird früher oder später ungeachtet (s)einer Religion, ungeachtet seiner (Gräuel-)Taten, ungeachtet seines Denkens im Himmel landen. Das ist das Leben. Das ist der Sinn davon. Das ist der schmale Grad auf dem magischen Pfad an der Grenze zwischen der puren Intensität und dem vermeintlichen Abgrund. Doch die Katzenbabies machten es mir heute vor. Sie müssen und werden einen jeden Sonnenaufgang erneut erkunden was das Zeug hält. Das ist ihre Natur. Das ist ihre Bestimmung. Das eine von ihnen lief das erste Mal mit einer gejagten Echse im Maul stolz auf den Fließen, das andere kletterte auf Gerüste und Konstruktionen und fiel immer wieder. Doch nur durch

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dieses Fallen können sie ihre wahren Grenzen kennen. Nur durch dieses Fallen werden sie in einer geraumen Zeit wissen, wie weit sie gehen und wie viel sie wagen können. Nur durch diese Erfahrungen werden sie mehr und mehr ein fester Bestandteil dieser Welt. Sicherlich sind es „nur“ Katzen. Aber vermutlich haben sie die Fähigkeit, uns Menschen aufzuzeigen, was für uns vermeintlich unmöglich erscheint. Wir müssen auf unserem Weg die Schlösser an den Türen wieder öffnen. Wir können auf unserem Weg Schlösser an den Türen aus einem ängstlichen Denken heraus befestigen. Doch es ist nicht unser ureigener Weg im Einklang mit unserer Seele. Es ist ein in Teilen kranker Weg. Unsere wahre Natur ist es jedem einzelnen unserer Mit-…

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menschen zu vertrauen, an ihn zu glauben, ihm zu vergeben und ihn als unseren Nächsten zu lieben. Insbesondere den Einzelnen, die die größten Gräueltaten vollbringen, muss die größte Liebe und das größte Mitgefühl entgegengebracht werden. Was hilft es sie zu verurteilen und sie hinter Gitterstäbe zu stecken? Sie sind ein fester wesentlicher Teil der Gesellschaft. Die Menschheit ist stets nur so lebendig wie das schwächste abgehängteste Glied. Wir sind ein Team der größeren Sorte von ein paar Milliarden Seelen. Es ist egal, wie oft man fallen oder straucheln mag. Es ist egal, wie viel Zeit man alleine mit einer Tätigkeit vollbringt. Früher oder später ergibt alles einen Sinn. Früher oder später werden uns die Zeichen gesendet um uns die Augen immer weiter für

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das Wesentliche und eigentlich Bedeutsame zu öffnen. Wir sind alle Brüder und Schwestern. Ich bin Bruder Julian. Egal ob Mensch zwischen der Leonhards- und der Austrasse in Basel in die Kirche geht, im Bus an den drei Miniaturpyramiden von Gizeh auf dem Kreisverkehr zwischen der Avenida Manuel Córdova Galarza und der Mariscal Sucre in Quito vorbeifährt, von Frankfurt am Main bis nach Delhi fliegt oder auf dem Eurovelo 7 zwischen Prag und Linz an der Donau auf dem Fahrradsattel sitzt, wir sind alle „nur“ Menschen. Der Glaube verleiht uns Flügel, gibt uns Kraft und lässt uns neu erfinden. Es ist der Geist Gottes, der uns die Möglichkeit gibt, uns im Einklang mit den sich kontinuierlich wandelnden

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Rahmenbedingungen auf das Wesentliche zu berufen.

Ja, manchmal müssen wir auf einer wahrlich grünen Wiese im Auge des Orkans an eine graue Hausfassade angelehnt einen Kopfstand machen um all das aus den Fugen geratene Chaos aus einer anderen Perspektive zu betrachten und in der Mitte unseres Seins den Frieden zu finden. Ich lese mir durch, was ich auf den ersten Seiten von no. 59 geschrieben habe:

  • „Dort wo ich bin, da ist das Licht. In mir ist immer die Liebe, an jedem Ort zu jeder Zeit.“
  • „Mond, so oft hast du dich mir schon offenbart – bei Tage und bei Nacht. Und doch, ja da bin ich froh, habe ich dir dein Geheimnis nicht entlocken können, das du gut eingehüllt im Mantel deiner Schönheit trägst.“
  • „Und der Wunsch, Wüstensand unter meinen Füßen zu spüren, die Pyramiden …

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  • vor meinen eigenen Augen zu sehen, die endlose Weite der Dünen zu begreifen und der geheimnisvollen Sprache der Wüste zu lauschen trieb mich an, diese Reise zu unternehmen.“
  • „Felix, potuit rerum cognoscere causas! – Glücklich, wer der Dinge Grund erkennen konnte!“ (aus Georgica von Vergil)
  • „Schildkrötentabatiere mit eingelegten Arabesken von Gold.“

21:51 Uhr

  • „Was wäre ich noch für ein Mensch, wenn es mir nicht obliegen sollte zu denken, zu erleben, zu handeln und als Mensch der ich bin Verantwortung für das Wohl und für die Geschicke der Menschheit zu übernehmen?“
  • „Was sollte ich denn noch von Bedeutung erschaffen wenn nicht das Zeitlose?“
  • „Welche Bedeutung hätten meine Flügel, wenn ich sie nicht ausbreiten und fliegen würde?“
  • „Warum sollte ich ein anderer Mensch sein als die oder der in Afrika, in …

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  • Asien, in Australien oder in Amerika?“
  • „Wozu nur wäre ich geboren worden, wenn nicht meine Existenz den Grund hätte, dass mein Sein den Unterschied darstellt?“
  • „Warum mich von der Müdigkeit abhalten oder von beschränkenden Glaubenssätzen aufhalten lassen, wenn ich doch frei und groß bin?“
  • „Warum nicht leben, wenn ich doch zum Sterben geboren wurde?“
  • „Warum nicht atmen, fühlen, denken und handeln in einem jedem Herzschlag?“

Energy / Die Nacht der Glühwürmchen – Freitag, 01. Dezember 2023

Schön gestalteter farbiger Gehweg in Quito nahe des botanischen Gartens

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12:27 Uhr

Die Nacht war ausgesprochen kurz, ich bin fix und fertig, um 4 Uhr stand ich in der Dunkelheit begleitet von einzelnen blinkenden Glühwürmchen, der Bus kam um 4:40 Uhr, recht schnell war mir unwohl, mir war schwindelig und ich meinte beinahe mich erbrechen zu müssen. Aufgrund der Steigung immer wieder das ruckartige Anfahren, abruptes Abbremsen, ob der Dunkelheit fehlende Fixpunkte für meine Augen und und und. Die Hauptsache ist, dass ich das Visum bis Anfang März nächsten Jahres habe. Sicherlich musste ich so wie angenommen Geld zahlen. Ich habe also gerade schon ein paar Ausgaben. Das Verlangen wird in mir wieder größer, es kostet mich

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unglaublich viel Energie, ihm nicht nachzugehen. Aber ich habe die Entscheidung endgültig getroffen und die Entscheidung hat bereits alles verändert. Woher kommt meine Erregung? Warum habe ich so lange den Inkognito-Tab geöffnet? Zuallererst ist es gratis und nicht unmittelbar nachzuverfolgen, es ist das Schönste auf der Welt, die beste Ablenkung und einfach nur die Flucht ins vermeintliche Paradies heraus aus der tristen und unglücklichen Realität. Zugleich ist es der Abgrund.

15:02 Uhr

Ich glaube es ist das vierte Mal, dass ich nun von Quito wieder ins Manduriacu-Tal fahre. Zwei Mal habe ich 4,50 Dollar gezahlt, heute 5,00 Dollar. Mitten auf der Strecke soll sich die Preisumstellung befinden. Ich bin müde, bald bin ich seit 12 Stunden wach. In Quito sind gerade die Festivas und das Schreiben bereitet mir gegenwärtig nicht mehr allzu viel Freude.

Wir schreiben Geschichte – Donnerstag, 30. November 2023

Immer mit der Ruhe

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18:05 Uhr

Die

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Zeit neigt sich dem Ende zu. Morgen um 4 Uhr nehme ich den Bus nach Quito, ich muss das Visum verlängern. Ich habe Angst. Unzählige Dinge könnten misslingen. Was habe ich hier hinterlassen? Hat es überhaupt einen Unterschied dargestellt, dass ich hier gewesen bin? Wieder habe ich Tränen in den Augen. Wo steuere ich hin in meinem Leben? Was mache ich mit meinen 33 Lebensjahren? Welche Entscheidungen treffe ich? Warum habe ich mich ein drittes Mal in meinem Leben für Lateinamerika entschieden? Was ist im Morgen? Ich muss mir bewusst machen, dass ich hier gerade inmitten der Natur an einem der schönsten Plätze der Welt sitze.

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Es ist noch nicht zu Ende. Eine weitere Türe darf sich öffnen. Der Stress hat keine Macht über mich. Ich atme tief ein, höre „Dein Wunder“ von SEOM und Jack Center und sehe eine weiße Kuh im Augenwinkel hinter mir.

19:46 Uhr

Ich darf noch schreiben bis die Tintenfüllung leer ist. Ich freue mich nicht sonderlich darauf, morgen gegen 03:30 Uhr aufzustehen. Wieder war sie da die Versuchung, ich schaute mir Videos von Schicksalsschlägen und inspirierenden Lebenswegen an. Gut kann ich mich noch an das Gnosis-Video über Geduld auf der Strecke zwischen Popayan und Ipiales erinnern, da wir

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auf der Panamericana ein paar Stunden im Stau standen. Mein Gefühlschaos hat sich gelegt. Ich habe eine Rose für den 8. Dezember in Lourdes gespendet und einem Glühwürmchen wieder auf die richtige Seite geholfen. Hier ist sie die Gebetskette, ich habe die Möglichkeit, in einem jedem Moment aus meinem Bewusstsein eine freie Entscheidung zu treffen. Ich weiß nicht genau wie lange sie noch gehen wird meine Reise in diesem Körper. Aber ich bin dankbar für alles was mir widerfährt und ich bin in der Gewissheit, dass das Kostbarste noch vor mir liegt und darauf wartet erkundet zu werden. Wird es diese Nacht regnen?

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Ich weiß, dass früher oder später schon alles seine Richtigkeit in diesem Universum hat. Ich bin zutiefst dankbar für dieses Leben. Ich bin weitaus größer denn mein beschauliches kleines Ich. Ich kann Berge versetzen und über das Wasser gehen, Brot teilen und mich über die Maßen für eine Sache aufopfern. Das ist mein Weg. Das ist meine Reise. Das ist meine Zeppelinfahrt. Das ist mein Leben. Das ist mein Inhalt. Das ist mein Grund und mein Warum. Das ist mein Fundament. Immer weiter werde ich geheilt. Ich freue mich darauf, gemeinsam mit Ma. in Portugal an der Küste zu wandern. Gut Ding

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will Weile haben. Alles wird zu richtigen Zeit geschehen. Rom wurde schließlich auch nicht an einem Tag erbaut. Zedern erzittern vor den Wogen der Emotionen. Zart zupfen Zebras die Zither. Zwetschengenmus musst du mit Muse gegessen haben. Die Sonne lacht. Alles ist gut. Alles wird gut. Alles ist im Reinen. Alles ergibt einen Sinn. Die Sonne wird morgen erneut aufgehen. Der Amazonas fließt wie gehabt. Die Musik hält mich. Quito wird mich willkommen heißen. Im Herzen bin ich mit einer jeden Seele verbunden. Wir reisen gemeinsam durch Raum und Zeit. Wir sind der Mehrwert. Wir sind das Reich Gottes. Wir sind der Segen. Wir sind der Glaube. Wir sind die Liebe. Wir schreiben Gesch-…

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ichte.

„Und täglich grüßt das Murmeltier“ – Mittwoch, 29. November 2023

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19:36 Uhr

Längere Zeit habe ich nicht mehr geschrieben. In

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jeder freien Minute öffne ich die App der Mormonen, lese mir gegenwärtig „2 Nephi“ durch und bete immer wieder da ich spüre, wie schnell mein Geist abgelenkt wird oder in Versuchung gerät. Noch einen guten Monat bin ich in Ecuador (hoffentlich!), noch einen guten Monat befinde ich mich in Lateinamerika auf dieser Reise. Was habe ich noch für Wünsche in den kommenden Wochen? Innerlich rutsche ich bereits immer wieder nach Deutschland, erstarre teilweise vor Angst oder den gleichen starren Gedanken, die ich vor der Abreise hatte. Noch hatte ich nicht die glasklare Eingebung, was aus mir werden wird. Ich rufe die Internetseite gerade fast nicht mehr auf, die Klickzahlen im No-…

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vember haben mich entmutigt, ich muss mir etwas Neues einfallen lassen, einfach dran bleiben oder es aufgeben. Nein, ein Aufgeben kommt nicht in Frage, dafür habe ich bereits zu viel Lebenszeit in dieses Projekt gesteckt. Heute fragte mich Gil., ob ich nächstes Jahr wieder zurückkommen werde. Sicherlich möchte ich zurückkommen, doch als wer, in welchem Gewand? Wer bin ich? Wer ist dieser Mensch, der die Entscheidung getroffen hat hierher zu kommen und den Aufenthalt zu verlängern? Am Freitag muss ich nach Quito, meine 90 Tage Aufenthaltsdauer laufen ab, ich habe ein DIN-A4-Blatt mit meinen Daten und werde aller Voraussicht nach einen gewissen Geldbetrag

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überweisen müssen. Ich hoffe, dass es sich damit erledigt hat. Heute laß ich einen Blogeintrag eines einheimischen Autoren über die Zustände der Gefängnisse und es muss mir erspart bleiben, hier hinter Gitter zu wandern. Wieder das Licht, mein Atem, das Zirpen der Grillen oder Zikaden und das kontinuierliche Rauschen des Rio Magdalena. Ich muss die Momente hier noch in aller Ausführlichkeit in meiner Seele aufsaugen. Zweimal ging ich heute ans Ufer, setzte mich mit den Gummistiefeln im Wasser auf einen Stein und schaute einfach vor mich hin in die Natur. Am Himmel kreisten immer wieder die Aguilas, wir setzten heute die Arbeit fort: gute 15 oder 20 Schubkarren schob ich mit Unkraut oder Schnittgut inklusive

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einer schwarzen Plastiktonne auf den Ablagerungsstapel, ich musste mich entscheiden zwischen dem Schwitzen unter meiner Sherpa-Fleecejacke oder den gnadenlosen Stichen / dem Jucken der Ameisen / Moskitos / Pflanzen. Ich wechselte zwischen beiden Optionen. Immer wieder musste ich mir kaltes Wasser auf meine Arme fließen lassen um das Stechen einigermaßen auszuhalten. Glücklich bin ich über meinen grauen Sombrero, den ich für knapp 15 Dollar erworben habe. Es gab genug andere zur Auswahl mit Preisen von 35 bis über 80 Dollar. Ich bin müde, gerade flattern die Kalendertage mehr oder weniger einfach so vorbei: Aufstehen, Zähne putzen, anziehen, Haare waschen, Hund, die

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zwei Katzen, die sechs Gänse, die Fische, die Hühner füttern, irgendwann zwischendrinnen Wasser für den Kaffee aufsetzen, Geschirr verräumen, den Reis aus dem Kühlschrank holen, Tisch für Gil. und mich decken… arbeiten, immer wieder Pause machen, Mittagessen vorbereiten, … dann ist irgendwann 16 Uhr, ich mache mir einen Kaffee, esse Papaya oder Banane, dusche mich, ziehe mir frische Kleidung an, mache mir etwas zum Abendessen, füttere den Hund, die Katzen und die Fische noch einmal und atme tief aus. Es fühlt sich leer an, immer wieder halte ich Zwiegespräche mit Gott, mache Affirmationen, akzeptiere negative Gedanken, vergebe mir dann dafür wenn es mir bewusst wird oder ich segne andere Menschen wenn ich

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sie in Gedanken „gefesselt“ habe. Es ist gerade die Schule des Lebens, es ist kein Angestelltenverhältnis mit Sonderzuschüssen, nein, es ist Arbeit und auch Armut. Ich frage mich tatsächlich, warum ich das gegenwärtig mache. Es gibt keine Alternative. Ich weiß schon, es gibt immer eine Alternative, aber meine Energie ist hier gerade gespeichert, ich befinde mich im Alltag und das ist aktuell meine Aufgabe. Jeden Tag ein neues Wunder, jeden Tag ein neues Erwachen. Meine Hände schmerzen, ich bin verkrampft, ich habe Muskelkater in meinen Beinen (vermutlich vom Laufen am Sonntag). Es hat angefangen zu regnen, um 5 Uhr klingelt der Wecker wieder. „Und täglich grüßt das Murmeltier“.

„Meet the M……“ – Sonntag, 26. November 2023

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08:33 Uhr

Ja, ich habe einen Schatz gefunden. Das Räucherstäbchen ist aktiviert, die Musik spielt, der Strom fehlt. Unweigerlich ist alles miteinander verflochten. Immer wieder schweifen meine Gedanken in die Zukunft. Was

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wird geschehen? Wo wohne ich, mit welchen Tätigkeiten werde ich meinen Lebensunterhalt verdienen? Immer wieder denke ich an mein Fahrrad und an die Radreisen, die noch darauf warten erkundet zu werden. Wo ist meine Heimat? Gerade ist sie hier in Ecuador, sie ist in Europa, sie ist in meinen Notizbüchern, im Kaffee und in Ma. Es ist Sonntag. Der Fluss rauscht. Gegenwärtig befinde ich mich in Gänze hier auf dem Stuhl im Eingangsbereich. Ich spüre meinen Körper, ich atme kontinuierlich, ich rieche das Sandelholz-Aroma, ich schmecke noch ein wenig Papayas und Bananen, ich fühle sie wieder diese Freude einfach am Leben und in knapp 40 Tagen wieder in Deu-…

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tschland zu sein. Das Leben ist eine Reise. Wo genau ich nächstes Jahr mit meiner Schreibmaschine schreiben werde weiß ich nicht genau. Vielleicht ist es eine kompakte für die Reise, dann werde ich in Zügen und Fähren, in der Landschaft und in Unterkünften schreiben. Sollte ich bereits weiter sein in meinem Leben? Ich könnte nicht mehr geschrieben haben, das ist unmöglich. Gestern zählte ich die Wörter für den NaNoWriMo. Ich war enttäuscht – es waren knapp 25.000. Rund 50 Prozent der Challenge. Aber an der Quantität kann nicht die Qualität gemessen werden, das Wesentliche ist für die Augen nicht immer sichtbar. Mein Magen knurrt. Alles ist gut. Die Sonne steht wie-…

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der am Himmel. Du wirst in deinem Leben des Öfteren erwachen. Es mag Momente geben, die intensiver sind, doch es ist stets die Summe der Dinge. Ich freue mich bereits sehr darauf, in Lourdes zu beten. In der Tat werde ich noch unzählige schlaflose Nächte haben. Aber das ist nicht der Punkt. Ob in Amerika, in Afrika, in Asien, in Australien oder in Europa, ich bin ein Mensch. Die Erde trägt mich. Der Himmel wacht über mir. Ich ließ mich von der Eisenstange führen. Die Rauchfäden vor mir sind ein Meisterwerk. Sie sind schöner als das kostbarste Gemälde. Die Arbeit ist ein zentraler Bestandteil des Lebens. Der Friede ist allgegenwärtig. Alan Watts und Neville Goddard sind zeit-…

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los. Mein Bewusstsein ist omnipräsent. Alles ist gut. Ich bin eins mit Gott. Ich bin ein Schöpfer. Ich bin erfüllt. Ich bin im Reinen. Ich bin gesegnet. Ich bin ein Pionier. Ich werde von der Liebe durchströmt und gehalten. Ich sehe die Mitte. Ich bin.

09:42 Uhr

Vor sieben Tagen befand ich mich im Gottesdienst in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Jetzt sitze ich hier, höre die „Holy Spirit / Deep Worship“-Playlist an und weiß nicht, wie es weitergehen soll. Ich schaue mir die heiligen Orte in Marseille und Lourdes an und markiere sie in meiner digitalen Kartenapp. Ich weiß nicht, wie es weitergehen wird. Einiges liegt da noch vor mir. Ich muss vertrauen, der heilige Geist…

13:12 Uhr

Da muss noch deutlich

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viel mehr in dir stecken, als du heute meinst zu glauben. Die Schule des Lebens ist grenzenlos. Das Leben ist eine wundervolle Reise. Unweigerlich ist alles miteinander verflochten. Vertraue deinem Weg und einem jedem einzelnen deiner Schritte. Öffne deine Augen um zu erkennen, was dir zuvor verborgen blieb. Halte fest in deinem Innen das Wesentliche. Finde den Frieden in deinem gegenwärtigen Moment. Sei dir gewahr, dass du ein Leuchtturm für andere Menschen sein kannst. Träume und stehe auf um ihnen mit all der Energie die in dir wohnt Leben einzuhauchen.

15:26 Uhr

Mein Herz, das erstrahlt, mein Sein, das ist zeitlos, meine Liebe bedingungslos, mein Körper

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mein Tempel, durch den hindurch ich wirken darf. Meine Augen strahlen, meine Füße gehen nach vorne, mein Geist ist erwacht. Das Wunder ist in Erscheinung getreten. Meine Seele bebt, der Kugelschreiber schreibt, Ma. schläft und ich lief 30 Minuten am Nachmittag auf der Straße Richtung Chontal. Wieder habe ich Tränen in meinen Augen. Und ich weiß, dass mein Weg nicht umsonst ist. Ich weiß, dass Gottes Sohn durch mich hindurch lebt, ich weiß, dass ich der Bruder Julian bin. Ich weiß, dass die Wahrheit in mir so wie in einem jedem Menschen ruht. Ich weiß, dass ich glaube. Ich bin Mensch. Ich bin Licht. Ich bin angekommen.

18:50 Uhr

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Wie viel muss ich mir noch von der Seele schreiben? Bin ich nicht bereits angelangt im erleuchteten Land? In welche Richtung steuere ich? Es hat recht wenig Sinn, wenn ich all meine Kraft im Segelboot aufwende um in eine andere Richtung zu steuern, als die mir der Wind vorgibt. Ich muss vollkommen vertrauen. Wofür kam ich auf die Welt? Wofür schrieb ich die 800 Seiten „Heal your Heart – El Diario“? Heute war ich alleine? Ich sah einzig in den 30 Minuten des Laufes ein paar Leute auf der Straße. Ich telefonierte mit C., Ma. und meiner Schwester. Es waren schöne Gespräche. Ich bin angekommen. Ich darf noch weiter ankommen in

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mir und auf dieser Welt. Ich schaute mir den Spielfilm / die Dokumentation „Meet the Mormons“ über sechs Mormonen an. Ein Vater lebt in Kathmandu und arbeitet bei einem Hilfsprojekt, ein Ehepaar lebt in Costa Rica, sie ist zweifache Mutter und Amateur-Kickboxerin, sie haben eine Schule gegründet und leiten Hilfsprojekte. Es gab einen dreifachen Familienvater, der Footballtrainer ist und den Sonntag dem höheren Schöpfer widmet. Da war die Familie Armstrong – der Vater hat eine Beinprothese und überwindet dennoch oder gerade deswegen beim Sport immer wieder seine Grenzen, seine Ehefrau wurde mit 16 Mutter, ein Baby starb, der Sohn ging als Missionar für zwei Jahre nach Afrika. Dann

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war da der Bischof, der die unterschiedlichsten ehrenamtlichen Projekte mitgestaltet, seine Frau ist dreifache Mutter und berät nebenbei, sie strahlen alle so viel Kraft und Glauben aus. Dann war da noch der Spirit of Freedom und die Operation „Little Vittles“. Alles Lebenswege, alles Seelen bei ihrem Wirken, alles Aufgaben und Funktionen im Geist der Liebe. In welche Richtung gehe ich? Was bedeutet der Pilgerweg für mich? Wer war der Heilige Jakobus? Wieder erstrahlt das Licht hier so intensiv, da ist diese unbeschreibliche Kraft und all die Magie. Möglicherweise liegt es auch an Südamerika. Gott ist bei mir. In welche Richtung wirst du mich

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noch führen Gott? In welche Richtung darf ich gehen? Gott, Gott, Gott, Gott, Gott, Gott, Gott, wo bist du? Warum nur mache ich mich immer wieder so hilflos und klein? Ich bin der Schöpfer meiner eigenen Realität, ich bin verantwortlich für mein Leben. Ich halte den Versuchungen stand und lasse mich nicht von fremden Mächten lenken. Gott ich vertraue dir und deinen Zeichen. Gott ich glaube. Ich freue mich auf die Zeit mit meiner Familie und meiner Verwandtschaft, ich freue mich auf die Fahrradreise mit Ma., ich trage den Frieden in meiner Brust. Gott ich danke dir für alles was du mir geschenkt hast, ich danke dir für all die Antworten und die Signale. Ich bin angekommen. Ich bin an-…

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gekommen. Was wünsche ich mir für die nächste Woche?

  • Leichtigkeit, Freude, Tanz, Wachstum, Liebe, Vertrauen und Verbundenheit.
  • Segen, Reichtum und Fülle.
  • Mit meinem Vater zu telefonieren.
  • In Quito zum Ministerio gehen um das Visum zu verlängern.
  • Samen pflanzen, die Erde bewässern und mit den erforderlichen Nährstoffen versorgen.
  • Mit Ma. telefonieren und die gemeinsame Fahrradtour durch Spanien und Portugal planen.
  • Mich so annehmen und lieben wie ich in meinem Innersten bin.
  • Loslassen und vergeben.

Auf dem Fahrradsattel – Samstag, 25. November 2023

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08:10 Uhr

Innerlich habe ich mich bereits in eine andere Richtung bewegt. Wohin? Das weiß ich tatsächlich selbst nicht so genau, ich befinde mich in Bewegung, ich befinde mich im Fluss, auf dem Fahrradsattel und lerne neue Orte und Gegenden in Europa kennen. Löst das meine Probleme? Sicherlich nicht alle, doch ich kann nicht hier versauern, die Welt ist groß, mich zieht es wieder in die Ferne, Spanien kenne ich zu wenig und ohnehin, da ist dieser Faktor Unbekannt, der als Abenteuer in Erfahrung gebracht werden möchte. Ich bin müde, irgendetwas steckt

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fest, vielleicht sollte ich mir einen Papaya-Banane-Moringa-Zimt-Smoothie machen. In Teilen ist sie wieder da diese Trägheit, sie wird mich möglicherweise mein gesamtes Leben lang begleiten. Das Wesentliche jedoch ist, welchen Umgang ich damit finde. „Gestrandet in Lateinamerika“ – Der ideale Titel für eine Auswandererdokumentation. Die Natur erwacht noch weiter, es ist einer der schönsten Tage, kristallblauer Himmel, die wertvollsten Sonnenstrahlen und eine selten besondere Grüntönung all der Bäume und Pflanzen. So soll es sein. So muss es sein. So darf es sein. So kann es sein. Man darf einzig den Mut aufbringen das Gewohnte in Frage zu stellen und aus einer anderen

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Perspektive zu betrachten. Das ist alles. Die Dinge werden sich dann schon von alleine fügen. Alles ist ein immenser Prozess. Dafür bin ich dankbar. Denn es vergegenwärtigt mir, dass ich noch nicht vollends angekommen bin, dass ich noch deutlich mehr Dinge in Erfahrung bringen darf und ohnehin…

20:22 Uhr

Gerade ist die Energie ausgesprochen intensiv. Jetzt könnte sich die Türe öffnen, ein Engel Gottes hereinspazieren und sich mit mir unterhalten, es wäre realer als real. Nicht ohne Grund heißt „Heal your

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Heart“ „Heal your Heart“. Das Textdokument hat mittlerweile um die 800 Seiten – ich wünschte, dass es anders wäre, nun bewege ich mich langsam in Größenordnungen wie bei URU oder REM. TIN ist bislang ein Winzling. Es ist Samstagabend, ich habe heute mit vier Personen gesprochen. Zuerst kam Don M. gegen 9 Uhr, er wollte das Geld abholen, ich war gerade dabei einen Smoothie mit zwei Bananen, einer reifen Papaya, Moringablättern, Zimtpulver, Curcuma, Limonensaft sowie Flor de Jamaica-Tee zuzubereiten. Gestern trank ich zu viel Kaffee, ich spürte das Erfordernis, mir mit den Vitaminen etwas Gutes zu tun. Ich lud ihn also auf ein Glas ein, gab ihm eine

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am Vortag frisch abgefüllte Flasche Limonensaft mit und wir redeten noch ein wenig. Es war neben dem Hund und den Katzenbabys die erste menschliche Begegnung mit Gott an diesem Tag. Knapp 10 Minuten später kam die Hoffnung, wir mussten noch ein paar Früchte zusammenstellen, sie ist doch um die 60 Jahre alt, aber die Erscheinung ist zeitlos. Immer wenn ich sie sehe geht mein Herz auf. Gestern war im Dorf „Minga“, das bedeutet, dass die Bewohnerinnen und Bewohner gemeinsam reinigten und aufräumten. Danach telefonierte ich sehr lange mit Ma. Es kann sein, dass wir um die zwei Stunden telefonierten – ich vergaß Raum und Zeit und fühlte mich sehr stark mit ihr in Verbindung. Es geschah einfach. Am Nachmittag besuchte ich F. Ihr brachte ich zwei Fla-…

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schen Limonensaft mit. Wir tranken Kaffee, aßen frisch gemachte Crêpes und redeten recht viel. Bei ihr ist es wie bei meiner Tante, ich fühle mich zuhause. Möglicherweise treffen wir uns morgen wieder. Vor einer Woche befand ich mich um diese Uhrzeit tanzend in der Casa de la Musica. Gestern zog ich eine analoge Tarotkarte. Es war „El Mago“. Der Magier. Eventuell bin ich also bereits doch schon deutlich weiter als ich angenommen habe. Es regnet nicht, es ist sehr still. Gestern laß ich recht lange im Buch Mormon. Gerade bin ich bei „1 Nephi Kapitel 17“. Es wird im Land namens Überfluss ein Schiff gebaut und Vorräte werden an Deck gebracht, damit in Richtung des verheißungsvollen Landes aufge-…

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brochen werden kann. Ich weiß, dass ich nie wieder zu dem Inkognito-Tab zurückkehren werde. Ich habe mich verändert. Ich bin ein anderer Julian geworden. Also freilich bin ich immer noch ich aber ich bin so richtig ich, wie ich seit jeher war. Unaufhörlich rauscht das Wasser. Der Baum des Lebens nährt mich. Immer noch ist mein inneres Auge verklebt. Doch ich spüre, dass ich wieder innere Bilder sehen werde. Das ist ein gutes Zeichen. Ja, das ist der richtige Weg.

Zwischen der Summe der Dinge – Freitag, 24. November 2023

12:42 Uhr

Es ist mehr oder weniger das gleiche Spiel wie gestern. Wieder Küche, wieder gleicher Stuhl, im Hintergrund das immerwährende Rauschen des Rio Magdalenas das einzig von einem krähenden Hahn unterbrochen wird. Die Waschmaschinentrommel ist leise wahrzunehmen. Wir sind zu viert in der Küche. Wieder habe ich Tränen in den Augen. Wieder kann ich nicht aufstehen. Ich kann einzig mit meiner rechten Hand schreiben. „Govinda Hare“ von Krishna Das spielt. Die schwarze Katze hat sich an meine linke Handaußenseite auf die Cusco-Umhängetasche gekuschelt. Sie schlläft dort ganz friedlich. Ich kann meinen Arm gerade nicht von ihr wegbewegen. Die fuchs- oder tiegerähnliche Katze ruht auf meinem Schoß. Ihre anfängliche Schüchternheit ist verschwunden. Der Hund schläft unter dem Regal in meinem Rücken. Soeben stand er auf, trottete langsam ein paar Schritte nach vorne schlürfte von der Milch für die zwei Katzen und zog sich dann reumütig wieder zurück wie ich ihn zurechtwies. Der Frieden ist hier präsent, es ist der Segen des Seins, es ist die übergeordnete Harmonie jenseits der Summe der Dinge. Ich bin glücklich. Im Innen bewege ich mich in die richtige Richtung. Das Außen verändert sich unweigerlich.

Notizbuch no. 59 – „libellenflügel“

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17:23 Uhr – Magdalena

Ich sitze hier in der Natur, das Wasser rauscht, seit einer guten Stunde hat es wieder keinen Strom, ich bin hier immer noch alleine und abgeschnitten. Ich wollte zu F. gehen, doch A. meinte ich solle hierbleiben und aufpassen. Bin ich der Elefant am Pflock? Ich sollte gehen. Ich weiß nicht so recht, was ich mit mir anfangen soll. Früher hätte ich an einem Tag wie diesem längst den Inkognito-Tab geöffnet. Doch ich habe Notizbuch no. 57 und no. 58 fertig auf der Internetseite eingepflegt, mit meiner Schwester telefoniert und mit Ma. geschrieben, Wäsche gewaschen, gekocht, die drei Betten der Cabaña no. 9 bezogen, gefegt und gewischt, das Unkraut

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von gestern mit dem Schubkarren weggefahren, gute 25 Kilogramm Limonen gepresst und den Saft abgefüllt, Papayas geerntet und knapp 4 oder 5 Tassen Kaffee getrunken. Ich habe mit A. telefoniert und geduscht, die Küche aufgeräumt und mir Inspirationsvideos angehört. Genügt das? Ist meine Leistung relevant? Früher hätte ich mich durch das Erledigen dieser Punkte auf einer sehr oberflächlichen Ebene zufriedener gefühlt. Jetzt weiß ich, dass ich immer noch einen sehr langen Weg vor mir habe und noch stärker zu Gott finden darf. Aber das ist das Leben. Das ist die Liebe. Das bin ich auf dieser Welt im dritten Jahrtausend nach Christus. Das ist „libellenflü-…

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gel“.

18:40 Uhr

„There must be magic in the air!“

Bis soeben brannte die Kerze, der Räucherstäbchenduft hängt in der Luft, Snatam Kaur sing in „Heart of the Universe“: „There is a space / that exists with us / and around us / where angels sing / on rays of light / on rays of light / and love pours forth / love pours forth / love pours forth / from the heart of the universe“. Ich erinnere mich an das erste Mal in Kolumbien wie ich damals auf der Ökofarm in der Nähe des kleinen Städtchens Alejandria war. Vielleicht wird der Erdkühlschrank heute genutzt. Die Familie bei der ich mich damals befand zog um, ich wollte sie dieses Jahr wiedersehen, doch es hat sich nicht richtig angefühlt. Es wäre ein krampfhaftes „in Erinnerung rufen“ eines vergangenen Erlebnisses. Aber tief in mir trage ich das Gefühl. Es ist das Glück, es ist die Leichtigkeit, es ist die Gewissheit, dass das Leben ein wahrliches Spektakel ist. Wieder befinde ich mich dort auf der Terrasse, wir sitzen zu fünft am Tisch unter den im Winde wehenden Traumfängern, wir knacken Sacha Inka-Nüsse mit Steinen, im Hintergrund läuft „Mul Mantra“ von Snatam Kaur, meine Haare sind noch nass von dem Bad im Fluss nur wenige Meter entfernt. Es ist 14:32 Uhr, am Himmel kreisen wieder die Aguilas, die sieben Hunde dösen im Schatten unter dem offenen Bambusdach, es ist das Ende vom Anfang.

Wieder stehe ich vor der Herausforderung zu unterscheiden zwischen dem Wichtigen und dem Belanglosen. Von unterschiedlichsten Seiten hörte ich schon, dass ich gegebenenfalls zu ausufernd Schreibe. Aber das ist ein Teil des Prozesses. Nur was an die Oberfläche dringt kann geheilt werden. Brauche ich einen Schamanen? Wo befindet sich M. nun? Das Leben ist eine Reise. Das Leben besteht nicht aus Dingen oder materiellen Gütern. Das Leben besteht nicht aus der Sucht. Das Leben ist eine Odyssee. Das Leben ist der Prozess gen Ewigkeit. Alles ist kontinuierlich im Fluss. Doch das Wasser hat eine Richtung und einen Ursprung. Das Wasser fließt ewiglich im Kreislauf. Ob im Ozean oder im kristallklaren Gebirgssee, ob in der Lagune Cubilche oder dem Zipfelbach, ob im Donaudelte oder an der Loire, das Wasser besteht aus einzelnen Wassertropfen wie in den Regenwolken über Russland, wie in der Träne auf dem Gesicht des 84-Jährigen, wie im Inhalt der abgefüllten und gegen Geld erwerblichen Plastikflasche. Das Wasser in unserem Magen, das Wasser in der Seifenblase, das Wasser im Schnee und das Wasser auf der Bordtoilette irgendwo zwischen Brüssel und Nairobi. Quelle des Seins, Quelle des Ursprungs, Quelle der Inspiration und Quelle des Lebens. Mystik wohin wirst du mich noch führen an diesem Abend, in diesem Jahr, im dritten Jahrzehnt im dritten Jahrtausend nach Christus, in diesem Jahrhundert? Das Leben ist eine Zeppelinfahrt. Doch wer sitzt am Steuer? Sitzt überhaupt jemand am Steuer? Ich denke an den Traum, den mir Mo. hier erzählte. Ein deutscher Zugfahrer der die Fahrkarten der Fahrgäste kontrolliert. Einen Menschen ließ er aufgrund ihres ausländischen Nachnamens aussteigen. Dieser Mensch war sie. Bin ich der Zugfahrer? Wohin fuhr der Zug? Warum gelang es den anderen Fahrgästen im Abteil nicht, den Zugfahrer zum Umdenken zu bewegen? In welcher Landschaft befanden wir uns?

Wieder Fragen über Fragen. Früher oder später werden sie in „XXXX Fragen und die absolute Antwort“ einfließen. Aber bis dahin wird noch einiges Wasser den Rhein hinunterfließen. Es ist eine merkwürdige Zeit gerade. Nichts Halbes und nichts Ganzes. Irgendwie so eine komische Zwischenphase. Was wird aus „Perpetuum Publishings“ werden? Was wird aus der Internetseite werden? Was wird aus „Heal your Heart – El Diario – Ein Traum namens Ushuaia“ werden? Wie viele Menschen werden zur Weihnachtszeit für den Frieden auf dieser Welt beten? Wie lange wird das Räucherstäbchen noch halten?

Wenn mir das Schreiben wichtig ist, dann muss ich es auf Dauer verfolgen. Ich kann nicht nur an den guten Tagen schreiben. Ich schreibe wann ich Zeit habe und wenn ich keine Zeit habe. Das Gute wird unweigerlich früher oder später siegen. Der Frieden währt ewiglich.

Immer noch könnte ich mir sagen, dass es einzig ein naiver Traum ist. Aber was wäre der Unterschied? Wie wichtig nehme ich mich und mein Denken? Wie wichtig nehme ich mein Wort? Wie wichtig nehme ich mein Schreiben? Wie wichtig ist mir meine Zeit von 24 Stunden? Wie wichtig ist mir mein Leben? Wie viel wiegt mein Herz? Wie viele Menschen werde ich früher oder später mit dem Schreiben erreichen?

Wir gehen alle unsere Wege. Es gibt nicht den einen richtigen Weg. Es gibt die richtige Richtung. Doch letztlich sind alles Erfahrungen. Ist diese Vorstellung nicht wundersam, dass sich der Planet auf dem wir von Ursprung an wohnen kontinuierlich in Bewegung ist? Welchen ökonomischen Mehrwert hat der Friede? Welchen ökonomischen Mehrwert hat ein Baum? Welchen ökonomischen Mehrwert hat ein Katzenbaby? Wann fing der Inkognito-Tab einst zu akzeptieren an? Welche Gedanken ließen Osho zu Osho werden? Wie weit kannst du gehen? Wie sehr bist du mit deinen Gefühlen in Verbindung? Was wird durch dein Sein hindurch manifestiert? Wovor verschließt du in deinem Herzen die Augen? Wovor hast du Angst? Welche Samen pflanzt du auf deinem Weg? Welche Superkraft liegt in deinem dunkelsten Schatten verborgen? Was wohnt in deinem Unterbewusstsein, das in der Realität noch nicht bewusst manifestiert wurde? Welche Gedanken wiederholst du? Welche Informationen nimmst du auf? Was wünschst du dir? Woran meinst du beizeiten zu verzweifeln? Was ist dein Anspruch? Was sind deine Träume? Welche Spuren hinterlässt du? Oder gehst du über den frischen nassen Sand unmittelbar an der Grenze zwischen dem Wasser und der Ansammlung der Körner? Schlägst du dir mit der Machete deinen eigenen Pfad durch das Unterholz des Dschungels? Fährst du über die Panamericana oder den Interstate Freeway? Wie viele Fahrräder besitzt du? Was vermeidest du, obwohl du es dringend erledigen solltest? Was wird in dir angesprochen wenn du einen Horrorfilm anschaust? Wem schenkst du Vertrauen? Wie innig betest du? Welches Wissen teilst du mit deinen Mitmenschen? Worin verlierst du dich um dich in Gänze zu finden? Wen vermisst du? Denkst du darüber nach, was andere Menschen über dich denken? Befindest du dich auf dem Holzweg? Welcher Meinung folgst du? Schenkst du deiner Intuition Glauben?

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20:18 Uhr

Ich habe mich jetzt doch schon ins Bett zurückverzogen. Die Woche war intensiv und reich an Eindrücken, am Samstagabend die Casa de la Musica mit C., am Sonntag das Telefonat mit Ma. und danach der Gottesdienst mit C., seinem Sohn und An. samt Einladung zum Mittagessen. Montag Sombrero-Einkauf und Bus gen Manduriacu-Tal, Dienstag Reinigung der Mandarinenbäume und der Außenbereiche, Mittwoch ernten der Platanos und gestern eher entspannt. Einen guten Monat bin ich also noch hier – wird es Zeit Abschied zu sagen? Noch nicht – zu lange ist es noch bis dahin und zu viel wird und darf noch geschehen. Ich bin zutiefst dankbar für mein Leben und

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ausgesprochen gespannt, was da im Morgen noch auf mich wartet. Wieder bin ich an einem Freitagabend alleine – aber habe ich Initiative ergriffen, damit dem nicht so ist? Zu lange habe ich mich passiv in meiner Komfortzone verhalten. Ich bin deutlich stärker mit mir selbst in Verbindung, immer noch kontinuierlich mit dem Schreiben eng verwoben und stehe – so würde ich sagen – deutlich stärker mit meinen beiden Füßen auf dem Boden. Das hört sich schon so an wie der Abschlussbericht der Tagesklinik. Ich fühle mich mehr mit der Natur und den Tieren in Verbindung. Und ja, ich mag mich wiederholen: ich bin von Herzen dankbar, dass ich lebe und in diesem zauber-…

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haften Tal in Ecuador in „libellenflügel“ nun auf einer karierten Seite schreiben darf. Ich habe zwei Arme und zwei Beine, gesunde Hände, einen Kopf, zwei Lungenflügel, allerlei Organe, doch keine Milz. Ich fühle mich pudelwohl. Auf dem Papier bin ich scheinbar 33 Jahre alt, in der Realität werde ich im Regelfall auf irgendwo zwischen 18 und 25 geschätzt. Meine Schwester ist nun bei meiner Mutter zuhause – irgendwie finde ich diese Vorstellung lustig. Tatsächlich weiß ich nicht warum. Warum habe ich eine Schwester? Diese Tatsache ist irgendwie sonderbar. Immer noch rauscht der Fluss, die Stimmen der Tiere sind stiller geworden, noch regnet es nicht. Ein paar Worte noch und dann werde ich mich schlafen

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legen, das Licht ausknipsen, die silberne Gebetskette aus Kairo in die Hand nehmen, beten und gesegnet einschlafen. Es ist der Frieden in meinem Sein. Ich werde es schaffen, ihn in die Welt hinauszutragen. Auf einer ungewissen Ebene habe ich es bereits geschafft.

20:40 Uhr

Immerhin sind es noch 39 Nächte da ich in Ecuador sein werde. In der Tat eine geraume Zeit, noch weit mehr denn 10 Prozent eines Jahres. Dieses Notizbuch wird also no. 59 sein. So wirklich stimmt es nicht, da es bestimmt schon fünf, sechs oder sieben Jahre auf dem Buckel hat. Das erste Datum ist der 05. März 2022, aber so wirklich stimmt das nicht, die ersten Einträge (undatiert!) sind deutlich älter. Ein

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wenig bereue ich es, dass ich früher meine Notizbücher weggeworfen habe. Aber so ist das eben im Leben, man lernt dazu und wird weiser.

Der Friedhof der beflügelten Ameisen – Donnerstag, 23. November 2023

19:24 Uhr

Ich sitze in der Küche, die unzähligen Regentropfen fallen auf das Wellblechdach, ich warte auf das kochende Wasser. Vor ein paar Minuten befand ich mich noch in meinem Zimmer, doch mit jeder verstreichenden Sekunde stieg die Anzahl der Ameisen mit Flügeln beinahe exponentiell an. Sie waren überall. Freilich unmittelbar beim künstlichen Licht, an den weißen Wänden, auf den Bodenfließen und Notizbüchern, den Kopfkissen und der Bettdecke – es war ein Graus. Wie ich jedoch diese Zeilen schreibe werde ich mir gewahr, dass auch hier diese hellbraunen knapp ein Zentimeter großen Tiere rasch zunehmen. Es ist die erste Nacht, in der ich hier als Mensch alleine bin. Der Zeitpunkt an dem ich die Decke über den Kopf ziehe und einfach darauf warte einzuschlafen ist vorbei. Ich spüre es. Ich weiß es. Ich fing an wieder nachzudenken. Ich höre Nirinjan Kaur. Das ist das Leben. Immer noch gibt es die Gedanken „Heal your Heart“ einzustampfen. Aber jetzt spielt es keine Rolle mehr. Vermutlich werden es am Ende 10 Teile von „El Diario“ sein. Ich bin dabei Notizbuch no. 57 auf die Internetseite einzupflegen. Dabei verwende ich keine Methodik. Aus einem mir nicht näher ersichtlichen Grund fing ich bei der letzten Seite an und arbeite mich nun kontinuierlich nach oben. Das Wasser kocht…

19:35 Uhr

Ich komme mir beinahe so vor, als seien es die ersten Minuten meines Lebens. Ich ruhe in meinem Körper, ich spüre meine Füße in meinen Socken in meinen Schuhen auf den Fließen über dem Erdboden unseres Heimatplaneten. Ich spüre mein Gesäß auf dem Stuhl. Meine Finger befinden sich über der Tastatur, in etwa ist es so wie damals im Gymnasium wie ich mit einem Freund das 10-Finger-Schreiben lernte. Es gab ein Programm mit unterschiedlichen Übungen um ohne auf die Tastatur zu blicken in der korrekten Position einen Text hinunterschreiben zu können. Ähnliches mache ich jetzt auch. Würde ich in einem Zug (fahrend!) sitzen, so würde die Landschaft vor den Fenstern vorbeiziehen und ich könnte meinen Gedanken auf dem digitalen Papier freien Lauf lassen. Jenseits der Bahntrassen und Stromleitungen würden sich dort Bäume und Weiher, Flüsse und Hügel, Nebelbänke und Gehöfte unterschiedlichster Seelen wiederfinden. Die zwei Katzenbabys sind aufgewacht. Sie leisten mir Gesellschaft. Ich muss mich entscheiden, ob ich Kaffee trinke, schreibe oder no. 57 einpflege. Es ist ein Prozess. Gegenwärtig ist es mir nach dem Schreiben. Wieder ist da die Erkenntnis, dass das unmittelbare Schreiben auf einer Internetseite nicht mit dem zunächst stillen Schreiben in einem analogen Notizbuch zu vergleichen ist. Würde ich bereits ein „Rite in the Rain“-Exemplar besitzen könnte ich nun mit einer Stirnlampe und einer guten Regenjacke ausgestattet auf einem Stuhl im Regen sitzen und mit einem Bleistift schreiben. Vielleicht mag jener Vorgang nicht unbedingt das höchste Ziel eines jeden Menschen sein – aber ich kann diesem Gedanken etwas abgewinnen. Mit das einzige Mal dass ich im Regen schrieb war in Nürnberg zwischen dem Hauptbahnhof und der Altstadt auf dem Handwerkerhof knapp 9.975 Kilometer von dem Platz entfernt da ich mich gegenwärtig befinde. Ich schaute auf und schrieb über den Frauentorturm besser gesagt über die Regentropfen, die vom Dach in geordneten Bahnen fielen. Fast glaube ich, dass es der Abend war, da ich auf Ma. wartete. Es ist eine längere Geschichte. Gerade stehe ich dort angelehnt an eine Fachwerkhausfassade, weiß, dass ich morgen wieder zur Arbeit fahren darf und spüre meinen Herzschlag. Die Kaffeetasse ist bald leer. Nirinjan Kaur ist nicht Krishna Das. Einzig Gott weiß, wann ich heute schlafen werde.

20:21 Uhr

Die zweite Tasse Kaffee ist getrunken, es sind die letzten Sekunden von Deep Purples „Soldier of Fortune“, mit meiner rechten Hand bin ich immer wieder damit beschäftigt die schwarze Katze davon abzuhalten auf meiner Tastatur herumzutrampeln und wilde Zeichen zu setzen, ich bin auf Seite 131 angelangt, der Regen ist weniger geworden, es wird ein langer Abend werden.

21:12 Uhr

Seite 110. Es regnet wieder stärker. Die Katzen kappeln auf dem Schoß auf meinen übereinandergelegten Beinen. Immer wieder muss ich der Streitschlichter sein und ihr gegenseitiges Beißen schlichten. Vielleicht sollte ich sie auch sich selbst überlassen. Ich kann nicht aufstehen. Sie haben hier bei mir ihren Platz gefunden. Es sind ganz kleine zarte Wesen. Wenn ich sie mit einer Hand hebe, dann kann ich ihren Herzschlag spüren, dann kann ich ihren Atem fühlen. Einen jeden Tag wachen sie erneut auf. Für sie muss diese Welt ein immsenses Wunder sein. Myriaden von Dingen gibt es, die sie nicht verstehen und die sie nicht kennen. Mit vollkommener Garantie werden sie eines Tages sterben und nicht alles verstanden und kennengelernt haben. Aber spielt es eine Rolle? Sie ruhen im Frieden. Sie tragen den Frieden in ihrem Sein wohin sie auch ihre vier Pfoten führen. Sie entdecken und stapfen an Orten an denen sie eigentlich nicht gehen sollten. Aber das macht sie zu Katzen. Das macht sie menschlich. Ihr Gesicht sieht aus wie das eines Aliens wenn man ihre Ohren ein Stück weit leicht nach hinten schiebt. Sie ärgern um dich aus der Routine zu bringen. Im einen Moment können sie ganz friedfertig ruhen und im nächsten dem Käfer nachjagen. Es ist spät geworden, die Müdigkeit übermannt mich, ich sollte mich ins Bett legen hier in der Nähe des Äquators. Wieder wird mir bewusst, dass jeder künftige Tag in der Geschichte der Menschheit an diesem Ort die Sonne um die gleiche Zeit aufgehen wird. Jeden Abend wird sie um die gleiche Zeit untergehen. Es mag Abweichungen von ein paar Sekunden oder Minuten geben. Hier am Äquator zeigen sich dir die unterschiedlichen Jahreszeiten an einem Tag. 24 Stunden. Es ist spät geworden. Die beiden Katzen liegen über- oder ineinandergekauert auf meinem Schoß. Sie sind eingeschlafen. Ich muss wach bleiben. Ich muss schreiben. Ich kann sie im Moment nicht aufwecken und einfach gehen. Ich muss hier sitzen auf diesem unbequemen Stuhl. Vielleicht werden sie vor Mitternacht noch aufwachen, vielleicht auch nicht. Wieder habe ich Tränen in den Augen. Ich höre eine Inspirations-Playlist.

Gate 9 ¾ – Montag, 20. November 2023

15:04 Uhr

Zum zweiten Mal verlasse ich nun das Terminal La Ofelia, wieder geht es ins Manduriacu-Tal, ich habe einen Kaffee getrunken und im Einkaufszentrum nach mehrmaligem Fragen einen Sombrero mit Sonnenschutz am Hals gefunden, habe mich mit marineblauem Hemd und grüncremefarbener Chinohose ausgestattet falls ich noch einmal eine festliche Aktivität aufsuchen werde (was mit Blick auf Weihnachten und Silvester sehr wahrscheinlich ist. Der Gottesdienst gestern ist weit entfernt, am Sonntag ist ohnehin alles anders, ich fühle mich freier und mehr in meinem Zentrum. Auf dieser Reise namens Leben lösen sich ohnehin immer weiter die Knoten und Fesseln. Die spirituellsten Menschen sind letztlich jene, die einfach sind und sich in ihrem Alltag entfalten können. Durch die Spiegelung des geöffneten Dachfensters blicke ich auf den vorbeiziehenden blauen Himmel, der mit den weißen Wolken gemischt ist. Vorhin auf dem Rückweg vom Einkaufen trafen sich zwei Blicke, sie ging gerade irgendwo in greifbarer Nähe des Colegio Experimental „24 de Mayo“ in ihrer Uniform mit Freunden. Für die ewige Dauer von ein paar zeitlosen Herzschlägen verbanden wir uns tief in der Materie des Seins, verloren und fanden uns im Gegenüber, spiegelten uns und umarmten uns. Das Gute am Älter werden ist, dass man immer einfacher laufen kann, dass die anfangs unmöglich geglaubten Dinge in Gänze realistisch werden und schließlich problemlos von der Hand gehen. Unser Kosmos ist ohnehin dazu bestimmt, sich mit der Zeitlosigkeit zu verflechten und letztlich aufzugehen in der Summe der Dinge. Ein Mann mit einem lebenden Huhn im Arm steigt an La Mitad del Mundo ein, die Größe unseres Schöpfenden ist nicht mit Worten zu beschreiben.

16:20 Uhr

Gerade flüstert mir mein Herz, dass ich exakt am richtigen Ort bin. Das erste Mal in meinem Leben werde ich Weihnachten im Ausland verbringen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es hier schneit geht gegen null, vermutlich werde ich am Heiligabend Schweißperlen auf der Stirn haben. Kontinuierlich zieht sich der Bus weiter in das Grün. Es ist das dritte Mal, dass ich diese Strecke in diese Richtung nun fahre, die Sonne bricht durch die Wolken, der Schein trifft meine Augen, der Frieden in meinem Herzen hat zugenommen. Im Leben müssen neue Versuche unternommen werden, im Leben muss das eigene Selbst immer wieder auf die Probe gestellt werden, damit das Wahre aus dem Innen heraus an die Oberfläche tritt. Die Schule des Lebens muss immer wieder hart sein, damit wir aus den Reserven gelockt werden und den Mut aufbringen, die in unserem Kern ruhenden Schätze zu manifestieren.

16:51 Uhr

Der Bus hat sich gefüllt, in einer guten Stunde bin ich wieder in der Natur, mein Horizont fügt sich dann wieder zusammen. Die Zeit heilt alle Wunden. Der Glaube eröffnet uns ein neues unsichtbares Reich.

20:51 Uhr

Ich sitze im Eingangsbereich auf dem Stuhl, die Kerze auf dem Tisch brennt, das zutrauliche Katzenbaby klettert vom rechten Bein auf meinen rechten Arm, auf die Schultern und hin und her, hin und her.

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21:15 Uhr

Eine weiße Feder liegt auf meinem Bett, vielleicht ist alles so wie es seit jeher sein musste. Wieder ist da dieses Gefühl eines omnipräsenten Lichtes. D. aus Brasilien hat mir geschrieben, dass sie auf meiner Internetseite gelesen hat. Ich schreibe für sie. Ich schreibe für all die Seelen in diesem Universum. Ich schreibe für das Heute. Ich schreibe für das Morgen. Ich schreibe für das Übermorgen. Ich schreibe für die Ewigkeit. Alles befindet sich im kontinuierlichen Wandel. Wie ich vorhin hier ankam verbrachte ich zwei Stunden in der Küche. Ich musste ein wenig aufräumen (damit es meinen Ansprüchen genügt), kochte Nudeln und Omelette mit Frühlingszwiebeln und Tomaten, machte einen Salat mit fein geschnittener Gurke und Tomaten, zündete die Kerze an, wischte die mit toten Mücken bedeckten weißen Flächen ab, kümmerte mich um die zwei kindischen Katzenbabys, wusch die Linsen für morgen ab und weichte sie im Wasser ein, schnitt Gemüse für morgen und fragte mich wieder, was ich aus meinem Leben anstelle. Das Licht der Kerze ist so ruhig und gleichmäßig wie selten. Wieder

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das Rauschen des Rio Magdalena. Das Zirpen der Zikaden. „Babu Hanuman“ von Shantala in meiner “Mix der Woche”-Playlist. Ein neues Kapitel beginnt. Wieder hat sich etwas verändert. Ich spüre, wie viel mehr ich noch in dieses Leben hineinwachsen darf. Aber wie wächst man in dieses Leben hinein? Ich denke an den alten Hund und die zwei Katzenbabys im Haupthaus. Mein Herz hängt an ihnen. Ma. habe ich wieder eine längere Sprachnachricht geschickt. Ich würde mich freuen, wenn wir morgen telefonieren können. Ich denke an die Seelen, die diesen Ort eins ins Leben riefen. Es ist irgendwie etwas anderes als ein Unternehmen oder eine Institution. Es ist schlichtweg ein Ort inmitten der Natur, an dem du dich entfalten kannst. Es ist die Steckdose, an die du dich anschließen kannst um deine Energien inklusive Reserveakku auf 100 Prozent aufzutanken. Es ist das Paradies auf Erden. Es ist der Anfang von etwas Neuem. Es ist der Wandel. Wieder die Tränen in meinen Augen. Kerzenlicht, Tinte und Tränen sind drei Erfolgszutaten um deine Seele zu öffnen. Wieder liegt die Großstadt mit den Millionen hinter mir. Wieder liegen die Millionen vor mir. Gut Ding will Weile haben. Alles geschieht dann, wenn es geschehen muss. Wieder weiß ich, dass dieser Abend / diese Nacht richtungsweisend für meine Zukunft ist. Wieder darf ich mir vor Augen führen, was mir wichtig ist. Wieder darf ich das Universum anzapfen und meinen Glauben stärker werden lassen. Wieder muss ich Opfer geben. Ich bin geborgen auf diesem Planeten. Wir sind alle mit dafür verantwortlich, was im Morgen geschehen wird. Wir hängen da alle irgendwie drin in diesem Leben.

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Es gibt immer ein Weiter. Insbesondere dann, wenn du unmittelbar am Abgrund stehst, wenn deine Existenz bedroht ist, wenn du nicht mehr weitergehen kannst, weil sich die Rahmenbedingungen so sehr gewandelt haben. Doch das Neue liegt immer vor uns. Der Glaube ruht stets in unserem Innen. Die Zeit alleine existiert, damit wir immer stärker zu Gott finden. Verdammt, mir ist dieses Buch unglaublich wichtig. Es ist das Wichtigste in meinem Leben. Mein Leben hängt daran. Es ist weitaus größer denn mein kleines Selbst. Es ist ein Kapitel dieser ewiglichen Reise. Es ist der goldene Kokon des Schmetterlings. Es ist das Weltenei. Es ist die sich dauerhauft bewegende Glaskugel. Es ist die eingefrorene Seifenblase. Es ist das unmögliche Kunststück. Es ist das Wunder. Es ist Machu Picchu. Es ist eine der drei beziehungsweise xzy Pyramiden von Gizeh. Es ist der Chiribiquete-Regenwald. Es ist die unechte Karettschildkröte in der Bucht Hiva Oas. Es ist die Liebe. Es ist der Segen. Es ist das dritte Jahrtausend nach Christus. Es ist das Leben. Es ist der Beweis. Es ist der Befreiungsschlag. Vielleicht schreibe ich bereits längst mit der Klinge des silbernen Dolches, der sich noch vor geraumer Zeit in meinem Herzen befunden hat. Vielleicht, so denke ich mir, ist alles möglich. Vielleicht stimmt es, dass wir alle miteinander verbunden sind. Vielleicht ist etwas dran daran, dass wir von Jesus Christus geliebt werden. Vielleicht funktioniert die Kraft der Gebete. Vielleicht sind wir alle Brüder und Schwerstern, bedingen uns alle gegenseitig und sind auf die Hilfe und Unterstützung

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unserer Nächsten angewiesen. Liebe, Licht, Vertrauen, Glauben sind die Bestandteile des Glücks. Dazu braucht es Familie, Freunde und Naturgeräusche samt Tätigkeiten, die uns ausfüllen. Wahrlich ist es anstrengend immer zu leiden und die Schwere des Lebens zu ertragen. Wir sind selbst dafür verantwortlich zu entscheiden, wohin wir gehen und wie wir handeln. Gut oder Böse, wir haben es in der Hand, es ist unser freier Wille. Es wird eine Kette von Auswirkungen in Gang setzen.

Ja. Möglicherweise muss ich durch die zwei Katzenbabys lernen was es bedeutet ein erwachsener Mensch zu sein, was es bedeutet einen jeden Tag erneut Verantwortung zu übernehmen und die eigene Stimmungslage hinten anzustellen. Wer ist es, der gerade schreibt? Wer bin ich? Wie viele Seelen werden mir noch folgen? Wie viel Liebe braucht es? Wie viele Gebete existieren auf der Welt?

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