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„Heal your Heart“ – El Diario – Part IX

The higher form of being – Sonntag, 31. Dezember 2023

12:44 Uhr

Ein paar Stunden verbleiben noch in diesem Jahr. Ich genieße die letzte Zeit hier in Ecuador noch einmal so gut es geht. Innerlich bin ich irgendwie angeknackt. Etwas hat mich mit ziemlicher Gewalt umgeworfen und aus dem Gleichgewicht gebracht. Ich hoffe, dass ich mich wieder aufrappeln kann. Vorhin habe ich mit Ma. telefoniert, es war kein einfaches Gespräch, ich bin nicht meine Gedanken, ich bin ein Mensch, der sich von den eigenen Gedanken distanzieren kann und muss. Drei Monate habe ich mich hier befunden, für manche mag es eine kurze Zeit sein, für mich war es wie ein ganzes Leben. Ich habe alle Gefühle erlebt, oft wurde ich geschleudert, berührt, verunsichert, geheilt und aus dem Konzept gebracht. Ich sitze im „Sala de Descanso“ und verzichte darauf, meine handschriftlichen Notizen zu digitalisieren. Im gegenwärtigen Moment. Vor mir ist noch einmal das Fenster zum Paradies, dort sind die Bäume samt dem Rauschen des Wassers und dem Zwitschern der Vögel. Ma. meinte, ich solle die Katzen ganz einfach mitnehmen. Sie meinte es ernst. Was bringt das neue Jahr? Ja, es ist auch einfach nur ein weiterer Tag des Lebens, doch gleichzeitig bedeutet er mir etwas, weil er ein Stück weit verheißungsvoller ist, neue Möglichkeiten bereithält und ganz einfach alternativlos ist. Was führte mich hierher und was wird mich weiter führen? Was sind die Worte wert, die ich schreibe? Was bin ich mir wert? Über dem Fluss kreist ein Raubvogel. Er bewegt sich vollkommen schwerelos, er zieht getragen vom Wind seine Bahnen, er ist frei. Ja, er ist frei. Was jedoch ist mit mir? Gibt es einen Menschen, der über mir steht? Was ist mit der Brücke Europa – Amerika, die ich konstruieren wollte, die ich bereits lange in Gebeten skizzierte, die ich mit dem Schreiben immer weiter manifestiere? Wie belastbar ist sie, wie vielen Menschen wird sie eine Hilfe sein, wie verbunden sind die Kontinente in unserer heutigen Zeit der Wunder und der Mysterien? Ist es die Wahrheit, dass wir dazu geboren wurden um alleine glücklich zu sein? Können wir alleine lieben? Brauchen wir nicht einen anderen Menschen, ein Gegenüber, einen Partner, einen Jemand, der einfach da ist in den guten und in den schlechten Stunden, der uns anhört und aufhilft, der uns Kraft gibt und antreibt, der uns neue Handlungsfenster aufzeigt und einlädt zur Musik zu tanzen, der schlichtweg ist und nicht urteilt? Was ist er wert ein Moment? Wie ehrlich ist der Kern deiner Seele? Wie tief sinkt dein Geist?

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16:15 Uhr

Dort steht er nun der Rucksack weitestgehend fertig gepackt. Hat er mich hierher gebracht? Er verlieh mir Flügel, er versorgte mich mit dem Notwendigsten, er war ein zentraler Bestandteil meiner vergangenen Monate. Nun kehre ich

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wieder zurück in meine Heimat, zu einem Teil meiner Wurzeln. Die Suche ist noch nicht zu Ende und sie wird mein gesamtes Leben lang nicht zu Ende sein. Ein Auto kann dich ein paar Hundert oder Tausend Kilometer weit bringen, ein Rucksack an jeden Ort der Welt. Was hält sie mir also bereit die Zukunft, was wartet dort auf mich, nach was verlangt es mein Herz? Sicherlich bin ich nicht in Gänze geheilt, es wäre ein übertriebener unrealistischer Anspruch. Ich glaube also, dass die Öffnung des Herzens eine Lebensaufgabe ist. Immer wieder können wir uns entscheiden, in welche Richtung wir blicken, worauf wir schauen, wem wir unsere Aufmerksamkeit schenken und wen wir ermutigen. Nicht nur jeder Tag sondern jeder einzelne Moment hält Myriaden an Handlungsfenstern und Mö-…

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glichkeiten bereit. In einer Zeit der Schnelllebigkeit, der ständig abrufbaren Informationen und der Angebundenheit kann das vermeintlich Gewöhnliche außer Acht geraten. Doch in ihm liegen die Wunder verborgen. Erst wenn wir langsamer gehen und anhalten, dann können wir das wirklich Bedeutsame finden. Wir müssen uns mit niemandem vergleichen oder der Meinung sein, einem aktuellen Trend zu folgen. Es genügt schlichtweg die Augen zu schließen und wahrzunehmen, was da im Innen an Reichtümern vorhanden ist. Es kann erschrecken in die Innenwelt zu reisen, da dort Albträume, Dämonen und Schreckensszenarien auf uns warten können. Doch wenn wir diesen Blick nicht wagen, dann werden wir nicht wissen, wer wir selbst sind. Dann können wir die Welt wieder und wieder bereisen. Doch etwas wird bei alledem

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fehlen. Und diese Leere muss im eigenen Sein geborgen oder vielmehr transformiert werden. Jede Begegnung auf dem Weg – sogar jeder einzelne Moment – ist ein Schlüssel, der uns tiefer an die Wahrheit bringen kann. Sprache, Religion, Hautfarbe, Alter oder Größe sind bedeutungslos. Sie machen keinen Unterschied. Der wahre Wert liegt im eigenen Herzen verborgen. Er äußerst sich in deinem Umgang mit den Lebewesen, die sich um dich herum befinden, in den Worten, die deinen Mund verlassen, in den Handlungen im Alltag und in der Aufmerksamkeit gegenüber den kleinen Dingen im Leben. Lebenssinn oder -ziel muss nichts Großes und Abstraktes sein, es ist der Friede im Moment, die vollkommene Annahme gegenüber dem was ist, das Aufgehen im Augenblick. Es kommt nicht darauf an wo wir uns befinden, sondern wohin wir gehen und was wir sehen.

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Die Welt kann uns zu Füßen liegen. Wir sind in Gänze frei. Doch im Geiste müssen wir zunächst die Wege ebnen. Im Geiste müssen wir zunächst den Wandel initiieren.

16:38 Uhr

Jeder Moment kann einzigartig und besonders sein. Jeder Tag kann eine Dekade an Eindrücken und Erlebnissen bieten. Es gibt keinen Gradmesser für die eigene Zufriedenheit außer die eigene Zufriedenheit. Dafür bist du selbst verantwortlich. Niemand kann dir da hineinreden. Du befindest dich nicht ohne Grund im gegenwärtigen Moment. Dein Herz ist der Schlüssel. Wobei Herz gleichzusetzen mit Innen, Selbst und Seele ist. Längst hast du erreicht, wonach du so sehnsüchtig gewünscht hast. Du musst es einzig erkennen und zulassen. Du hast bereits alles erreicht was du dir nur erträumen kannst. Also schaue dich im Spiegel an und umarme diesen

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Menschen nicht äußerlich sondern innerlich. Es ist der Wandel der Zeit. Du hast die einmalige Gelegenheit mit deinem Sein, mit deinem Können, mit deinen Stärken und mit deinen Potentialen dabei mitzuwirken. So wie jeder andere hast du Makel, Schwächen und Schattenseiten. Das zeichnet dich aus. Das macht dich menschlich. Das macht dich verwundbar. Gibt es Ecuador wirklich? Ich befinde mich gerade dort, doch was soll es sein? Es ist ein Stück Erde das die Menschen anfingen als Land zu bezeichnen, sie organisierten und strukturierten es. Doch Ecuador existiert einzig, weil Seelen daran glauben. Das stellt immer den Unterschied dar. Was wir glauben, das ist die Realität. Sind wir ehrlich aus uns selbst heraus von uns überzeugt, dann sind wir

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auch für andere überzeugend.

20:36 Uhr

Ich gehe davon aus, dass ich in 30 Minuten oder in einer Stunde schlafen werde. Letztes Jahr verbrachte ich um diese Uhrzeit im Bett im Genf. Es war in der Jugendherberge in der Rue Rothschild in recht zentraler Lage. Damals schaute ich den 3-stündigen abgrundtief schlechten Kriegsfilm mit Marlon Brando an. Allerdings kommt er erst ab ab Stunde 2 vor. Ich war auf der Radtour nach Marseille, schlief in der Nacht zuvor in Montreux (damals kannte ich Nabokov noch nicht) und davor in Bern. Am Neujahrstag fuhr ich mit dem Zug bis nach Grenoble und stieg dort auf den Mont Rachais. Es war eine gute Zeit der Abwechslung und des Wandels. Die darauffolgenden Nächte waren Valence – dort wo auch Rousseau einen

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Platz auf Zeit hatte – Avignon mit einem guten italienischen Restaurant in der Altstadt – und schließlich die bezaubernde und exotische Stadt Frankreichs am Meer gegenüber von Algier. Wie sehr freue ich mich auf die Fortsetzung bis nach Spanien? Ich befinde mich auf der Reise, ich darf es akzeptieren, dass Silvester nicht sonderlich spektakulär sein muss, ich darf tatsächlich nun die letzte Nacht im Manduriacu-Tal bei Osho genießen. Vorhin waren drei oder vier Mal Raketen aus Magdalena Bajo zu hören. Ansonsten ist es ruhig. Es regnet nicht, der Fluss rauscht und die Grillen zirpen. F. war zum Abendessen mit zwei Freunden zu Besuch da. Es war ein leckeres Essen mit Wasser, arabischem Reis, russischem Kartoffelsalat und

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Hähnchen. Danach habe ich mich in mein Zimmer zurückgezogen. Ich könnte ins Städtchen zur Feier, zur Musik und dem Tanz gehen, doch ich akzeptiere mein Bedürfnis und meinen Wunsch nach Ruhe und genieße hier die Zeit. Was wünsche ich mir für das nächste Jahr?

21:03 Uhr

Wandel, Licht, Liebe, Manifestierung, Aufrichtigkeit, Segen, Erhabenheit, Reichtum und Freude kommen mir spontan in den Sinn. Ich bin gespannt, es wird in Ecuador starten und wäre schade, wenn ich bereits heute wüsste, wo ich mich in 365 Tagen befinde. Zumindest bin ich mir ausgesprochen sicher, dass ich an mehr als an 300 Tagen geschrieben haben werde. Gerne wäre ich jetzt bei Ma. Gerne würde ich gemeinsam mit ihr Zeit verbringen und neben

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ihr aufwachen und mit ihr das neue Jahr gestalten.

Infinite Repetition – Samstag, 30. Dezember 2023

09:12 Uhr

Mittlerweile freue ich mich stärker darauf wieder nach Europa zurückzukommen. Immer mehr wird mir bewusst, was ich in der Vergangenheit nicht gemacht habe und gerne gemacht hätte. Hier liege ich im Bett, in meinem Bauch befindet sich eine Tasse Kaffee (oder vielmehr der Inhalt), ein Spiegelei, etwas Reis und drei Stücke Kochbanane. Die Wäsche hängt auf der Leine, die beiden Rucksäcke werden kontinuierlich gepackt, die letzte Kerze brennt. Alles wird zu seiner Zeit geschehen. Ich weiß, dass ich heute nicht alles beeinflussen kann was meine Zukunft betrifft. Ich muss vertrauen. Ich muss vertrauen, dass die Zeit hier mehr als eine Illusion war. Ich spüre, dass die Momente echt waren, dass sie nicht nur ein Konstrukt meiner Imagination darstellten. Ich weiß, dass ich hier an dem richtigen Ort angelangt bin. Ich durfte hier gewisse Erkenntnisse sammeln. Es war ein wichtiger Abschnitt der Schule des Lebens und gleichzeitig gibt es diesen Teil in mir, der diese Phase verflucht. Die ein oder andere Sache hätte besser laufen können; was ist es von Bedeutung negativ über andere Menschen zu reden? Was macht es mit der Energie? Immer noch steht sie über meinem Kopf die Frage: „Wer bin ich?“ Aber ihre Bedeutung hat sich verändert. Ich habe Antworten gesammelt auf meiner Reise. Ich bin Sohn und Bruder, Freund und Helfer, Radfahrender und Poet, Spiritueller und Mann. Ich bin Mensch und Schwitzhüttenteilnehmer, Maler und Wanderer, Koch und Fotograf. Aber wer bin ich wirklich? Ich bin nicht mein Körper, ich bin nicht mein Verstand. Ich bin meine Seele und die Gesamtheit meines Seins. Durch mich hindurch kann etwas Größeres zum Vorschein kommen. Ich bin ich mit allen meinen Schattenseiten und Makeln. Ich bin die Vereinigung der männlichen und der weiblichen Energie. Ist das die Antwort? Es fühlt sich noch nicht gut oder richtig an. Wer bin ich? Ich bin das Wesen auf diesem Planeten, das zu Beginn des Jahres 1990 nach Christus in einem industriestarken Teil von Deutschland das Licht der Welt erblickte und dort sozialisiert wurde. Ich bin nicht so wirklich ein Stadtkind und auch nicht so recht vom Land. In mir gibt es beide Komponenten. In der Schule wurde mir ein Konstrukt der Realität geschaffen. Dieses Konstrukt unterscheidet sich in jedem einzelnen Land. Es wird niemals die allumfassende Realität abbilden können. Einen Großteil meines Lebens war ich Mittelmaß. Im ersten Jahr im Biologieunterricht auf dem Gymnasium war ich mit einem anderen Jungen Klassenbester. In den darauffolgenden Jahren hatte ich Noten von 3 bis 5. Im Bachelorstudium wurde ich in ein Programm „Förderung der Besten“ aufgenommen und erhielt ein Stipendium. Ich studierte und arbeitete, aber so wirklich stellte ich mir niemals die Frage wofür das Alles. Mir war es niemals wichtig ein eigenes Haus (und auch keine eigene Wohnung) zu haben. Ich hatte nicht den Wunsch nach einer glücklichen Beziehung. So sonderlich ausgeprägt wollte ich auch nicht um die Welt reisen. Ich wollte einfach sein. Ich beschwerte mich lieber über den Status Quo als etwas zu verändern. Dann irgendwann zog ich nach Hamburg, begann das Masterstudium, war froh, von „Allem“ weg zu sein, doch verlor mich irgendwie. Ich ging in Meditationsgruppen und zu Seminaren, ich las philosophische Bücher und schaute mir Dokumentationen über Abenteurer und Entdecker an. Gerne setzte ich mich auf mein Fahrrad um eine Tour entlang der Elbe oder in die naheliegenden Parkanlagen zu unternehmen. Immer wieder zog ich meine Laufschuhe an und genoss das Rennen. Ich mochte die Strecken entlang der Fleete und Kanäle, um die Außenalster und durch Barmbek-Winterhude. Oft ging ich in der Abenddämmerung oder in der Dunkelheit in den Stadtpark. Ich weiß nicht, was ich dort suchte. Dort war ich den Sternen ein bisschen näher, dort gab es Wasser und Grün, weite Wiesen und Bäume, ein paar Hasen und Enten. Immer wieder stand dort das Planetarium. Ich maß ihm keine sonderlich große Bedeutung zu. Rückblickend betrachtet ist dies ein No-Go. Am Eppendorfer Baum ging ich zu einem Therapeuten. Er hatte graue Haare und war vermutlich so alt wie einer meiner verstorbenen Großväter. Manchmal dachte ich, dass er einschläft wenn ich ihm etwas erzähle, es war eher ein gemütliches Plauschen als harte Arbeit an der Seele. Sicherlich war es eine Überwindung für mich dort hinzugehen aber es war die gleiche Überwindung wie den Schritt nach Amerika zu wagen. Würde ich einen anderen Weg gehen, wenn ich noch einmal von vorne anfangen könnte? Was bedeutet „von vorne anfangen“? In einem idealen Leben wäre ich bereits vor meiner Geburt als Seele im Himmel, im Nirwana oder in der Ewigkeit im Bewusstsein. Ich könnte diesen blauen Planeten Erde studieren, alles über die Wirtschaft, die Bildungssysteme und selbstverständlich die Frauen herausfinden. Ich könnte mich in einem Kloster, in einem Tempel oder in einer Einsiedelei einschließen und über den Papieren brüten. Ich wäre der Typ Seele, der aus sich selbst heraus nach Selbsterkenntnis strebt. Andere sind Schüler, die einen Lehrer, eine Lehrerin oder unterschiedliche Richtungsgeber haben. Bei mir muss es aus mir selbst heraus geschehen. Es mag sonderlich erscheinen aber es ist mein Vorgehen. Das Selbige gilt für das Schreiben. Ich kann nicht in einen Kurs über literarisches oder kreatives Schreiben gehen. Ich muss das Notizbuch öffnen, den Stift in die Hand nehmen und anfangen. Ich habe tatsächlich keine Ahnung, was ich da mache. Es ist vielmehr ein Resultat aus sich selbst heraus, dass das Ergebnis der Suche darstellt. Ich kam also als unbewusstes Wesen auf die Welt. Unfähig in einem winzigen Körper, ich konnte nicht einmal gehen oder sprechen. Schlichtweg unfähig war ich. Umgeben wurde ich von meinen Eltern mit ihren Hintergründen, mit ihren Unsicherheiten, mit ihren Stärken und mit ihren Potentialen. Was vermochte mir Stuttgart zu geben? Ich weiß es nicht mehr so wirklich. Im Kindergarten freute ich mich immer über die Gleichaltrigen mit den ausländischen Namen, mit der anderen Hautfarbe, mit dem vermeintlich fremderen Hintergrund. Irgendetwas zog mich zu ihnen hin, es fühlte sich schlichtweg natürlich an. Ich war niemals dazu bestimmt auf eine Eliteuniversität zu gehen. Es gab die Gedanken in mir eine „einfache“ Ausbildung zu machen. Doch ich ging eher nach meiner Mutter, es war das normale Vorgehen mich zu immatrikulieren und dann die erste Vorlesung zu besuchen. Das war irgendwann damals in einem Saal mit ein paar Hundert Menschen an der Universität Stuttgart, in dem ein Mensch ganz vorne stand den man eigentlich nur mit einem Fernglas von dem Platz da ich saß so richtig hatte sehen können. Er erzählte kryptische Dinge und kritzelte irgendwelche Formeln und Zahlen an die Tafeln. Und es gab nicht nur eine Tafel, nein es gab vier oder fünf davon. Es gab Assistenten, die diese Tafeln hin- und herschoben und immer dann wischten wenn man gerade dabei war diese abzuschreiben. Alkohol war ein Thema, Alkohol war lange ein Thema, Alkohol lockerte die Stimmung auf, machte heiter, entspannte und war unkompliziert. Es war niemals ein Problem an Alkohol zu bekommen. Es war halt einfach normal und salonfähig. Kein Wunder, dass ich das Bauingenieurstudium im ersten oder zweiten Semester abbrach. Es war einzig ein Krampf. Oft habe ich Sachen in meinem Leben abgebrochen. Es ist ein Thema, das sich durch meinen Lebenslauf zieht. Ein Schema meines Selbst. Es ist immer einfacher eine Sache fallen zu lassen als sich selbst zu überwinden und durch das Ungemütliche zu gehen. Ich glaube es ist mit ein Grund, warum mir heute das Schreiben und die Bücher so wichtig sind. Niemand kann mir da hineinreden. Es ist meine Sache. Es ist meine eigene Welt. Es ist mein riesiges Universum. Ein Großteil der Menschen denkt vermutlich, dass ich dumm bin oder keine Ahnung von den Dingen habe. Die meisten Gespräche oder Themen sind für mich schlichtweg Tratsch oder Banalität. Sie haben recht wenig damit zu tun, was sich in meinem Kopf befindet. Das hat unweigerlich dazu geführt, dass ich mich abschotte und zurückziehe. In der Geschichte der Menschheit gab es immer wieder Sonderlinge, Spezialisten oder Alchemisten, die abseits von dem Geschehen um sie herum ihre Sache machten. Sie wurden belächelt oder ignoriert, sie waren nicht wirklich im Zentrum des Geschehens. Sie existierten vermutlich eher in einer Art Parallelwelt. Aber wo würden wir als Zivilisation heute ohne diese „Exoten“ stehen? Wo würden wir uns ohne die Außenseiter und Randfiguren befinden, die in all den Tagen und Stunden nach etwas anderem, weiter entfernten forschen. Sie mögen sich dessen tatsächlich nicht immer bewusst sein. Sie machen einfach ihre Sache. Ihnen geht es nicht um Reichtum noch um das gesellschaftliche Ansehen oder den Ruhm. Ihnen geht es schlichtweg um die Erkenntnis und die Notwendigkeit in ihrer begrenzten Lebenszeit einer Tätigkeit zu folgen. Sie müssen sich in ein U-Boot setzen und dann mit einem anderen Menschen oder alleine ganz schön tief auf Erkundungstour sinken. An Bord haben sie alle möglichen Apparaturen und Geräte, freilich Notizbücher und Stifte. Sie führen unzählige Messungen durch, erheben diverse Parameter wie den Helligkeits- oder Dunkelheitsgrad je nach Meerestiefe und Beschaffenheit des Bodens und und und. Wenn sie kein U-Boot auftreiben können, dann bauen sie sich eben selbst eines.

Man könnte meinen, dass sie an Universitäten gut aufgehoben sind. Aber der Schein trügt. Die Universitäten sind nicht frei. Sie folgen Lehrplänen und sind strukturiert. Dort gibt es keinen freien Raum für Neugierde und Experimente. Sie müssen an anderen Orten suchen. Sie müssen losziehen in die Welt in der leisen Ahnung, dass sie dort draußen in der unbekannten Weite etwas finden mögen. Was, das wissen sie selbst nicht so recht. Einfach etwas, dass anders ist, dass richtig und wahr ist, dass ihnen Antworten liefert. Sie setzen sich in Züge, Busse und Metros, sie steigen in Seilbahnen und Gondeln, in Fähren und Flugzeuge. Sie gehen in Museen und Bibliotheken, in unterschiedliche Arbeitsstätten, in Städte und in Cafés. Im Regelfall sind sie in Parkanlagen anzutreffen. Sie mögen Haruki Murakami in ihren Taschen und Köpfen tragen, auf einer Steinmauer in Neapel mit einer Chilenin sitzen und Pizza mit Sardinen in einem italienischen Restaurant als einziger Gast essen. Sie gehen unaufhörlich Schritte auf den Gehwegen, Zebrastreifen und Pfaden in den Regionen und Metropolen. Ob es ein Landstrich ohne Wegweiser oder eine Straße ins Nirwana ist spielt für sie keine Rolle. Sie glauben an etwas. An was, das wissen sie tatsächlich selbst nicht immer so genau. Sie glauben aber zumindest daran, dass Schmetterlinge fliegen, dass die Werke in öffentlichen Gebäuden auch nur von Menschen stammen, dass die Sonne im Regelfall jeden Tag auf- und untergeht, sich die Erde kontinuierlich dreht, der Mond samt den Planeten und den Sternen als grundsätzlich freundlich, positiv oder gutmütig einzukategorisieren sind. Sie halten nicht viel von Konventionen. Sie warten bei rot nicht weil es so viel Freude bereitet sondern weil sie keine Lust haben sich mit Ordnungshütern oder dem verlängerten Arm des Staates auseinandersetzen zu müssen. Grundsätzlich gehen sie Konflikten aus dem Weg. Sie sind so scheu wie ein Rehkitz auf einer Lichtung das ein winziges Knacken hört. Wenn sie des nachts alleine in ihrem Zelt Sternschnuppen beobachten wissen sie, dass ihnen ein Universum gehört. Allerdings kann es sein, dass sie eine halbe Stunde später schweißgebadet aus einem Albtraum aufwachen oder Gott und die Welt verfluchen, weil sie ihr Leben nicht auf die Reihe bekommen und eigentlich von nichts eine Ahnung haben. Sie befinden sich gerne an der frischen Luft. Geschlossene Räume sind für sie ein No-Go. Klar haben sie manchmal keine Alternative, dann müssen sie sich eben in so ein künstliches Etwas hineinzwängen. Dann werden sie mucksmäuschen still, ihr Herzschlag wird schneller, sie kämpfen ums Überleben. Ehe sich ein Anderer versieht haben sie genügend Geld angehäuft um ein weiteres Mal für drei oder sechs Monate in der rauen Wildnis unter den Wölfen und den Kojoten zu leben. Sie haben schlichtweg keine Alternative. Sie wissen nicht so recht wer sie sind, weil sie manchmal denken ein Vogel, ein Stein oder eine Schlange zu sein. Würde man in ihrem imaginativen Wörterbuch die Definition von Freund / Freundin nachschlagen, so stünde dort folgendes: „Der / die / das Freund*in. In der Antike eine unrealistische Beziehung zwischen zwei menschlichen Lebewesen. Aufgrund der langfristigen Erkenntnisse in der Praxis jedoch bereits längst überholt. Freund kann sich einzig noch auf die Beziehung zu einer Tätigkeit oder zu einem Tier beziehen. In Ausnahmefällen auch auf einen Gegenstand. Hinweis: Die Begriffe Beziehung und Partnerschaft wurden in der überarbeiteten Version ersatzlos gestrichen.“

10:57 Uhr

Ich schotte mich ab und ziehe mich zurück, äußerlich bin ich zwar noch hier, doch innerlich habe ich mich weitestgehend bereits verabschiedet. Ich höre laut Musik mit den Over-Ear-Kopfhörern und ergo bekomme ich nicht mit, wenn mich jemand ruft. Ich bin gefangen in meiner Welt. Vielleicht wird es noch mein gesamtes Leben lang so gehen. Aber dann weiß ich, dass ich in jedem Atemzug mein bestmöglichstes getan habe um Mensch zu sein, um ich zu sein. Gerade saß ich recht lange an meinem Lieblingsplatz am Fluss barfüßig auf einem kleinen Stein. Das Wasser kühlte meine Haut. Ich sammle noch einmal Sonnenstrahlen bevor es zurückgeht. Ich muss schauen, dass ich die Zeit bis ich auf dem Fahrradsattel sitze und durch Frankreich als auch Spanien strample irgendwie überbrücken kann. Ich wurde nicht dazu geboren von einem anderen Menschen an einem Platz festgehalten zu werden. Ich befinde mich schließlich nicht in einem Gefängnis. Ich bin frei dorthin zu gehen wohin ich gehen möchte. Ich bin frei mich ohne eine Verabschiedung aus dem Staub zu machen. Wer richtet? Wer ist es, der letztlich bleibt? Wessen Werke bleiben für die Ewigkeit? Wo bin ich inmitten von Exupéry, Camus, Flaubert und Lawrence? Wohin werden mich meine Füße noch tragen? Wie viele Sandkörner verbleiben da noch in meiner Lebensuhr? Werde ich gedacht oder denke ich, bin ich als einer von Milliarden auf diesem Planeten unverkennbar, verwechselbar und nichts weiter als ein Konsumprodukt? Bin ich wahrlich frei? Bilden sich die anderen Menschen eine Meinung über mich? Ist sie von Bedeutung, wenn ich immer weiter und weiter und weiter und weiter ziehe? Von dem Fahrradsattel in Europa in das Boot wieder nach Amerika, zu Fuß bis auf die Panamericana, dann endlich Ushuaia, ein letzter Kaffee am sicheren Ufer und dann weiter auf das nächste Schiff. Einmal tief durchatmen, in die unendliche Weite andächtig starren und mir vergegenwärtigen, wer ich doch bin. Ich bin nicht alleine. Egal wo ich mich befinde begleiten mich Menschen und Seelen und Herzen, Verbündete und Krieger, Eroberer und Magier, Träumende und Legenden. Wer richtet über mich? Wie frei bin ich wirklich? Wie weit werde ich noch gehen müssen um das zu finden was ich im gegenwärtigen Moment noch übersehe? Wie viel wird da noch geschrieben werden müssen? Langsam steigt sie auf die Vorfreude in meinem Innersten bald „Die Tinte Gottes“ zu gestalten. Gleichzeitig weiß ich, dass da noch zwei oder drei mir bis heute unbekannte Werke im nächsten Jahr aus meiner Feder entspringen werden. Die Titel sind inspiriert vom Name einer hübschen Frau, einer genialen Erkenntnis auf dem Jakobsweg, einem letzten Gedankenschrei als Ausweg, keine Ahnung. Es geht immer weiter auf dieser ewiglichen Reise. Irgendwo wurden wir geboren und irgendwo werden wir sterben. Dazwischen haben wir die freie Wahl. Wir können unsere Meinung hintenanstellen, klein beigeben und uns nicht so wichtig nehmen. Wir können einfach die Bequemlichkeit zum Wegweiser eines jeden Tages werden lassen. Wir können noch einmal von vorne beginnen. Wir können die Pläne ausbreiten und mit dem Bleistift in der Hand die Skizzen für die Zukunft anfertigen. Wir müssen uns nicht schämen für das was wir nicht besitzen. Es ist eine temporäre Phase, wenn wir in einer Sackgasse sind. Es geht immer weiter. Wir müssen das Traummobile wieder in Bewegung bringen, wir müssen den Mut haben zu hinterfragen und Gewohntes auf den Prüfstand zu stellen und notfalls abzureißen. Wir müssen die Einzelteile aufbereiten und in ein neues Gewand kleiden. Wir dürfen Tage, Wochen, Monate oder Jahre auf dem Bett in unserem Zimmer liegen wenn uns das gefällt, wenn es uns weiterbringt, wenn es die Bestimmung unseres Seins ist. Wir können mit einer oder mit einhundert Frauen schlafen. Es gibt niemanden der richtet.

Ist es das gewesen? Mittlerweile habe ich genug Bücher, um mich an eine jede Mauer so hoch sie auch sein mag zu stellen um darüber zu schauen und auf die andere Seite zu gelangen. Ich bin nicht begrenzt. Meine Welt ist unendlich. Mein Glaube ist grenzenlos. Mein Sein ist zeitlos. Ich bin angekommen in der Ewigkeit. Verrückt und Selbsterkenntnis sind zwei vereinbare Worte. Du bist der der du bist nicht ohne Grund. Du erwachtest und du wirst dich früher oder später gefunden haben. Du gehst deinen Weg ohne anzuhalten oder klein beizugeben. Du lässt dich nicht unterkriegen. Die Menschen, die dich von einem Gegenteil überzeugen möchten werden erkennen, mit wem sie es zu tun haben, sie werden durch dich lernen. Sie werden durch dich begreifen zu verstehen. Du genügst. Und das weißt du tief in dir drin.

11:15 Uhr

Was ist es, dass ich wirklich will? Irgendwo steht sie die Liste mit Gebäuden, in denen ich mir vorstellen könnte zu leben. Da ist das Eckhaus über dem Montblanc-Schreibwarenladen gegenüber der Alt-Neu-Synagoge im jüdischen Viertel in Prag, die Villa an der Elbchaussee mit Blick auf die Elbe und den Hafen und da ist die Dachgeschosswohnung in Miraflores in Lima mit Blick auf den Pazifik. Was muss ich noch geben um irgendwann anzukommen? Was muss ich noch machen oder vielmehr schreiben? Mein letztes Hemd habe ich ausgewrungen, mein Geld verprasst und all meine Taschen geleert, mein Herz ausgeschüttet und meine Seele gereinigt. Was muss ich noch geben? Wohin muss ich noch steuern? Was ist es, das mich da noch quält tief in meinem Inneren? Oder bin ich längst frei und angekommen und sehe es nur noch nicht? Was hält mich noch zurück der zu sein, der ich zeitlebens war? Warum hier und nicht da, wer an meiner Seite und wie lange, wie weit ist er noch der Weg und wie sicher ist es noch das Fundament da ich stehe und weile und ruhe und atme? Die Kompassnadel meines Herzens steckt fest, ich klopfe mit dem Zeigefinger meiner linken Hand zwei Mal sacht doch bestimmt gegen die Scheibe, sie setzt sich wieder in Bewegung, dreht sich ohne Ahnung oder Sinn. Wohin mein Freund, wohin mein Kind, wohin mein Vater, wohin meine Bestimmung? Was flüstert sie meine Seele? Werde ich eines Tages meinen Platz zwischen Blavatsky, Nietzsche, Hemingway und Hesse finden? Wer liest noch? Wer denkt noch? Was hat das alles für einen Sinn? Myriaden von Zeichen haben mich seit jeher umgeben, doch ich sprach die falsche Sprache, ich dachte nicht, dass das was offensichtlich ist dazu bestimmt ist wahr zu sein. Immer sah ich in Umwegen und Rätseln, dachte in Knoten und Labyrinthen, meinte fest zu wissen ohne der weisen Stimme meines Selbst zu lauschen. Der Fluss war blockiert, der Damm nicht dazu bestimmt durchbrochen zu werden. Alles nichts als Schall und Rauch, Vergänglichkeit, trügerische Stille jenseits von Echos oder Rufen, Meinungen ohne Anhaltspunkte und Kommata. Was wird mich erwarten wenn ich zurückkehre? Letztlich spielt es keine Rolle. Da werden sie wieder sein die gleichen Fragen wie damals, was wirst du jetzt aus deinem Leben machen, womit verdienst du dein Geld, wohin wirst du gehen, hast du eine Freundin und xyz. Immer dieses ewigliche Blablabla. Aber ich bin niemandem etwas schuldig. Ich habe das recht frei und Mensch zu sein. Ich bin kein Sklave eines Systems. Ich bin nicht dazu bestimmt bis an mein Lebensende mit einer Fußfessel in den dreckigen Mienen zu schuften und dann mit 43 Jahren an einer Atemwegserkrankung zu sterben. Ich bin nicht dazu bestimmt auf dem Chefsessel eines internationalen Großkonzernes zu arbeiten, die E-Mails in die Posteingänge Korruption, Anweisungen MAs, Portokasse und Affären zu schieben. Doch zu was bin ich dann bestimmt? Gleich einer Feder frei durch die Lüfte zu ziehen und mein Schicksal vom Winde der Veränderung abhängig zu machen? Wo ist da mein eigener Antrieb, wo ist da mein Innen und wo mein Wille? Was bedeutet es letztlich einen freien Willen zu haben? Was bedeutet es frei zu sein? Jeder trägt eine eigene Definition der Freiheit in seinem Wesen. Für den einen ist die Freiheit die Sicherheit, denn in ihr ist er frei dem zu folgen was ihm wichtig ist. Für den anderen ist die Freiheit der Faktor Unbekannt, ohne Ahnung, ohne Sinn. Wir gehen alle unsere eigenen Wege. Für den einen mag dieser Weg in die Sucht führen, in die Ausflucht, in die Verleugnung und in die Unstimmigkeit. Für den anderen mag dieser Weg eine herrliche Reise der Freude und Genüsse sein, fernab der irdischen Güter sieht, denkt und handelt er. Dort wo andere feststecken im Treibsand und Schlamm hebt er seine Flügel und zieht weiter. Dort wo andere reden und urteilen bleibt er still und schweigt, denn er ist längst ganz woanders. Wohin wird es ihn treiben? Wohin werden wir geführt? Immer wieder komme ich an den Punkt, da ich mein eigenes Reich erobern muss und unweigerlich meine alle anderen zu enttäuschen. Doch auf Dauer dieses Spiel der Nettigkeit und Konformität zu spielen ist nicht möglich, es zehrt aus und macht kaputt. Es ist ein Gefängnis, die einsame Insel im Paradies von der es nicht möglich ist zu fliehen.

Aber sehe mir fest in die Augen mein Verbündeter und Freund, du befindest dich auf deiner Reise, du hast deinen Hintergrund, du gehst deinen Weg und du behältst es im Taktschlag der Zeiger stets fest im Blick das übergeordnete Ziel. Du bist das Wunder in Person, der Kolibri am Blütenkelch und das Leuchten der Sterne samt der Schönheit der Wüste. Du musst niemandem etwas beweisen. Es genügt, wenn du deine Energie hältst, weißt was du willst, beizeiten machst was von dir erwartet wird, doch deine wahre Kraft auf das Funkeln in deiner Brust richtest. Denn in dir brennt es, in dir glüht sie die Glut, all die Dämonen dieser Welt treiben dich um, du hast die Perspektive verändert. Das Schreiben verändert und prägt dich. Das Schreiben entführt dich an die Orte, die kein Mensch ergründen kann, der nicht schreibt. Du wirst auf die Probe gestellt werden, du wirst dich auf dem zitternden Boden alleine in der Weite befinden, hinausschreien was zum Teufel das alles soll, du wirst dem Tod immer wieder ins Auge schauen, dein Herz öffnen, Erfahrungen sammeln und Abschiede machen müssen. Du wirst ihn möglicherweise immer wieder aufziehen deinen Rucksack und all die Länder dieser Kontinente bereisen. Bist du jetzt weiter mein Kind als damals wo es alles anfing? Ist er eingekehrt der Friede in deiner Seele? Hast du gefunden wofür du losgezogen bist? Hat dein Glaube die letzte Grenze überwunden? Bist du losgezogen um einzukehren?

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11:59 Uhr

Mir wird bewusst, dass sich die meisten Menschen mit der Armut, mit der Langsamkeit und mit dem Mittelmaß zufrieden geben. Sie mögen in der Vergangenheit reich gewesen sein, sie hatten Immobilien, Sportwägen und Geld. Aber sie haben es nicht durch ihre eigenen Hände erwirtschaftet. Alles floss ihnen weg. Sie haben andere Menschen zu ihrem Vorteil benutzt, sie haben gespielt und verloren. Doch in ihrem Kopf, da sind sie Gewinner. Das Problem ist, dass sie all das Chaos das sie umgibt gar nicht wahrnehmen. In ihrer Überheblichkeit übertreten sie Grenzen, instrumentalisieren und meinen, sie seien

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die Richtenden, sie seien die Weisen. Sie spielen Gott. Aber spiele ich nicht auch immer wieder Gott? Wie wichtig ist es mir mit dem Schreiben, was finde ich darin und wohin wird es mich noch führen? Wem ist tatsächlich noch etwas wichtig in unserer Welt? Wer schöpft sie noch aus dem tiefen Glauben an die höhere Macht diese Kraft und lässt sich treiben auf seinem Weg? Wohin führen all die Schritte die wir gehen? Was ist es, das letztlich bleibt? Was hinterlassen wir? Wo werden die Nachfolgegenerationen innehalten und staunen, da sie es kaum für möglich halten, dass Mensch solche Werke vollbrachte. Gibt es diese eine universelle Wahrheit? Gibt es diese

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absolute Antwort? Gibt es ein Geheimnis? Kurz trete ich auf der Stelle, hadere etwas, habe mit etwas noch nicht abgeschlossen und weiß gleichzeitig tief fest in mir drin, dass es das noch nicht gewesen ist. Ich bin in Verbindung mit dem seidenen Faden, er begleitete mich bereits vor meiner Geburt, er wird mich noch all die Jahre begleiten. Was werde ich in Venezuela, was in Brasilien, was in Suriname, was in Guayana und in Französisch-Guayana, was in Uruguay und in Paraguay, was in Chile, Bolivien und Argentinien schreiben? Wie wird das Beten in Lourdes, in Santiago de Compostela und das in Fatima sein? Wen werde ich noch berühren auf meinem Weg? Wann

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wird es soweit sein, mein erstes veröffentlichtes Buch? Welchen Kräften werden sie noch ausgesetzt sein die Federn auf meinem Kleid? Was hält es noch bereit für mich der Moment samt Gold und Glanz, Gloria und Wunder? Wo sind sie noch versteckt die Vorahnungen und Einsichten? Wie viele Bänke werden am Wegesrand stehen und wen darf ich einladen, dort gemeinsam mit mir Zeit unter dem freudigen Schatten der weichen Blätter zu verbringen? Was hätte mir meine Großmutter aus Ulm noch mitgegeben auf meinen Weg? Wohin wäre sie gegangen meine Großmutter aus Waldenburg, wenn sie lebend noch einmal in ihre Heimat zurückgegangen wäre? Wo liegt das Gold begraben? Was kann ich aus dem

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Gestern lernen? Wer schützt mich und nimmt mich in seine Gebete auf? Die Welt hat sich verändert. Alles hat sich verändert. Unsichtbaren Kräften fühlen wir uns beizeiten ausgesetzt, die zu groß, zu unmenschlich, schlichtweg nicht realisierbar sind. Aber wir bleiben in Verbindung, wir werden geübter, wir behalten es fest im Blick das Ziel, das Ende eines neuen Anfangs, das Alles und das Nichts.

13:42 Uhr

Ich kann mich nicht bewegen, ich liege im Bett und bin handlungsunfähig. Ich aß heute morgen etwas. Immer mehr ziehe ich mich zurück. Ich bin im Kern verunsichert. Den gesamten Tag hat es kein Internet. Was habe ich hier gemacht, alles nichts als Zeitverschwendung, immer wieder diese Geda-…

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nken. Ich erkenne mich gerade selbst nicht mehr. Die Katzen sind unendlich weit entfernt. Ich befinde mich in der Sackgasse. Ich habe eine Möglichkeit erhalten wie es weitergehen kann, doch ich habe sie ausgeschlagen. Ich möchte mich nicht von einem anderen Menschen abhängig machen. Ich muss irgendwie alleine gehen, alleine atmen, alleine stehen. Ich kann nicht alleine lieben, ich brauche das Soziale, die Gemeinschaft und ein Gegenüber dafür. Aber gegenwärtig geht es nicht. Ich könnte jetzt einfach einen Punkt machen und das Buch beenden. Es gibt kein Happy-End. Was wäre es auch schon wert? Ich dachte, dass ich bereits die anstrengendsten Phasen überlebt hätte. Das hier stellt mich gerade komplett auf die Probe. Es zehrt an meiner

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Substanz. Das ist der Liebesentzug der härtesten Sorte, da gibt es keine Alternative. Gott, warum hast du mich hierher geschickt? Habe ich mir all das Gute und Schöne einzig eingeredet? Das ist die Läuterung, all die Gefühle stecken gerade in mir fest, ich müsste irgendwie schreien oder mich zur Wehr setzen um meine Wut zum Ausdruck zu bringen, aber ich bin handlungsunfähig. Ich bleibe stumm. Ich bin stumm wie schon mein gesamtes Leben. Das hier sind nur Worte auf dem Papier, sie könnten etwas bewegen aber von wem ist es letztlich abhängig? Immer wieder bete ich, dass das Alles einen Sinn ergibt, dass ich eine Antwort erhalte, dass ich einfach irgendwie ein klitzekleines Bisschen glücklich und zufrieden sein kann. Was habe ich mir dabei geda-…

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cht, den sicheren Job zu kündigen und für sechs Monate nach Amerika zu gehen? Was hatte ich für Hoffnungen, Wünsche, Sehnsüchte und Erwartungen? War ich zu faul um etwas zu erreichen? Ich kletterte auf Berge, lernte Leute kennen, meinte mich verliebt zu haben – aber woher weiß ich das? Was fühle ich? Fühle ich überhaupt? Wieder kommen Tränen in meine Augen. Ich möchte gerade irgendetwas zerstören oder kaputtmachen oder ganz laut schreien. Es gibt da gerade diese Stille aber sie ist verdammt trügerisch. Sie ist nicht echt. In ihr wabert so einiges. Aber wer bin ich schon? Ich habe irgendwie einen Masterabschluss erhalten weil Augen zugerdrückt wurden und der Anspruch unendlich gering war. Hier bin ich jetzt

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als Freiwilliger. Mit Essen und kleinen Gefälligkeiten wurde ich abgespeist. Aber ich war ein einfacher Freiwilliger ohne Rechte, ohne irgendetwas. Ich war die Belustigung in der Manege. Ich war der Depp vom Dienst und das Opfer. Ich war nicht mehr wert als die Ameise, die ohne Rücksichtnahme oder mit vollem Bewusstsein zertreten werden konnte. Ich war der Handlanger eines Anderen – unfrei und nicht selbstständig. Gefangen in den Abhängigkeiten war ich. Immer noch bin ich in Ecuador. Mehr als drei ganze Tage bin ich noch hier. Vielleicht müsste ich jetzt einfach die Türe aufmachen und nach unten gehen. Aber ich kann es nicht. Da ist die Angst, ich bin gelähmt, ich bin nicht zurechnungsfähig. Warum begehen Menschen

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bestimmte Taten?

Ich kann die gesamte Stimmung zerstören. Alles kann harmonisch und schön sein und dann fällt irgendetwas vor – es kann sein, dass ich nicht einmal genau weiß was – und ich bin ausgestoßen. Vielleicht fühle ich mich nur ausgestoßen aber ich bin komplett weg. Ich bin den anderen mit ihrer Freude, mit ihrer Liebe, mit ihrer Leichtigkeit entfremdet. Vielleicht kann ich nicht fühlen. Ich lernte es zumindest niemals. Aber spiegeln all die Worte nicht eine Opferhaltung wieder? Was ist das Andere, das Wirksame und Mächtige? In meinem Kopf ist es das Geniale und das Grandiose, in meinem Kopf ist es schnell die Überheblichkeit, der Wahnwitz, die Entrücktheit. Und früher oder später kommt er wieder der tiefe Fall. Ich darf

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vertrauen, dass alles irgendeinen Sinn ergibt. Aber gerade bin ich leer, geschwächt, müde, entmutigt und antriebslos. Es hat seinen Preis, wenn du dich für einen anderen Menschen aufopferst, wenn du gibst und gibst und gibst, wenn du deine feinen Antennen überall im Außen hast, wenn du aufmerksam, nett und freundlich bist, aber all die Zeit eigentlich auf der Suche nach dir selbst bist. Du kennst deinen Wert nicht. Du bist in deinen Augen nicht sonderlich viel wert, erwartest allerdings, dass dir andere Menschen einen Wert geben. Ist der Titel „Heal your Heart“ richtig gewählt? Muss ich noch mehr oder anders fühlen? Muss ich mehr auf mich achten oder mich mehr im Außen verlieren? Was ist der Gradmesser für das Glück? Ich kann von Anderen

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nichts einfordern. Dafür bin ich schlichtweg zu nett und zu freundlich. Ich kann nicht nein sagen. Für mich bedeutet es das Ende einer Beziehung. Wieder ist da der Unglaube gegenüber all den Dingen im Raum-Zeit-Gefüge. Ich bin ein spirituelles Wesen in meinem Körper eben gerade im Jahr 2023 nach Christus.

Das Wasser des Flusses rauscht immer noch kontinuierlich. Die Vögel zwitschern. Ich war blind dafür. Vielleicht müsste ich einfach nur die Türe öffnen und die Treppe hinuntergehen. Etwas könnte geschehen. Alles befindet sich in der Bewegung. Nichts ist statisch. Ich muss den Mut aufbringen und den Versuch unternehmen. Es kommt einem Gesichtsverlust gleich.

16:21 Uhr

Es ist einer dieser sonderbaren Tage. Die Energie ist jetzt am Jahresende ausgesprochen hart, noch ein letztes Mal

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wird alles auf die Probe gestellt. Die Zeit verstreicht nicht. Es erscheint mir sehr sonderbar, dass ich in ein paar Tagen in Deutschland sein soll. Es ist nicht realistisch in meinen Augen. Unzählige Arbeitsschritte anderer Menschen sind dafür erforderlich, dass alles funktioniert. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit.

17:00 Uhr

Und irgendwann wird sich dein Bewusstsein öffnen. Es kann dir Angst bereiten. Du kannst nicht mehr kontrollieren, was dort in all der Weite vor sich geht. Du bist ein Schüler. Eine Seele von ein paar Milliarden. Immer weiter findest du zu Gott. Doch es ist ein schmaler Pfad. Es ist erforderlich, dass du dich von deinem Bild des Gesterns löst. Du wirst dich von dem Materiellen lösen. Du wirst in Versuchung gebracht und verführt

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werden. Es ist ein Kampf der Kräfte. Es wird Passagen geben da du meinst zu stürzen. Aber du wirst gehalten. In dir spürst du, dass du in Verbindung mit dem Größeren bist. Nicht ohne Grund befindest du dich da wo du weilst. Du hast deinen Platz auf dieser Erde. Du wirst geführt werden. Lerne deine Sinne zu kontrollieren, fange an Verantwortung für all deine Handlungen zu übernehmen. Fühle dich nicht schlecht, wenn du zurückgeworfen wirst. Behalte dir stets das Vertrauen, dass du genügst und alles in dir trägst, was du für deine Entwicklung benötigst. Halte fest an deinen Träumen. Ermächtige dich ihnen zu folgen. Weite deinen Geist. Öffne dein Herz. Halte inne um all die Wunder zu bestaunen. Blicke lange in das Licht der Kerze und lasse

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dich von ihm inspirieren. Erschaffe in all den Tagen und den Stunden. Gebe alles, auch wenn deine Leistung nicht geschätzt werden mag. Vertraue darauf, dass sich dein Glaube auszahlt. Spüre die Erde unter deinen Füßen. Genieße die Reise. Mache dir keinen Kopf, manchmal musst du über den Dingen stehen. Du musst beizeiten zerreißen um dein ganzes Selbst in voller Kraft zu entfalten. Es muss aus dir herausbrechen. Du musst in dir finden, was du im Außen bislang vergeblich gesucht hast. Immer wieder wirst du auf dich zurückgeworfen werden. Du musst aus der Stille schöpfen, aus dieser mysteriösen Welt ohne Richtungsweiser oder Vorgaben. Bewahre dir das Vertrauen.

19:13 Uhr

Nun ist es bald soweit. Die Zeit

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hier hat ein Ende, die letzte Woche ist an mir vorbeigerauscht – ich war zwar mitten drin, doch irgendwie ging dann alles ganz schnell. Noch zwei Nächte sind es also hier. Ich könnte länger hierbleiben, doch ich brauche weiteren Input für meine Entwicklung, andere Menschen, schlichtweg Veränderung. Ich glaube, dass ich mich mit A. wieder versöhnt habe. Ich saß im Eingangsbereich und dann ging ihre Türe auf und sie sagte so etwas wie: „Julian, du warst sehr lange weg. Warst du hier?“

Progress – Freitag, 29. Dezember 2023

14:20 Uhr

Wird er noch kommen der Durchbruch? Werde ich noch eine Herzöffnung erfahren dürfen? Wie weit muss ich noch gehen um weiter zu kommen? Wann ergibt das alles einen Sinn?

16:43 Uhr

Wieder sitze ich auf dem Stuhl mit dem Blick in die grüne Weite. Bin ich hier richtig? Hier ist mein Platz, hier habe ich etwas sehr Besonderes gefunden. Das weiß ich nicht nur, das spüre ich auch tief in mir drin. Die Sonne scheint und Regentropfen fallen auf den Boden. Es sind ganz kleine zarte. Eigentlich sollte man jetzt einen Regenbogen sehen. Die Stimmung passt perfekt. Ich fühle mich zehn Kilogramm leichter, der Heulkrampf ist vorbei, ich bin erschöpft und musste vorhin erst einmal zwei Bananen, ein paar frittierte Yucca und Ratatuille essen sowie einen Kaffee trinken. Ich war irgendwie ganz leer. Davor ging ich in den Meditationsraum. Ich ging dort wie in Trance hin. Ich war verzweifelt und hatte keine Alternative. Als ich wieder rausging hatte sich mein Bewusstsein verändert. Ich nahm alles so intensiv war wie noch nie zuvor hier. Mit jedem Schritt sog ich meine Umgebung in Gänze auf. Alles ist hier anders. Das macht es für mich so schwierig und gleichzeitig macht es das für mich so reizvoll. Im T-Shirt kann ich die Temperatur gerade so aushalten, noch nie zuvor habe ich so ein Jahr ausklingen lassen. Gute zwei Tage sind es noch. Vielleicht entscheide ich mich im letzten Moment doch noch hier zu bleiben. Ist das realistisch?

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21:27 Uhr

Oh dear god, please lead my ship through all of those storms – help

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me to see whilst standing blind at the edge of the cliff empty and apart as this will be the moment that I am utterly tormented. And so hold on to the truth whilst not knowing where to go as the well-known fall apart and the new is waiting to be born. Redeem me from everything that is itching and scratching with bursting noises. The soothing sea is long gone – do you dare to stand in this storm full of silence gazing to the stars among the sheep of the blind? What is it that is haunting you night after night, day in and day out – what are you looking for in the outside, what do you hold on to that is long gone, what do you

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wish if the night hauls with wolves and forbidden angels? Why do you dare to choose your destiny? Why do you want to lift the curtain to see the truth? Could it be, that you are simply nothing more than a dream, not an illusion but something between the art of state and a fallen kingdom that needs a new empire? Lift up your soul oh dear as there is nothing left for me to say or to write. All words are not worthy the pages being filled. Provide me with the spirit of eternity, embrace my shadows and my mirror to make me not who I was ment to be but who I am. Who am I – nothing more or less, it’s a simple qu-…

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estion: Who am I? You are good at pointing out things, but did you learn to love, to provide shelter, etc.? Can you climb up the mountain, cross desserts, walk above the water and enter the sky? Do you swing as the beat appears out of nowhere or are you hesitating? Do you follow your intuition, take a chance to spread your wings and fly into eternity? Tell me in all honesty did you really give your best? You don’t need to answer at all – you need to know it. Where are you heading, what information provide your body, mind and soul? To whom do you speak if there is no one except you in

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the room and the believe? What is it that you want? What do you want? What do you want? What do you want? Who am I? What am I doing? Why do I write? These questions will not give me the slightest hints, instead they will let me drown down and become dull or dumb or disillusioned. No way that this will lead to an end. The light is shining, raindrops falling down, page 139, noises of the television somewhere in the background. Is this it? Who did I become? Why me? Where did I go wrong? Did I go wrong? Am I able to love? What is the essence of it all? Who am I? Who is asking this question? Who is my soul? Who is writing?

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You can’t escape – not now, nor tomorrow, nor for the rest of your life. So open up your heart right now, open up your mind, lift your spirit higher and collect the stars as the blooming orchids in a hostile land. Fear not faith whispers into my being, instead be courageous. Bold. Brave. Humble. Creative. Forgiving. Loving. Simply a human gentle being. Nothing special but not to conventional that you will not be remembered. Choose your footprints and leave your marks upon this echoing sand of eternity within this cosmic space. Turn pages filled with meaning and be honest. Be simply yourself and work day in and day out.

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You will wake up each day for the rest of your life – remember this my child. You will wake up each day for the rest of your life again and again and again. And you are the one that is free to choose, that is free to go wherever you want. You can stand there in silence and almost fall apart or you can dig your feet deep into the fertile ground of earth where you decide to stand. There is no one smarter than you but it is always up to you of how much you do dream, how much you do love, how much you do give, how much you do pray, how much you do work and how much you simply be who was meant to be in everlasting simplicity.

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There are no shortcuts to success. You simply need to work hard day in and day out mainly in silence. You will have to keep faith setting your chin high to the winds of change whilst the tremendous effects attract insignificant amounts of hopes and dreams. The water flows, soon forgotten will be those that did not dare to shine beyond their essence. Integrity is the key to success as integrity will set you free. But again this question in your head – who am I? Who am I? Who am I? Who am I? Who am I? Who am I? There is a temple, masked dancers are greeting the moon around the fire accompanied by beating

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drums as loud as your heart if your stomach is full of butterflies. The light was turned out, there will come a time that you wish to have better prayed back then in the past. But hold on my child, it is never too late. Another dream, another night, an ever-present shore is there right next to the forest of elves. Choose your own destiny. Fill your blank sides with fantastic sceneries, incredible landscapes as well as thrilling headlines. Do never give up. Rest deep if you need and deep rest is what will bring you closer to eternity. Mermaids, insights and patrons would like to enrich your life but you need to let them in.

The Secret – Donnerstag, 28. Dezember 2023

18:46 Uhr

Es sind anstrengende Tage. Ich bin in mich gekehrt und gehe den sozialen Situationen so gut es geht aus dem Weg. Ich habe mein Zimmer, den Stein am Fluss und den Meditationsraum. Vorhin saß ich dort zum zweiten Mal im Schneidersitz auf dem blauen Boden. An der Türe standen meine alten blauen Schuhe, die ich damals in London vor dem Theaterbesuch kaufte und in Folge die Hermesschuhe mit den Flügeln nannte. Irgendwann müssen wir an den Moment kommen, da wir kapitulieren. Wir müssen uns eingestehen, dass wir alleine mit unserem begrenzten Verstand nicht mehr alles verstehen können. Wir sind einzig ein kleiner winziger Funke in diesem Universum. Die Welt würde sich ohne uns weiterdrehen. Doch wir sind hier, um der Zeuge von allem zu sein. Wieder liege ich auf dem Bett mit der silbernen Gebetskette aus Kairo auf meiner Brust. Ich habe die Einladung nach Algerien und schaue den Film an, den ich beinahe vor knapp einem halben Jahr in New Mexico empfohlen bekommen hatte. „Awakening in Taos“ ist der Titel, er handelt von der Schriftstellerin Mabel Dodge Luhan, die dort ihr Sein, die dort ihr Glück, die dort ihr Erwachen gefunden hat. Dafür musste sie zunächst nach Florenz, Paris und New York gehen, suchen und die unterschiedlichsten Menschen kennenlernen. An dem Ort, da ich mich im Juli in Taos befand schrieb sie: „If one lived holy at present, the future could truly be left with self.“ Ja, es ergibt einen Sinn, dass ich diesen letzten noch geöffneten Tab nach unzähligen Tagen endlich anschaue und an diesem Abend schließen werden. Ich wünsche mir, dass sich ihre folgenden Worte in mein Gedächtnis einbrennen: „That was possibly the instant that I recognized the truth that there is nothing except what one creates for oneself, I just want to write – when I write I am alive, when I don’t, I am nothing.” “I realized that I must write or die. If I wanted stability, I must create it and anything else I needed. Gradually I began to experience a feeling of hope, that a real was before me, a hard stiff change of attitude in myself.”

Wir müssen den Mut haben neue Wege einzuschlagen. Wir müssen den Mut haben Grenzen zu überschreiten. Wir müssen den Mut haben, dass all die Summe der Dinge, die wir gestern und heute und morgen machen einen übergeordneten Sinn haben, dass sie etwas in Gang bringen, das weitaus größer als unser beschauliches Selbst ist. Wir müssen des Nachts hinaus in die Dunkelheit treten und den Mut finden unseren Kopf zu heben. Und wir müssen uns das Vertrauen bewahren, dass selbst wenn wir eine dichte grausige Wolkendecke auffinden wissen, dass sich darüber ein ewiglicher Kosmos der Sterne befindet. Nicht ohne Grund wachen wir mitten im Schlaf auf, zerbrechen uns stundenlang den Kopf über Themen oder vermeintliche Probleme, wälzen und drehen uns, doch finden keine Antwort. Wir öffnen unsere Augen am nächsten Tag und wären gerne weiser. Doch es muss in unserem Innersten diesen Faktor Unbekannt geben, unsere Frequenz muss beizeiten gestört sein. Nur so finden wir die Notwendigkeit, unser Bewusstsein auf das eigentlich Wesentliche zu richten. Nur so können wir in der Tiefe unseres Selbst einen unendlichen Horizont finden.

In fünf Tagen um diese Uhrzeit werde ich mich in der Luft befinden. Das kleine Land am Äquator, das sich in den vergangenen Monaten zu einem rätselhaften Mysterium entwickelt hat in dem ich mein Herz verloren oder wiedergefunden habe wird unter der auserwählten Schar an Passagieren verblassen. Ich werde und muss meine Aufmerksamkeit nach vorne auf Europa richten. Ich weiß nicht, was mich dort erwarten wird. Ich wünschte beizeiten, dass ich es wüsste. Aber ist das nicht das Geheimnisvolle am Leben? In einem Raum mit einer unbestimmten Anzahl an Türen fällt es uns schwer eine Entscheidung zu treffen. Doch müssen wir wahrlich eine Entscheidung treffen? Müssen wir durch eine dieser Türen gehen? Können wir nicht einfach dort bleiben an dem Platz da wir uns befinden und sein auf Ewigkeiten? Vor mir schwebt ein Glühwürmchen blinkend in der Luft. Es gibt mir Signale. In sich trägt es Botschaften. Ein kleines, von oben betrachtet nicht sonderlich schönes oder bemerkenswertes Tier gibt mir Zeichen. Kann es das sein? Ist es das gewesen? Ist es das Ende diesen Jahres? Was bringt das Morgen?

Wir befinden uns alle auf der Reise. Nicht relevant, wo wir heute stehen. Einzig von Bedeutung, was wir in unserem Innersten tragen. Wir sind die Schöpfenden des Morgens. Wir sind die Heilenden unserer Ahnengenerationen. Wir sind die Menschen auf diesem Planeten. Die nach uns kommen werden uns gedenken, sie werden uns danken für unsere Fragen und für unser Wirken, für unsere Beharrlichkeit und für unsere Antworten. Sie werden früher oder später an den selben Punkten stehen, sie werden sich den Kopf zerbrechen und des Nachts wach im Bett liegen müssen. Sie brauchen die quälenden Geister samt all der Ängste und Zweifel, denn einzig so können sie wachsen. Einzig so werden sie sich auf die Reise weg vom sicheren Hafen begeben. Sie werden treiben in der Ewigkeit der Gewässer, anfangen die gleichen Steine zu drehen und zu wenden, Fehler zu machen und meinen aufgeben zu müssen. Aber sie müssen alleine an diese Stellen gelangen um sich selbst zu wandeln, um ihre Perspektive zu verändern, um Mensch zu werden.

Wird uns eine Berufung in die Wiege gelegt? Werden wir geboren um ein gewisses Werk das Licht des Tages erblicken zu lassen? Müssen wir nicht früher oder später an den Punkt kommen, da wir aufwachen aus diesem Traum der Zivilisation, da wir nicht mehr länger der sind der wir gemeint wurden zu sein, sondern da wir uns selbst finden und erkennen?

Wird es mich nächstes Jahr nach Hiva Oa verschlagen? Vorhin schrieb ich vier Orte auf Zettelchen und meinte dann einen auswählen zu müssen. Doch ich konnte es nicht. Ich konnte mich nicht entscheiden. So nahm ich einen und zerriss ihn in kleine Teilchen. Das war deutlich einfacher. Ebenso verfuhr ich mit dem Zweiten und dem Dritten. Auf dem finalen weißen Papier stand schließlich in blauer Kugelschreiberschrift: Hiva Oa. Hiva Oa. Ich habe noch nicht gefunden auf dieser Reise was ich bräuchte um mich an einem festen Ort für ein vermeintlich konventionelles Leben zu entscheiden. Sicherlich – ich könnte im Hinterland Kataluniens zwischen dem Montserrat-Kloster und den Wanderpfaden Gaudís‘ schreiben. Doch ich würde sie immer noch in mir tragen diese ungestillte Sehnsucht, die nicht durch einen anderen Menschen gestillt werden kann. Ich würde sie immer noch in mir tragen diese ungestillte Sehnsucht, die ich nicht ausschließlich im Glauben finden kann. Ich kann diese ungestillte Sehnsucht bändigen, wenn ich mich dem Wind und dem Wetter aussetze, wenn ich meine Schritte mit dem geschulterten Rucksack durch Wüsten und Dschungel, durch Gewitter und Flüsse setze. Ich brauche meinen Platz in der Freiheit unter den Sternen. Ich muss wagen, was all die Anderen vor mir auch wagten. Ich muss meine eigenen Erfahrungen sammeln. Es sind Erfahrungen, die nicht auf einem fremden Schreibtisch gesammelt werden können. Zumindest nicht ausschließlich und auf Dauer. Ich muss im Leben suchen und finden. Draußen in der Natur mit den Stechmücken und den Spinnen und den Schlangen. Ich darf darauf vertrauen, dass ich meine Wasserflasche an kristallklaren Quellen auffüllen, dass ich im nächsten Dorf einen Platz auf Zeit samt Nahrung finden und dass ich in meinem Gegenüber die Liebe und die Hoffnung erkennen kann.

Etwas fehlt noch für „Heal your Heart – El Diario“. Ich habe es im Gefühl. Und ich kann nicht vorhersagen, wo oder vielmehr wann ich es finden kann. Vielleicht in einer Stunde, kurz vor Silvester, am 01. Januar oder im Flugzeug zurück gen Osten.

19:30 Uhr

Juri Gagarin befindet sich nicht ohne Grund neongelb auf meinem burgunderrotfarbenen T-Shirt aus dem Planetarium in Bogotá. Es gibt schlichtweg keine Zufälle in unserem Leben. Wir müssen wissen, dass auf einer unsichtbaren Ebene jede Seele ihren Platz hat, dass es einen richtigen Weg – de facto ein richtiges Denken gibt – um zu leben. Wenn ich sterbe möchte ich tief in mir wissen, dass ich nicht einer von denen war, die für Geld stets ein Auge zudrückten, die ihre Träume für die Partikularinteressen Anderer hinten anstellten oder die sich einfügten ohne ihre eigene Meinung zu äußern. Nein, ich möchte wissen, dass ich als Mensch meine Stimme gefunden und mir mein eigenes Sprachrohr geschaffen habe, dass ich meine Kräfte bündelte um sie in die Konstruktion des Holzbootes samt Traumsegel zu investieren. Und ich möchte wissen, dass ich gelebt haben. Sollte mich eines Tages ein Mensch fragen was für mich Leben bedeutet, dann kann ich „Heal your Heart – El Diario“ mit dem Kapitel „The Secret“ aufschlagen und ihm vorlesen, was ich damals im Manduriacu-Tal unter dem Wellblechdach und dem strömenden Regen um 19:30 Uhr geschrieben habe. Doch was soll ich schreiben? Was bedeutet Leben für mich? Was ist Leben? Das Leben ist eine wundersame Reise. Wir wissen nie, wohin es uns führt, was mit uns im Morgen geschehen wird und was uns der neue Sonnenaufgang bringt. Was bedeutet Leben für mich? Leben muss erfahren werden, Leben kann weder vorgelebt noch erklärt oder beschrieben werden. Jeder Mensch muss seinen eigenen Weg finden auf diesem 510 Millionen Quadratkilometer-Planeten. Der eine wird die Sehnsucht verspüren den Mond mit seinen eigenen Füßen zu begehen, ein anderer möchte ein großes Haus mit einer Garage für seine Sportwägen, eine attraktive Frau und einen Swimming-Pool. Was sieht der Lehrende in den Augen der jungen Seelen, die vor ihm sitzen? Was sind seine Botschaften an die junge Generation? Was bedeutet das Leben für ihn? Wann hat er sich diese Frage das erste Mal und wann das letzte Mal gestellt? Was möchte er weitergeben und vermitteln? Was ist ihm wichtig? Was sind seine Werte und Tugenden, was ist seine Weltanschauung und sein Glaube, hat er eine Religion oder gar ein Geheimnis? Ist seine Tätigkeit für ihn Pflichterfüllung zum Gelderwerb oder hat er seine Berufung darin gefunden? Welche Glaubenssätze trägt er in sich? Hat er seine Träume gelebt? Ist er erfüllt? Ja, was würde er seinen Schülerinnen und Schülern sagen, wenn sie ihn fragen, was das Leben ist? Vermutlich ist die Antwort für ein jedes Individuum unterschiedlich. Irgendwann wurden wir geboren und nahmen unser Umfeld war, wir machten die ersten Schritte und wir fingen an zu reden. Wir fanden Freunde und entdecken unsere Vorlieben und Tätigkeiten. Stück für Stück eroberten wir dieses ewigliche Reich, dessen letzte Winkel und Ecken wir niemals würden vollends ergründen können. Es machte keinen Sinn unser Innen zu betäuben oder unerfüllt in einem grauen Alltag zu leben. Wir mussten den Ursachen auf den Grund gehen. Wir mussten Fehler begehen, Menschen enttäuschen, all die Schmerzen und Qualen von unserer Seele sprechen, wir mussten schlaflos in der Dunkelheit Probleme wälzen, von Anderen niedergemacht und vielleicht sogar gedemütigt werden. Wir mussten im Schlamm auf dem Boden liegen. Manche mochten mit Füßen oder mit Worten getreten werden. Doch berührte es uns im Kern? Wir meinten es zerbreche uns, es mache uns kaputt oder es entwürdige uns. Aber waren das wirklich wir? War es wahrlich unser Innerstes, aus dem diese Worte kamen? Inmitten all der Oberflächlichkeiten hatten wir uns gleich Maden im Speck bequemlich eingenistet, lenkten uns mit allen Dingen und Gewohnheiten ab um diese innere Unzufriedenheit, diesen quälenden Plagegeist nicht wahrhaben zu wollen. Wir nahmen Medikamente, gingen in Gruppen, lasen Bücher und buchten Kurse, unternahmen Urlaube, lagen mit einem Cocktail in der Hängematte am Strand mit Palmen und weißem Strand – von der Didaktik bis zu den Dividenden, von der Exotik bis zur Erotik – wir hatten alles. Gefüllte Konten, Immobilien, Roboter, Rechner, Versicherungen, gesellschaftlichen Rang und Status, Anerkennung und ja vielleicht hatten wir sogar den Ruhm. Aber waren wir glücklich? Was war das Leben? Wo befand sich die Magie und das nicht Sichtbare, wo der Glaube an eine ewiglich schöpfende Kraft, wo die Muse und die Mystik, wo der Moment ohne Halt oder Ahnung, einfach so im Geschehen ohne zu wissen wohin oder warum, denn da war sie die Berührung. Da war die Gänsehaut samt den Tränen in unserem Auge, da war dieser Augenblick der Unendlichkeit, der unser Herz ein weiteres Mal erbeben ließ und sprachlos machte. Was ist das Leben? Das Leben ist nicht vorhersehbar, eine Reihe von Sprüngen zwischen den schönen Künsten, den Krisen als auch den Dramen, das Leben ist Liebe samt Reichtum, Fülle und Rausch, Verzicht und Erkenntnis, Demut und Einhalt, einfach dieses Dickicht in welches wir uns hineinbegeben müssen trotz all der Schrecken und Sorgen, wir müssen Licht ins Dunkel bringen und Ungereimtheiten aufdecken, diesen Wollwulstknoten entzerren und entschlüsseln bis wir endlich das Geheimnis gelüftet haben. Es mag unser eigenes individuelles Geheimnis sein. Doch wenn wir ehrlich gegenüber uns selbst und wenn wir ehrlich im Einklang mit dem Universum sind, wenn wir ehrlich mit unseren Nächsten leben, ja dann wird dieses individuelle Geheimnis auch ein kollektives Geheimnis darstellen. Denn letztlich ist es nicht von Bedeutung, was die Anderen machen. Das Einzige das zählt ist, dass du den Mut gefunden haben wirst die Dämonen zu bekämpfen und den Gipfel zu erklimmen. Ja, vielleicht gibt es die Meinungen, dass es im Team besser oder schöner wäre. Aber was hilft es, wenn es da diesen Gipfel gibt, der möglicherweise nur vor deinem inneren Auge oder in deinem Kopf oder in deinem Herzen oder in deiner brennenden Seele existiert. Niemand sieht ihn außer dir diesen Gipfel. Sie sagen du bist verrückt, weil du diesen Gipfel siehst und von diesem Gipfel redest und sogar auf diesen Gipfel steigen möchtest, der eventuell nur in deiner Imagination existiert. Sie sagen: „Das ist der Gipfel.“ Aber du zuckst mit den Schultern und stellst dir die Frage nach dem Sinn des Lebens. Doch wäre es nicht schöner oder passender diese Frage in seichter Höhe zu beantworten? So schnürst du deine Wanderstiefel, packst Proviant und Wasser in deinen Rucksack, öffnest die Türe und begibst dich auf die Reise in Richtung des Unbekannten. Regen peitscht dir ins Gesicht, es ist dunkel, matschig, kalt und ein ausgesprochen schlechter bescheidener Tag. Alles ging schief bis hierhin. Aber du spürst den Ballast auf deinem Rücken, du hast die Entscheidung getroffen loszuziehen. Denn in dir da gibt es diese Stimme: „Was ist, wenn es dort draußen noch mehr gibt, was wenn du dich erst am Anfang befindest, was wenn du dazu bestimmt bist, weitaus mehr zu haben als du bislang gehabt hast, was wenn du einfach glücklich und entspannt sein kannst?“ Du gehst Schritt für Schritt, gewinnst langsam an Höhe, das erste Hell des Morgens dringt durch die Wolkendecke, du hebst deine Hand und blickst zum Horizont, winkst noch ein letztes Mal, wie du als der Mensch der du gingst die Gesellschaft verlässt weil eine jede Faser deines Seins weiß, dass du als ein Anderer wiederkommen wirst. Es spielt keine Rolle, was sich dort im Gestern befand. Es ist egal, wer du einst gewesen bist, wie schlecht oder negativ du dachtest, welche Sünden oder Verbrechen du begangen oder wie oft du die gleichen Fehler und Rückschläge gemacht und gehabt hast. Relevant ist, dass du dich an diesem Flecken befindest. Du atmest einmal tief ein und aus. Tau bedeckt die Halme der Gräser seitlich der Ränder der Wege, du hörst deine Atemzüge, über dir noch ein letzter heller Stern, der dich geleitet hat in den Phasen da du in der Dunkelheit standest und meintest das sei es gewesen. Weiter geht es Schritt für Schritt, in deinem Kopf wiederholen sie sich wieder und wieder diese Zweifel: „Werde ich es schaffen, ich bin müde, ich kann nicht mehr, ich sollte es an einem anderen Tag erneut versuchen, mein Bein tut weh, ich bin nicht vorbereitet…“ Kurz lehnst du dich an einen Baumstamm an, du spürst das Holz, reißt ein kleines Stück Rinde ab und steckst es dir in deine Jackentasche – vielleicht ist es eine Fichte, vielleicht eine Zeder oder eine Eiche. Keinen Plan hast du und davon ganz schön viel. Also gehst du weiter. Wald umgibt dich, die Zeit steht still, alles dreht sich, das Gleichgewicht gerät aus den Achsen, aber du gehst weiter Schritt für Schritt. Die Sonne steht am Himmel, Schweiß fängt an auf die Oberfläche deiner Haut zu treten, es ist zu spät zum Umkehren, doch der Gipfel noch längst nicht in Sicht. Hätte dich ein Mensch nach diesem Berg gefragt, er hätte ihn vermutlich auf keiner Karte gefunden. Nirgends ist er verzeichnet. Man sagt, er existiere nicht. Aber du weißt, dass er vorhanden ist. Und so gehst du weiter Schritt für Schritt. Dein Leben bis dahin irgendetwas zwischen gut und bescheiden, so ganz kann es das noch nicht gewesen sein weißt du und ja, da ist sie diese Frage nach dem Leben. Es geht weiter immer weiter immer weiter immer weiter und bis hierhin bist du vorgedrungen. Alles schmerzt, vier Mal bist du ausgerutscht, ein blutiger Kratzer an deinem Handgelenk – doch es geht voran. Die Vergangenheit hast du hinter dir gelassen, du hast die bewusste Entscheidung getroffen diese Reise zu unternehmen, du richtest deine gesamte Aufmerksamkeit auf die Zukunft. Die Bergluft umarmt jede einzelne Pore deines Seins, du denkst an jene die dich kritisierten, die an dir zweifelten, die dich nicht so behandeln, wie du es dir gewünscht hättest. Aber kanntest du deinen Wert? Wie hast du sie behandelt? Wie liebenswert warst du? Wo war sie die Liebe? Warum bist du alleine? Gott oder das Universum ist bei dir – und wenn nicht, dann zumindest ein paar Eichhörnchen und Gämsen. Du weißt, dass das Fundament auf dem du dich dein gesamtes Leben lang bewegen wirst noch weiter an Kraft gewinnen darf. Du kniest dich hin, nimmst eine Handvoll Erde und wirfst sie hinaus in die Weite. Vom Westwind wird sie getragen, zerfällt in ihre Einzelteile, setzt sich nieder und verschmilzt mit dem Grund. Ohne Wenn und Aber. Du breitest deine Arme aus und schreist mit aller Kraft all die Dämonen von deiner Seele. Täler und Gehöfte erstrecken sich da unter dir, dort spielt sich ein Großteil des Lebens ab, dort harren Fragen und Probleme aus, dort ist alles irdische Sein vergleichbar mit dem Land der Miniaturen. Du gehst weiter. Ein Schmetterling lässt sich nieder auf deiner linken Schulter – du weißt, dass Gott oder das Universum bei dir ist. Dein Smartphone hast du irgendwo liegen gelassen, du brauchst es nicht mehr, du bist verbunden, du befindest dich auf dem Weg, du befindest dich auf der Reise. Und so geht es Schritt für Schritt, Meter um Meter, von 100 zu 200 zu 300 zu 400 zu 500 zu 600 zu 700 zu 800 zu 900 zu 1.000. Du denkst an die Dinge, die du den Menschen die du liebst nicht gesagt hast, du denkst an die Dinge, die du nicht gemacht hast, weil du meintest kein Geld oder keine Zeit zu haben. Du denkst an Australien und an Europa, an Afrika, an Amerika und an Asien. Du weißt nicht, wo du dich befindest. Doch das hier ist echt. Das ist mehr denn eine Illusion. Das ist weder Tagtraum, Hirngespinst, Fata Morgana noch Halluzination. Das ist die Realität. Du schaust auf deine Hände, du spürst deine brennenden Beine samt den Riemen des Rucksacks auf deinen Schultern. Das ist echter als echt. Dir egal was sie dort in ihren Räumen machen. Du bewegst dich in der Realität. Wieder ist da dieses Jammern in deinem Kopf, was ist dir am Wichtigsten im Leben? Eventuell weißt du es noch nicht in Gänze. Mit ein Grund, warum du dich dort befindest und deine Spuren im Materiellen auf dieser Erde hinterlässt. Dann irgendwann bist du angekommen. Es können Stunden, Tage, Wochen gewesen sein, die du auf der Reise warst. Oder Jahre. Niemand weiß es. Dein Gesicht eingefallen, deine Haut von der Sonne versengt, deine Kleidung zerrissen und dein Proviant aufgebraucht. Aber du bist glücklich. Du hast es geschafft. Auf der Spitze des Gipfels lehnst du dich an einen Stein und verdammt, da unter deinen Füßen erstreckt es sich das Panorama des Lebens. Wald, Felder, Wege, Straßen, Gleise, Häuser, Menschen, Fahrzeuge, Tiere, Güter, und und und. In greifbarer Nähe Vögel mit ihren mächtigen Schwingen gleich Boten einer neuen Zeit, Flugzeuge und Drohnen. Eine Träne mit dem Gewicht eines Kometen kracht auf dein Knie. Du bist angekommen. Das war es und das ist es gewesen. Du erkennst, dass du frei warst alles zu tun und zu lassen, alles zu erkunden und alles zu erobern. Aber du hast dich für diesen schmalen Pfad entschieden welcher dich empor führte. In diesem Kapitel deines Lebens. Was also ist es das Leben? Das Leben ist die Summe der Dinge, die du von dort oben nicht siehst. Das Leben ist die Anziehungskraft und das Höchste der Gefühle, der Duft der Rose und der unverwechselbare Blick, das Leben ist die Verpflichtung seinen eigenen Beitrag zu leisten, sich den Herausforderungen nicht zu entsagen und der beinahe Unfall im unachtsamen Moment. Das Leben sind die Menschen, die von uns gingen und die Seelen, die darauf warten geboren zu werden. Das Leben ist das Stück auf der Bühne, die vermeintlich unmenschliche Tat, der Krieg und der Frieden, die Armut und der Reichtum, die Hoffnung und der Fall. Das Leben ist die Auferstehung und der Tod. Das Leben ist die Philosophie und der Strom, das Fallen der Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke auf Fusa, das Wachsen der Katzen, die E-Mail von ihr, die Resignation und die tiefer liegende Antwort. Das Leben sind die fliegenden Sägespäne in der Holzwerkstatt am Bach mit Z. und das in der russisch-orthodoxen Kirche stehende Staubkorn. Das Leben ist die erklingende Orgel, die Konstruktion des Mailänder Domes, das Erreichen eines beinahe nicht für möglich gehaltenen Zieles, das Leben ist der Anfang und das Ende, das Wachstum und die Erkenntnis. Zwischen der Wahrheit und den Klängen von Delfinen, den schwimmenden Schildkröten und den Schneeflocken bist du gegangen, du hast deinen Weg gefunden, ja du hast deinen Weg gefunden. Es ist an der Zeit zurück ins Tal zu gehen. Denn das Leben kann nicht ausschließlich dieser Gipfel sein. Es ist die Summe der Dinge, vom einzelnen Tropfen bis zur bedrohlichen Flut, vom sanften Windhauch auf der Wange der Geliebten bis zum tödlichen Orkan, von der Ebbe bis zur Gischt und der Glut, die ihre letzten Funken diesem Kosmos übergibt der weitaus labyrinthafter ist, als man es in mäandrierenden Fragmenten dieser Neuzeit glauben mag.

21:25 Uhr

Aber wohin wirst du gehen? Setzt du deine Füße in die eingetretenen Pfade jener die kamen und gingen, die Fotos knipsten und verblassten, die verschwanden schneller als ein Funke ohne Feuer im Vakuum eines Goldfischglases? Was möchtest du in dir Abspeichern von diesem Oben ehe du wieder dort unten unter den Deinigen weilst? Wer willst du sein und werden? Was willst du noch sehn, welche Worte werden deine Lippen verlassen, welche unverkennbare Handschrift trägst du, wo hinterlässt du deine Fingerabdrücke, was zeichnet dich aus? Was ist deine Persönlichkeit? Was bedeutet Leben für dich? Wie nutzt du deine Zeit? Wen bestärkst und motivierst du? Was gibst du und was empfängst du? Welche Gedanken trägst du in deinem Bewusstsein? Was lässt du zurück und was ziehst du in deinen Alltag?

Deep Rest no. 2 – Mittwoch, 27. Dezember 2023

Die Überschrift passt wie die Faust aufs Auge eines zahnlosen Halunken. Es ist eine krasse Energie, die ich gar nicht wirklich in Worte fassen kann. Es ist das Ende vom Jahr, alles geht irgendwie langsamer, in mir steckt etwas fest, wieder ist da ein größerer Knoten, doch er ist im Begriff sich zu lösen oder zu transformieren. Das spüre ich. Da ist sie diese tiefe Müdigkeit und Erschöpfung in mir, ich bin froh, wenn „Heal your Heart – El Diario“ und „Rückblick und Ausblick 2324“ beendet sind und ich in Ruhe schlafen kann. Gehe langsam, lasse los, halte inne und nehme deine Atmung war. Spüre deinen Körper und sei einfach das Wesen, das du in deinem tiefsten Inneren bist. Weihnachten ist Ewigkeiten entfernt, so kann es sein, so ist es…

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17:52 Uhr

Ich weiß nicht, was los ist. Mich schleudert es gerade komplett. Ich kann mich gerade noch emotional kontrollieren. Ich bin kurz vor dem Ausflippen. Ich muss einfach atmen, meinen Körper spüren und meine Aufmerksamkeit auf das Rauschen des Flusses richten. Dann kommt alles Andere zur richtigen Zeit. Was ist los mit mir? Was geht in meinem Kopf vor? Ich bin froh, wenn ich hier weg bin, doch was dann? Tränen bilden sich in meinen Augen. Ich kann nicht mein gesamtes Leben lang immer weiterziehen, Verbindungen aufgrund von Ungerei-…

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mtheiten oder Konflikten abbrechen und innerlich so distanziert sein. Verdammt. Ich könnte gerade irgendetwas kurz und klein schlagen. Da sind die Aggression und die zurückgehaltene Wut und immer noch fest in mir abgespeichert, dass wenn ich sie zur Geltung bringe unmittelbar eine oberflächliche Beziehung zerbricht. Kann ich überhaupt gemeinsam mit anderen leben? Ist mein Herz jetzt ganz und geheilt? Woran macht man es fest? Ist die Welt plötzlich ein Paradies, alles rosig und wundervoll, die Liebe an allen Orten vorhanden und mein Sein im Zentrum aller Aufmerksamkeit? Ich glaube, dass ich einen weiteren Spiegel einschlagen muss – es geht nicht anders. Da ist diese

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Zerstörungswut. Ich möchte wieder etwas kaputt machen, damit ich überhaupt fühle und spüre. Am frühen Morgen zwischen 5 und 6 Uhr hatte ich einen Albtraum. Ich musste mich unauffällig aus meiner kleinen Wohnung mit zwei Katzenbabies stehlen, ich wurde überwacht, ich war irgendwie nicht so, wie es der Norm entsprach und das schien im System nicht gewünscht zu sein. Wieder ist da dieses urtiefe Misstrauen. Ich muss es irgendwie transformieren oder umwandeln. Es wäre der perfekte Moment für den Inkognito-Tab. Aber ich habe das Bedürfnis nicht mehr, wieder ist da die Resignation. Was mache ich falsch? Wie muss ich denken, dass ich einfach zufrie-…

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den bin? Ist all der Friede der vergangenen Monate nichts weiter als ein Trugschluss gewesen? War überhaupt irgendetwas von Bedeutung? Ich müsste jetzt in den Boxring steigen und meinen Gegner zu Boden bringen. Was muss sich in meiner spirituellen Praxis verändern? Wann kommt das Ende des Buches? Was ist schon relevant? Wohin ziehe ich? Wer liebt? Wieder ist da dieser Eindruck, dass ich die letzten Wochen nicht wirklich in Verbindung mit mir war. Ich habe mich eingefügt, klein beigegeben, den Mund nicht aufgemacht – ich war einfach die scheue Ameise, die eben das ausführt, was ihr aufgetragen wurde. Ich habe Kopfweh, gerne würde ich einfach in einen tiefen Schlaf fallen. Nicht ohne Grund

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hörte ich früher im Keller Linking Park oder Limp Bizkit und schlug auf den Punching-Ball ein. Ich war irgendwie nicht das Kind, das gewünscht war. Vielmehr wurde ich geduldet. War es ein großes Leben bisher? Wie soll es wohl sein, wenn du dich falsch fühlst und immer ist da dieser Druck des Außen? Wie muss es wohl im Innen des Amokläufers von Winnenden ausgesehen haben? Was hat letztlich dazu geführt, dass er bestimmte Gedanken entwickelt hat? Wo war sein Herz, was war in seinem Herz, wusste er überhaupt, dass er ein Herz hatte? Welchen Weg ging er? Hatte er jemals gebetet – wenn ja was? Hatte er jemals eine Freundin? Konnte er sich öffnen? Das Licht

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scheint, in zwei Monaten werde ich meine Gebetskette no. 3 besitzen, was bin ich nur für ein Mensch? Was ist das Schreiben wert, wen interessiert es schon, was ich denke? Wie wichtig nehme ich mich? Was befindet sich da noch in meinem Innen? Kann ich den letzten Hauch der Schwärze – dieses Gift in meiner Seele – einfach ausspucken oder irgendwie hinauslassen? Teilweise kann ich Abschnitte, die ich Anfang des Jahres und in der Vergangenheit geschrieben habe nicht mehr lesen, weil sie so abscheulich sind. Aber sollte ich meine Texte einem gewissen Korrektheitsgrad entsprechend abschnittsweise löschen? Wäre es nicht deutlich besser, wenn alles „Unerwünschte“ und nicht Passende zensiert wird und der Urheber / die Urheberin auf eine Liste gesetzt

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wird? Wer sind die Übeltäter unserer Gesellschaft? Befinden sie sich hinter Gitterstäben? Was wünsche ich mir für meine Zukunft? In welche Richtung steuere ich? Welche Ziele setze ich mir? Wie realistisch sind sie? Was fordere ich von Anderen ein? Was sind mir meine Bücher wert? Erhalte ich eine angemessene Entschädigung? Habe ich überhaupt eine verdient? Was bringt das Morgen – ja, was bringt das Morgen? Auf was richte ich meine Aufmerksamkeit? Wie bleibe ich Anderen im Gedächtnis? Wie wird es sein in Lourdes einen Spaziergang zu unternehmen? Wann kommt die nächste Schwitzhütte? Wo verzettele ich mich? Wie viele Fragen werde ich wohl noch stellen? Wie gestalte ich meine Tage?

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Lasse ich mich ausnutzen? Was ist mein Anspruch? Wie viel Geschirr werde ich noch abspülen? Ist es so schlecht, ein Tellerwäscher zu sein? Wann befinde ich mich das nächste Mal in Lateinamerika? Wie stur kann ich sein? Wen dürfen meine Hände lieben? Was macht uns letztlich einzigartig? Was werfe ich wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder in die reißenden Fluten des Rio Magdalena an Ballast und überflüssigen Dingen? Was lasse ich hier zurück auf immer und ewig wenn ich den Kontinent ein weiteres Mal verlasse? Was zeichnet mich aus? Was möchte ich gerne verbessern?

The Free-Will – Dienstag, 26. Dezember 2023

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20:49 Uhr

Es regnet in Strömen. Vorhin kam ein unbekannter Mann – wir waren beim Abendessen

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– ja, was wollen sie; wir sind Radler, gibt es eine Unterkunft für eine Nacht; da muss ich die Señora fragen; 10 Dollar pro Kopf; okay; okay. Also drei Betten beziehen, möchten Sie Kaffee?, ja, ja, und so weiter und so fort. Schließlich stellt sich heraus, dass der oben ohne Mensch ein Bekannter von Mau. ist, sein Name ist Ramsa irgendetwas, ich verstehe Ramsa Loco, er meint, in Spanien gäbe es das Haus Don Quijotes. Kann ich schreiben? Von A. habe ich eine Einladung nach Algerien für nächsten März / April erhalten – es gibt Schlimmeres, als auf den Spuren des Fremden zu wandeln. Das wäre Afrika zum Dritten oder zum Vierten für mich. Was bringt das Morgen? Immer noch kann ich es nicht mit Gewissheit sagen, der „Rückblick und Ausblick 2324“

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nimmt Form an, aber wozu… Ich muss wieder nach Barcelona – Gott will es so!

The Prayer – Montag, 25. Dezember 2023

Kleines Goldstück aus dem Fluss

16:18 Uhr

Die Kerze brennt und ich bin so müde wie selten zuvor. Vor einer guten halben Stunde fuhren 11 Menschen ab – es war schön, viel Trubel und Energie, doch auch etwas Stress. Die ersten Weihnachten meines Lebens außerhalb von Deutschland sahen in etwa wie folgt aus: ein strahlend blauer Tag mit Sonne, morgens frisch frittierte Empañadas Venezuelano und Café con Leche, dann selbstgemachte Pizza, nachmittags ein Berg Spaghetti Bolognese und spät abends Barbecue mit Kohlsalat. Wir badeten im Fluss und im Swimming-Pool, ich telefonierte mit meiner Familie und mit Ma., fühlte mich zeitweise zu Hause und zeitweise leicht verloren. Irgendwie weiß ich, dass ich diese Weihnachten mein Leben lang nicht vergessen werde. Die Kerze brennt. Wieder regnet es. Die neue Wochenplaylist spielt. Es ist Montag und geht gemütlich zu. Auf den Straßen so viele Pickups und Motorräder wie selten zuvor, junge Kinder auf den Schößen ihrer Väter am Steuer, heiße Sanchocho-Suppe mit Kartoffeln, Mais, Yukka, Knoblauch, Kräutern und dem Restfleisch vom Vortag, wieder die Katzen, das Wissen, dass Venezuela ein paar bekannte Schriftsteller hat und dann die beiden Kinder. Am Morgen malte ich mit dem Jungen mit der MARVEL-Mütze eine kleine Blumenwiese mit Schmetterling und dem Sonnenball, auf der anderen Seite eine isometrische Zeichnung einer Stadt mit Seilbahn, einem kleinen Supermarkt und zu Fuß Gehenden. Vor einem oder zwei Tagen habe ich damit begonnen ein Dokument mit dem Titel „Rückblick und Ausblick 2324“ zu erstellen. Je Monat eine Fotografie mit Anekdote samt all den Wünschen und Sehnsüchten für das Folgejahr. Was verspreche ich mir davon? Was haben mir all die sechs Monate gebracht? Worin führt mich meine weitere Reise? „Heal your Heart – El Diario“ neigt sich dem Ende zu. Manchmal musst du in eine komplett andere Realität eintauchen um dich selbst zu finden.

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20:27 Uhr

Ich liege im Bett, mein linkes Handgelenk schmerzt vom heutigen Sprung in den Pool an der Stelle mit eher geringer Wassertiefe. Eine neue Kerze brennt. Ich bin sehr verspannt. Ich frage mich, wie es weitergehen soll. Wann ist da Venezuela? Was wird das nächste Jahr bringen?

Peace – Freitag, 22. Dezember 2023

Rund 11 Wochen alte Bananenstauden (klein) mit jungen Maispflanzen

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12:08 Uhr

Ich bin angekommen an einem Zwischenort. Das erste Mal habe ich zwei Tarotkarten gezogen, ich spürte die Energie von beiden, dachte, ich müsse mich für eine entscheiden, hatte dann die Eingebung, dass bezogen auf mein Thema beide Karten in der Kombination die Antwort in sich tragen. Zuerst war da also die Prinzessin der Scheiben und danach die Sonne. Sie passen sehr gut zueinander. In beiden spielt die Annahme und die Kraft der weiblichen Energie eine Rolle, es geht darum, dass wir etwas Neues herbeibestellt haben beim Universum und nun die Resultate sichtbar werden. Das Aufgehen der

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inneren Sonne, Harmonie, Formgebung eines göttlichen Lichtes von oben, Transformation der emotionalen Eisschichten in Mitgefühl oder das Betreten einer neuen Ebene sind weitere Aspekte, die mit beiden Karten im Zusammenhang stehen. Ich spüre, dass ich eine weitere Stufe meines Lebens erreicht habe. Es fühlt sich gut an, ich wachse im Innen und im Außen und söhne mich langsam mit den erforderlichen Herausforderungen und Aufgaben des Alltags aus. Ich befinde mich auf der Reise. „Heal your Heart“ ist noch nicht zu Ende, es plätschert noch vor sich hin, es kann zudem sein, dass der signifikante, alles verändernde Moment noch geschrieben wird. Gerade kann ich es aus mir nicht näher ersichtlichen Gründen nicht sagen oder feststellen.

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Was wartet da in der Zukunft noch auf mich darauf manifestiert zu werden?

18:41 Uhr

Die Kerze brennt, es regnet und wieder ist da diese Kälte in mir. Tränen fangen an sich in meinen Augen zu bilden. Ich weiß nicht, welchen Gedanken ich vertrauen kann. Ich werde mir mehr und mehr all der Gefühle und Emotionen gewahr, die in mir an die Oberfläche treten. Es macht mich verrückt. Ich kann sie nicht kontrollieren oder im Überblick behalten. Ich kann und muss sie einfach akzeptieren. Ich bin stets an dem Punkt, an dem ich mich befinde. Es hilft nichts, wenn ich mir wünschte in einer anderen Reife zu sein. Ich muss jeden einzelnen Schritt meines Weges gehen. Es gibt kein Anhalten. Alles bewegt sich kontinuierlich. Ich brauche Klarheit. Am Mittag mit den zwei Tarotkarten fühlte es sich so gut und natürlich an. Gestern Abend fühlte es sich so warm und voller Liebe an. Jetzt ist da wieder diese Aggression und Wut. Wohin mit ihr? So lange habe ich sie unterdrückt oder verleugnet. Sie war in mir, doch ich wollte sie nicht wahrhaben. Das hat mein Leben zerstört und dazu geführt, dass ich mich abkapsele, keine Bindungen eingehe, destruktive Gedanken trage und ein Suchtverhalten entwickelt habe. Das Schreiben ist nur ein Teil der Lösung. Das Schreiben alleine heilt mich nicht. Aber es ist ein Teil der Heilung, es ist ein Teil der spirituellen Arbeit. Wichtig ist, dass ich all die Gedanken annehme, die ich in mir trage. Ich darf vertrauen und glauben. Ich darf wissen, dass ich geliebt bin. Alles wird zu seiner Zeit kommen. Mit „Babaji – In Wahrheit ist es einfach Liebe“ bin ich zu Ende, gestern Abend habe ich mir „Die Stimme der Stille“ von Helena B. Blavatsky heruntergeladen und angefangen zu lesen. Immer noch begleitet mich das Buch Mormon, die Kerze, meine Pilgermuschel, meine Tarotkarten und meine Träume. Ich weiß nicht, was das Morgen bringen wird. Ich kann es nicht erzwingen. Zu viel Raubbau habe ich an meiner Seele betrieben, als das ich noch einmal mehr alles geben könnte. Vorhin fand ich im Newsletter der European Cyclists‘ Federation ein Stellenangebot, das auf mich passen könnte. Es ist anspruchsvoll und in Brüssel, aber irgendwie habe ich immer wieder daran gedacht. Ich habe den „Cover Letter“ auf englisch verfasst und mir die Hauptstadt Belgiens samt dem Wohnungsmarkt ein Wenig angeschaut. Aber wie passt das in Einklang mit „Perpetuum Publishings“, mit Osho und mit den Radreisen? Wo finde ich die Antwort? Was erzählt mir die Kerze? Heute brachte mir die Hoffnung meinen Rosenkranz. Ich dachte, ich hätte ihn verloren. Es ist der zweite aus Chimayo. Was ist er wert? Warum stelle ich wieder so viele Fragen? Was fühle ich? Was wünsche ich mir für morgen? Was wünsche ich mir für jetzt? Die Suchtgedanken sind fast gar nicht mehr vorhanden, wobei es sehr stark situationsabhängig ist. Ich höre Musik, liege auf dem Bett und beobachte meinen Atem. „Die Legende …

19:26 Uhr

Es fühlt sich so an, als würde ich einen aussichtslosen Kampf führen. Vielleicht fühle oder gebe ich zu viel. Vielleicht bin ich zu wenig bei mir selbst. Wieder die Tränen. Wieder die brennende Kerze. „Perpetuum Publishings“ oder der vermeintlich ganz normale Weg? Ein paar Tage sind es noch in diesem Jahr, wieder befinde ich mich vor einer Sackgasse. Wo ist Gott? Wohin werde ich gehen? Wie groß ist mein Glaube? Wie weit sind meine Flügel?

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20:56 Uhr

Der Tag erscheint mir schon sehr lange. Das Notizbuch eines Mädchens hat viele Seelen berührt. Ich schaue mir gerade den Film „Freedom Writers – Die Tagebücher der Schüler vom Raum 203 der Woodrow Wilson High-School“ an und habe gefühlt die gesamte Zeit Tränen in den Augen. Ich dachte, dass sich mit dieser Reise etwas für mich verändern wird, dass ich dieses glasklare innere Bild vor Augen habe, wo ich mich in 5 oder in 10 Jahren befinden werde. Aber das hatte ich

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nicht. Ich habe mich dazu entschieden, bis zum Ende meiner Reise zu bleiben. Ein weiter Weg liegt noch vor mir. Doch ich weiß, dass ich jeden Tag Schritte gehe. Es spielt keine Rolle, wie groß sie sind. Ich gehe Schritte im Glauben. Ich gehe Schritte im Glauben, wenn ich eine der beiden Gebetsketten in der Hand halte oder in den Hosentaschen spüre, wenn ich mit Ma. in Verbindung bin, wenn ich etwas von meiner Mutter höre, wenn ich die beiden Katzen auf dem Arm halte und ihre Zuneigung erwidere, wenn da ihre kleinen Herzchen kontinuierlich wie eine Automatikuhr schlagen, wenn ich schreibe oder hier etwas für die Gemeinschaft

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mache. Ich gehe auch Schritte, wenn ich zweifle. Denn diese Zweifel sind wie riesige Tafeln auf meinem Weg die mir sagen und glaubhaft machen wollen: „Hier darfst du nicht langgehen, wenn du das machst, dann wirst du in die Hölle gelangen, aus dir wird nie etwas werden, glaube nicht ernsthaft daran, dass aus dir jemals etwas werden wird.“ Ich weiß, dass diese Worte vielleicht noch mein gesamtes Leben lang in meinem Kopf als Echo wiederhallen werden. Doch ich weiß auch, dass die Tränen in meinen Augen echt sind und dass sie mir aufzeigen, wer ich in Wahrheit bin. Ich weiß, dass meine Hingezogenheit zu an-…

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deren Menschen echt ist. Irgendwie bin ich gerade in Gänze verunsichert. Immer noch. Ich glaube, dass ich „Das Tagebuch der Anne Frank“ lesen werde. Ich wünsche mir eine friedliche Gesellschaft. Ich wünsche mir friedliche Weihnachten und eine Welt ohne Waffen. Es mag die einen geben, die sagen es sei eine Illusion. Doch sie werden es sein, die den Wandel letztlich blockieren wollen, die sich der Veränderung, die unweigerlich durch den Zeitgeist eintreffen wird, in den Weg stellen möchten. Sie haben schlichtweg kein Interesse daran, ihre Aufmerksamkeit auf bestimmte Themen zu richten. Ich darf an meinen

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Traum glauben. Ich darf an „Perpetuum Publishings“ glauben. Mit und ohne Unterstützung. Ich weiß, dass ich am 03. Januar 2024 wieder nach Deutschland gehen muss. Dort warten all die Seelen die mich kennen. Ich brauche den Austausch und die Verbindung. Ich brauche wieder die Wurzeln unter meinen Füßen. Wenn ich gut schreibe werden eines Tages vielleicht die Kinder hier im Manduriacu-Tal diese Zeilen auf spanisch lesen. Ich darf die Hoffnung nicht beerdigen. Letztlich werden immer das Gute und die Gerechtigkeit siegen. Das Unrecht kann nur für eine bestimmte Zeiteinheit unter der Aufwendung von recht viel En-…

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ergie bestehen. Doch das Gute siegt letztlich. Dort liegen sie wieder vor mir die zwei Gebetsketten. Die Hoffnung brachte sie mir heute vorbei. Am Sonntag ist Heiligabend. Die Regentropfen fallen wieder. Ich wünsche mir, dass ich das Geräusch der unterschiedlichen Arten des Regens tief in meinem Bewusstsein verankere, so dass ich überall auf der Welt darauf zurückgreifen kann. Zu lange waren da die Blechkarossen in der Wallbrunnstraße. Immer noch quält mich etwas. Ein Dämon steckt noch in mir fest. Draußen ist es dunkel, was lernte ich mit der gestrigen Verbindung mit Mar.? Dass ich immer noch zu sehr im Außen bin? Immer weiter akzeptiere ich meine weibliche Energie,

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bin bei mir, mache das, wonach es mir ist. Wir können an der Natur keinen Raubbau betreiben. Früher oder später wird es uns einholen. Bald werde ich dieses Notizbuch zuklappen. Dann werde ich noch im Buch Mormon lesen. Nicht weil es mein einziges Werk ist, sondern weil ich mir mit ihm neben der Bibel, dem Koran, der Bhagavad Gita, dem Kurs in Wundern, Ask and it is given, Embraced by the Light, Journey of a Soul, The Secret und dem was noch geschrieben werden muss meine ganzheitliche Sichtweise auf das Universum, den Zeitgeist, mein Selbst und die zukünftigen Geschehnisse erschaffen möchte. Ich habe erkannt, dass es niemals zu spät ist, dass eigene Leben zu verändern. Mittler-…

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weile bin ich bei Perpetuum-Tag no. 855 angelangt. Es erscheint mir nicht mehr real, dass es den Inkognito-Tab überhaupt gibt. Aber mit Sicherheit existiert er dort draußen noch, macht die Augen leer und die Herzen kaputt, zerstört Beziehungen und den Glauben an das Normale, an das Einfache, an das Unschuldige. Er verführt, täuscht und hinterlässt nichts als einen grauen Scherbenhaufen ohne Funkeln, ohne Leuchten, ohne Licht. Pure Oberflächlichkeit, fade Konsistenz, Täuschung, Täuschung, Täuschung. Was ist letztlich ausschlaggebend dafür, ob wir etwas schaffen? Ist es unser Glaube, ist es ein anderer Mensch, der uns vertraut, ermutigt und uns Liebe samt Vertrauen

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bedingungslos entgegen bringt? Ist es das Universum oder Gott? Worauf richte ich heute meine Aufmerksamkeit? Worauf werde ich sie in weiteren 33 Jahren richten? Wie sehr können wir uns im Laufe eines Lebens verändern? Wie sehr leben wir?

Holiness – Donnerstag, 21. Dezember 2023

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19:13 Uhr

Irgendwie hatte ich heute einen verdammt bescheidenen, enttäuschenden Moment. Mar. war wieder da, ich wurde mir bewusst, was sich da in mir eigentlich alles abspielt, wenn eine hübsche Frau oder potentielle Partnerin in der Nähe ist. Mag sie mich, wie muss ich mich verhalten, was sollte ich sagen, warum sagt sie nichts und und und. Sei einfach du meinten sie zu mir. Was bedeutet das jetzt schon wieder? Was hilft es für mein gebrochenes Herz? Ich dachte, Julian, vielleicht wirst

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du niemals im Leben diese unsichtbare Schwelle überschreiten können. Es ist diese Schwelle die man überschreiten muss, damit man im Zentrum der Aufmerksamkeit steht und damit man den unterschiedlichen Energien und Gefühlen standhalten kann. Vorhin dachte ich, dass ich es niemals schaffen werde und mein gesamtes Leben lang von anderen Menschen abhängig bin. Ich ging in den Meditationssaal, zündete ein Teelicht an, stellte es vor die zwei großen Osho-Fotografien an der Ostseite, holte mir ein Meditationskissen und weinte bitterlich. Ich war dort alleine, mit meinen Augen sah ich einen Großteil verschwommen, doch immer wieder wurde meine Aufmerksamkeit auf das Portrait dieses mystischen und kontroversen Mannes gerichtet. In seinem Blick nicht das kleinste Fragezeichen,

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in seinem Blick pure Liebe und Annahme, reiner Glauben und Ermächtigung. Draußen spielte sich das „normale“ Leben ab und ich war dort drinnen in meinem spirituellen Prozess. Was bringt es das Morgen? Welche Intentionen setze ich, was wünsche ich mir mehr und mehr zu manifestieren und in mein Leben zu ziehen? Welche Frau wird es letztlich sein? Warum ist die Beziehung zu meinen Eltern so wie sie ist? Was wird am Sonntag sein? Herr, durchdringe mich mit deiner Kraft, richte mich auf und durchströme mich mit all der Energie. Schenke mir die Einsichten für meine Zukunft, gebe mir das Vertrauen und lasse all die Dinge geschehen. Hier existiert eine andere Zeit. Ich weiß, dass auch wenn ich zurückkehren

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sollte die Gleiche veränderte Zeit den Lauf der Dinge bestimmt. Warum? Alles hat sich verändert, alles hat sich verändert, alles hat sich verändert. Nichts mehr wird wieder so wie damals in den guten alten Zeiten sein. Es ist egal, wie gefüllt deine Taschen sind oder ob sie gar in Gänze leer sind. Das ist es nicht, das zählt. Gleichgültig, ob du Aktien, Geldanlagen, eine private Altersvorsorge, Lebensversicherungen, Immobilien und und und besitzt. All das kann dich nicht glücklich machen. Das Glück ist im ständigen Fluss, die Gegenden unserer Weltennation befinden sich im fortwährenden Wandel. Ein wenig kehrt das Gefühl des Weiters in mir ein, wer bin ich und mit welchen Menschen möchte ich meine

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Zeit verbringen? Was bringt das Morgen, was bringt der neue Zyklus, was bringt die weitere Phase? Wann kommt sie wieder? Ich kann es nicht erwarten, ich muss sie wiedersehen, mein Herz verzehrt es nach ihr. Auf die Gefahr hin, dass ich mich wieder verliere und irgendwann in der Zukunft alleine in der Realität aufwache – ich muss es wagen. Ich habe es so satt noch länger Entschuldigungen für Sachen zu finden oder Dinge aufzuschieben. Ich verabscheue dieses negative Denken, all die Schmerzen und das Leid. Mittlerweile befindet sich der Moment schon recht lange in der Vergangenheit, da ich mich aktiv dazu entschieden habe, die komplette Verantwortung für mein Leben zu übernehmen. Doch ein Chaos verändert sich

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nicht einfach so ohne Weiteres über Nacht zu einem Königreich. Du musst bedingungslos vertrauen und lieben in deinem Leben, in deine Nächsten, in dich selbst, in die Gemeinschat und in deinen Kreis, in das Universum und in die unbeschreibliche Magie von allem. Du hast so verdammt viel in der Hand in diesem Leben. Du kannst etwas bewirken. Du kannst einen Unterschied darstellen. Du kannst vertrauen. Du kannst glauben. Du kannst die Früchte der Pflanzen ernten, die du einst in dieses karge Land setztest. Du hast es in der Hand deinen Teil in der Hand des größeren Schöpfers.

19:49 Uhr

Es ist spät geworden, bald wird sich diese Türe schließen und das Licht ausgehen, doch ich weiß, dass sich schon längst in den tiefen Kammern meines Herzens und meiner Seele neue

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Pforten geschaffen haben. Alles eine Frage der Zeit. Alles zurück auf Anfang.

21:11 Uhr

Alles ist gut so wie es ist. Vertraue dich bedingungslos dem Prozess an. Heiligabend, die Raunächte und der Vollmond stehen kurz bevor. Die Energie ist sehr intensiv und bringt so kurz vor dem neuen Jahr noch einmal einiges zur Klärung an die Oberfläche. Es ist ein schönes Gefühl, in mir spüre ich diese tiefe Liebe und die Größe. Mittlerweile glaube und weiß ich, dass dieses Gefühl vorherrschend in meinem Körper – in meiner Seele – ist. Es kann gar nicht anders sein. Von Herzen bin ich dankbar, diesen Ort hier gefunden zu haben. Heute war ich das erste Mal für eine längere Zeit im Meditationsraum, dort war ich einfach in der Stille und in der Zeitlosigkeit geborgen, ich verlor weitere Tränen und fand mich auf dem Erdboden wieder. Ich bin geborgen. Ich bin gehalten. Ich bin im Reinen. Die nächsten Tage werden sehr intensiv werden. Ich bin dabei, die Eckpfeiler meiner spirituellen Praxis auszutesten und zu festigen. Es hat sehr viel mit meiner eigenen Energie zu tun. Ich spüre wieder die starke Verbindung zu meinem Kanal, ich experimentiere mit meiner Weite, mit der nonverbalen Kommunikation, mit meiner Erdung und mit der Gedankenübertragung. Ich lasse mich immer weiter auf dieses Leben ein in meiner Bestimmung jenseits von anerzogenen Glaubenssätzen oder Vorschriften. Ich mache mir bewusst, dass ich nicht ohne Grund hier in Ecuador bin und das Göttliche so intensiv spüre. Ich bin angekommen. Das Gewitter samt des Regenextrems ist vorbei, der Fluss hat sich ein wenig beruhigt, weitere Nuancen dürfen vom gegenüberliegenden Ufer hinüberkommen. Ich darf noch tiefer in mein Herz finden. Deutschland – Ecuador ist keine schlechte Kombination. Meine Schwester und meine Mutter haben diesen Weg auch geebnet.

Harmony – Mittwoch, 20. Dezember 2023

Eine kleine Haloerscheinung am Himmel nahe des Äquators

12:23 Uhr

Wieder ist sie da die Energie, die durch mich strömt. Wieder das Glücksgefühl samt der Unbeschreiblichkeit des Lebens. Wieder die Gänsehaut. Die Sonne scheint. Die Vögel zwitschern. Die Musik spielt. Ich habe die größtmögliche Annäherung an das Unerreichbare geschafft. Es ist vollbracht das Werk. Kein Ding der Unmöglichkeit. Alles einzig Fiktion. Nicht mehr und nicht weniger. Die Summe der aufgewendeten Kräfte hat ein Ende. Was ist morgen? Ich weiß es nicht. Vielleicht werde ich hierbleiben, in einem spirituellen Zentrum arbeiten, alle drei Wochen Bananen ernten, samstags im Fluss fischen, jeden Tag schreiben, ab und an ins Wasser springen und mich einer Naturmassage unterziehen. Vielleicht finde ich hier meine Frau. Doch nein, da ist Ma. Sie wartet auf mich. Möglicherweise muss sie nach Ecuador kommen. Hier gibt es alles. Vermutlich ist dieses Alles für die meisten Menschen nichts. Es gibt frisches Wasser (trinkbar), gute Luft, fruchtbare Erde, eine prächtige Natur, facettenreiche Tiere und eine gute Energie. Es gibt Mais und Aloe Vera, Platanos und Yukka, Kakao und Kaffee, Orangen und Mandarinen, Limonen und Frühlingszwiebeln, Papayas und Grenadilas, Kühe, Gänse, Hühner, Fische und Holz. Es gibt Infrastruktur in der Form von mehr oder weniger gut ausgebauten (im Regelfall mit Allradfahrzeugen befahrbaren) Straßen, ausgesprochen viele Freiheiten und nicht sonderlich viele Vorgaben oder Regeln. Wenn du Gas brauchst, dann arbeitest du einen Tag und verdienst dir ein paar Dollar. Wenn du hungrig bist, dann kannst du dir ein paar Bananen pflücken oder Yukka ausgraben. Ich befinde mich immer noch hier. Noch habe ich nicht Abschied genommen. Vier Tage noch bis zum Heiligabend. Die Spannung steigt. Alles wird sich regeln. Mein Innen beruhigt sich mehr und mehr. Die Harmonie zwischen dem Außen und dem Innen setzt ein. Alles ist gut. Ja, alles ist gut. Alles wird gut werden. Daran gibt es keine Zweifel. Gänsehaut überkommt mich, Tränen dringen wieder aus meinen Augen. Nicht ohne Grund bin ich hier. Gott hat einen Platz für mich. Er hat mich hierher geschickt und ich weiß, dass er mich nicht vergessen hat. Selbstsucht kann zu einem Feind werden. Wohin willst du gehen, wenn dort in der Ferne alles verblasst ist und Rauchwolken von den brennenden Hütten in der Luft stehen? Wohin willst du gehen, wenn die einzige Brücke über die du kamst ins Tal gestürzt ist? Worauf richtest du deinen Blick, wenn du dich im Epizentrum des Erdbebens befindest? Hast du dich entwickelt, Rückschritte gemacht oder redest du dir einzig ein, dass du der bist, der du in Wahrheit bist? Wer bist du? Was machst du in deiner Lebenszeit? Wem schenkst du vertrauen?

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16:48 Uhr

Meine Socken sind leicht nass, so richtig weiß ich nicht, was ich schreiben soll. Ich bin noch nicht in Gänze dort angelangt, wo ich sein könnte. In der Nacht war ich des Öfteren wach, aber ich akzeptiere es. Langsam habe ich den

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Eindruck, dass mein Gehirn und mein Herz heilen. Allerdings nur ganz langsam. Der gesamte Prozess wird mein Leben lang andauern. So ist es und so soll es sein. A. hat mir angeboten, einen gewissen Prozentsatz der Seminare hier zu erhalten wenn ich mitarbeite. Es freut mich und es zeigt, dass sich meine Arbeit auszahlt und gleichzeitig ist es für mich nicht wirklich das was ich mir wünsche. Also was wünsche ich mir dann? Ist es erforderlich, dass ich noch tiefer und inniger bete oder wurden sie bereits erhört? Was sehe ich noch nicht? Ich darf mein Herz noch weiter heilen, ich darf noch ein großes Stück weiter nach vorne schreiten. Ich nehme mich so an wie ich bin. Ich akzeptiere mich. Ich sinke tief und ich

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lasse mich fallen. Bin ich nicht bereits dort wo ich sein muss? Was ist morgen? Wohin zieht mich das Unbekannte? Wonach verlangt meine Seele?

18:44 Uhr

Wertschätze den Prozess ein Buch zu schreiben. Nehme es nicht für selbstverständlich hin. Es gibt keine Vorgaben wie es letztlich auszusehen hat. Du bist der Schöpfer deiner Realität. Du darfst auf den Seiten festhalten, was deiner Meinung nach wert ist, festgehalten zu werden. Lasse los und vertraue dich bedingungslos dem Leben an. Renne über die Blumenwiese und breite deine Arme aus. Atme den Duft ein und verankere diesen Moment in deinem Innersten. Vertraue darauf, dass du bereits angekommen bist. Du besitzt alle Zeit der Welt. Egal wie alt du bist, welchen Abschluss du nicht hast, wie oft du in der Vergangenheit die selben Fehler gemacht hast, welche Ängste und Zweifel du in dir trägst, welches Geld du nicht besitzt, lasse los und vertraue dem Prozess. Was morgen geschehen wird, ich weiß es immer noch nicht, ich werde es mein gesamtes Leben lang nicht wissen. Vielleicht bist du der Engel, nach dem ein anderer Mensch ausgesprochen lange gesucht hast. Vielleicht bist du das Wunder für eine andere Seele. Egal wie lange der Moment andauert, du hast ihn erlebt und du hast ihn in dir abgespeichert.

Letting Go – Dienstag, 19. Dezember 2023

Ein nachtaktiver Schmetterling der Gattung Automeris

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14:20 Uhr

Irgendwie habe

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ich alles Andere im Kopf denn zu arbeiten. Seit ein oder zwei Tagen taucht der Gedanke immer wieder auf, dass ich nicht unbedingt in das Flugzeug einsteigen muss, das zurück nach Deutschland fliegt. Kurz gesagt könnte ich hierbleiben. Nur irgendwie ist dieser Gedanke in meinem Kopf nicht so präsent. Irgendwie weiß ich bereits, dass ich am 03. Januar 2024 wieder zurück in Deutschland sein werde. Warum? Ich möchte meine Familie wiedersehen, ich freue mich auf die Fahrradtour und die Wanderung mit Ma. Mittlerweile erscheint mir alles wie ein Traum. Es erscheint mir wie ein Traum, dass ich nach Los Angeles geflogen bin und jetzt bei Cabañas Osho im Eingangsbereich

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auf dem Stuhl sitze. Es erscheint mir wie ein immenser Traum. Gestern Abend kam A. wieder und sie fragte das Mädchen, das ich hier zwei Mal getroffen hatte, ob sie heute arbeiten kommt. Gerade befindet sie sich in der Küche. Am Vormittag rief Ma. überraschenderweise an, einfach so. Ohne Vorwarnung. Doch ich freute mich sehr, ich genoss das Gespräch. Kurz denke ich an einen Moment im Bus in LA, da ich von Koreatown aus zum National History Museum fuhr, ich sah die anderen Fahrgäste, fragte mich, welche Fahrtziele sie haben, mit wem sie sich treffen werden und insgesamt. Die Müdigkeit überkommt mich, ich weiß nicht so recht, was ich mit mir anfangen

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soll. Vermutlich sollte ich sie einfach küssen, vertrauen und dann schauen, was passiert. Ich habe hier einen sehr besonderen Platz auf Erden gefunden, das ist selbstverständlich. Ja, es kann sein, dass ich gefunden habe wonach ich suchte. Aber ich kann es weder festhalten noch konservieren. Ich kann einzig loslassen und akzeptieren. So vollzieht sich alles in Schüben und letztlich bin ich der Verantwortliche für einen Tag im Leben des Julian H.

15:10 Uhr

Soll ich nicht doch hierbleiben? In exakt 14 Tagen geht es zurück. Für das Ende von „Heal your Heart“ ist es gut, doch wie werden sich die Dinge weiter entwickeln? Hier bin ich glücklich, hier bin ich angekommen, hier habe ich meinen Platz gefunden. Doch wie wird es weitergehen? Warum bleibe ich nicht? Warum ist es so offensichtlich, dass ich nicht hierbleibe? Ich weiß, dass mir die Zeit mit den Tieren, die Zeit an der frischen Luft in der Sonne oder im Regen mit Gummistiefeln an den Füßen und Erdresten an den Händen wichtig ist. Jeden Morgen wache ich auf und jeden Morgen wartet eine neue Überraschung auf mich. Irgendwie wird alles schon werden. Ich bete für meine Herzöffnung. Wieder rinnen mir recht schwere Tränen die Wangen hinunter. Wie viele werden da noch kommen? Was wird mir das Jahr 2024 bringen? Wohin führt mich mein Weg? Wie oft wird sich unser blauer Heimatplanet noch drehen? Ich höre eine Musikfrequenz mit dem Titel „Zwillingsflammen Vereinigung“. An wessen Seite werde ich meine Zeit verbringen? Mit wem darf ich gemeinsam gehen? Was darf noch weiter in mein Bewusstsein rücken? Scheiße verdammt, was mache ich aus meinem Leben? Wohin steuert mein Schiff? Warum ist es manchmal so unendlich schnell und in anderen Phasen wiederum so unglaublich langsam? Was muss ich mir noch mehr vergegenwärtigen? Was ist die Liebe?

17:09 Uhr

Ich liege wieder im Bett, es regnet, ich bin ein emotionales Wrack. Ein paar Mal traten die Tränen einfach aus mir heraus, ich konnte sie nicht mehr zurückhalten. Wohin steuere ich? Wohin steuere ich? Wohin steuere ich? Vielleicht muss ich die Frage jedes Jahr am 19. Dezember gegen 17 Uhr stellen – dann soll es so sein. Ich höre eine Meditationsmusik und habe heute das erste Mal seit meiner kurzen Tarotgeschichte die gleiche Karte am zweiten Tag in Folge gezogen. Es ist „Der Wagen“. Der Wagen ist kein schlechtes Bild, er wird gezogen und befördert, gleichzeitig hält er im Gleichgewicht und strahlt Ruhe aus. Ich trage die goldene Rüstung und trage das Schicksalsrad in meinen Händen. Nein ich bin nicht einzig dieser Körper, der eine tote Seele in sich trägt. Ich bin das Leben. Ich bin die Auferstehung. Ich bin Jesus Christus. Noch bin ich 33 Jahre alt. Ich bin die Brücke zwischen dem Himmel und der Erde. Ich bin das Vertrauen in Person. Ich bin die Heilung. Alles wird schon irgendwie werden. Vertraue dem Prozess, der natürlichen Entwicklung deiner Fähigkeiten und der Geschehnisse des Universums. Sei einfach so wie du bist. Fünf Tage noch bis zum Heiligabend. Mir macht es zu schaffen, dass ich nun wo ich mich hier wohlfühle, die Situationen und Menschen kenne und angefangen habe mich irgendwie einzuleben tief in mir weiß, dass es wieder auseinandergeht. Wieder wird es zerbrechen. Wieder stehe ich mit leeren Händen da. Wieder habe ich mich aufgeopfert, doch was bleibt? Was nehme ich mit? Was lasse ich zurück? Wann werde ich zurückkehren? Gibt es diese eine absolute riesige Antwort in meinem Leben? Wie lautet sie und viel wichtiger noch, wie integriere ich sie in mein Leben? Willst du eine Sache beenden, dann brauchst du Willenskraft, Hingabe, Freude und Mut. Alles andere wird sich dann irgendwie entwickeln. Du befindest dich bereits am Ziel, du hältst das Geschenk schon längst in den Armen, du musst es allerdings noch auspacken. Das kann dir niemand abnehmen. Du musst die Hülle – so schön sie auch sein mag – fallen lassen. Alles verändert sich. Alles hat sich bereits verändert.

18:54 Uhr

Wieder hat es kein Licht beziehungsweise keinen Strom. Seit rund 17:10 Uhr. Das ist ungewöhnlich. Im Regelfall sind die Abschaltzeiten werktags von 16:00 Uhr bis 18:00 Uhr. Vor rund 20 Minuten gab es für maximal eine Sekunde kurz Licht, danach war es wieder dunkel. Ein zentraler Grund, weswegen man Kerzen auf Vorrat besitzen sollte. Ab Januar sollen die Abschaltzeiten vier Stunden betragen. Quito ist nicht ausgeschlossen. In Europa wäre ein solches Vorgehen undenkbar. Hier ist es Alltag. Meine Kerze in der Kokosnussschale brennt, der Geruch des Palo Santo Hölzchens liegt noch in der Luft. Ich bin abgrundtief müde. Ich könnte einschlafen und eine Woche im Bett liegen bleiben. Tatsächlich weiß ich gar nicht so recht, was mir die Kraft raubt. Vermutlich ist es eine Kombination aus allem. Okay, heute stand ich auch wieder um 06:15 Uhr auf und war eine viertel Stunde später in der Küche, fütterte die Tiere, verabschiedete mich von C. und schnippelte dann gefühlt bis 10:00 Uhr mehr oder weniger unterbrochen Petersilie, Mangold, Frühlingszwiebeln und weiße Zwiebeln. Dafür hat der Tabouleh-Salat geschmeckt. Wieder habe ich Tränen in den Augen. Du kannst dich am schönsten Ort der Welt befinden – aber macht einen die Armut nicht kaputt? Die falschen Glaubenssätze können dich töten. Sie machen dich handlungsunfähig und verhindern, dass du dich den kontinuierlichen Veränderungen auf dieser Welt anpasst. Sie führen dazu, dass dein Leben verdammt bescheiden werden kann und du sitzt da einfach in deiner Komfortzone und lässt es an dir vorbeiziehen und dann war es das auch schon. Vorhin ging ich einmal ohne die silberne Gebetskette in meiner Hosentasche nach draußen. Ich spürte, dass ich sie nicht brauche, da mein Glauben nicht an ihr hängt, sondern dass ich diesen Glauben in allem was mich hier umgibt finden kann. Ja, ich glaube. Ich habe keine andere Wahl. Wir alle glauben. Wir alle müssen glauben. Wir müssen glauben für unser Selbst, für unsere Familie, für unsere Gemeinschaft, für unseren Glauben und für unseren eigenen Fleck Heimat auf diesem Planeten. Wir müssen glauben für unsere Zukunft und für unser Einkommen. Wir müssen glauben am schwarzen Tag und in den farbigen Träumen der Nacht. Irgendwann wirst du feststellen, dass es kein Zurück mehr gibt. Irgendwann wirst du feststellen, dass du diese Reise 33 Jahre mehr oder weniger gut bewerkstelligt hast. Würde man deine ehemaligen Lehrer befragen, so wären sie vermutlich eher unzufrieden. Doch es gibt unweigerlich Menschen, die sagen und wissen, dass du da einen ganz guten Job ablieferst – auch wenn du kein regelmäßiges Einkommen hast. Ja, dein Antrieb geschieht aus dem Nichts, du ziehst die goldenen Werke aus dem Nirwana, du schreibst aus deiner Essenz heraus und das merkt man. Es ist schließlich kein perfekter Text gemäß irgendwelcher Algorithmen, es ist ganz einfach die Arbeit eines Menschen der irgendwo in der Vergangenheit anfing zu glauben. Immer noch weiß ich nicht so recht, warum ich schließlich an diesem Ort gelandet bin. Es ist das Paradies. Zugleich kann jedes Paradies zu einem Albtraum werden. Also musst du vertrauen. Du musst vertrauen um 19:06 Uhr und du musst vertrauen nachts um 01:23 Uhr. Du musst vertrauen an einem Sonntag beim Mittagessen im Kreise deiner Nächsten und am Donnerstagmorgen, wenn du auf dem Weg zur Arbeit bist. Du musst vertrauen von früh bis spät und von spät bis früh. Wir sind alle einzig Menschen. Durch uns hat Gott die Möglichkeit sich zu manifestieren und in der Welt zu scheinen. Wir müssen einen jeden Tag aufstehen und das nicht Realisierbare bewerkstelligen. Wir dürfen die Schönheit durch unsere Finger verwirklichen. Wir sind die Giganten, die beizeiten taumeln. Steve McQueen wäre stolz auf uns. All die indigenen Heilenden und Schamanen wären stolz auf uns. Denn wir haben es als Menschheit trotz all der Stolpersteine bis ins dritte Jahrtausend nach Christus geschafft. Unsere blaue Erde dreht sich immer noch. Es gibt noch fließendes Wasser, noch ein paar grüne Bäume, Vögel, Schildkröten, Delphine, Wale, Haie, Wölfe, Hühner, Hunde, Katzen, Elefanten, Löwen, Nilpferde, Schlangen und und und. Wir sind noch lange nicht angekommen. Wenn wir unsere Arbeit bewerkstelligt haben werden, dann folgt die nächste Generation und dann die nächste und die nächste und die nächste und die nächste. Also dürfen wir uns niemals zu schade sein, das was wir sehen auch innerhalb des gewöhnlichen Rahmens und weit jenseits dessen zu erreichen. Egal wie. Gesetze sind dazu da von intelligenten Menschen umgangen oder so ausgelegt zu werden, dass sie dem zivilisatorischen Fortschritt dienlich sind. Gesetze dürfen die menschliche Innovationskraft und das unendliche in uns schlummernde Potential nicht behindern. Gesetze müssen uns fördern und Anschübe geben. 12 Tage verbleiben noch im Jahr 2023.

Reflection – Montag, 18. Dezember 2023

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15:11 Uhr

Ich habe mich ins Bett zurückgezogen. Gestern legte ich

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mich um 21:00 Uhr hin, schlief und träumte, doch war am Morgen stark gerädert. Es ist die anbrechende Weihnachtszeit. Wieder stelle ich mir sehr fundamentale Fragen nach dem Sinn des eigenen Schaffens, nach meinem Platz in der Welt, nach dem kommenden Jahr und der Zukunft ohnehin. Früher hätte ich an einem Tag wie diesem den Inkognito-Tab geöffnet. Um all den Frust, die Resignation und Enttäuschung zu betäuben. Ich bin noch in Ecuador mit einer sehr angenehmen Temperatur, das muss und das darf ich mir vor Augen führen. Wohin zieht es mich? Ich habe sehr lange an ein Workaway-Profil gedacht: der Ort liegt auf einer portugiesischen Insel im Paradies unmittelbar an der Küste. Da muss ich hin.

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Eventuell ist das mein Hiva Oa. Ich darf vertrauen, dass die richtigen Dinge geschehen werden. Vor ein paar Minuten noch unten sitzend guckte ich nach Filmen mit christlichen Inhalten. Ich darf noch weitaus tiefer glauben.

Gegen 16:45 Uhr

Auf dem Tisch befindet sich eine Tonfigur. Diese ist eine im aufrechten Schneider-, Lotussitz kniende meditierende Frau. Ansonsten befinden sich im Regelfall keine Dinge auf dem Tisch. Es ist interessant, wie die Position der Figur auf dem Tisch recht viel verändert. Man kann sie in die Mitte stellen, doch auf welchen Stuhl schaut sie – oder öffnet sie sich gegenüber der zum Haupteingang offenen Wand? Be-…

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findet sie sich an einer Ecke – an welcher, wieder die Blickrichtung. Unzählige Interpretationsmöglichkeiten dieser „zufälligen“ Inszenierung. Die Dame des Hauses wird in ein paar Minuten zurück sein. Ich bin aufgeregt. Einen guten Monat war sie jetzt nicht hier. Wird sie zufrieden sein mit dem Gesamterscheinungsbild? Wer war in dieser Zeit dafür verantwortlich? Ich bin nervös, doch ich sitze einfach auf dem Stuhl im Eingangsbereich mit meiner türkisen Hose auf dem gleichfarbigen Sessel. Über mir wieder Osho. Mein Kopfkissen befindet sich ungefähr 150 Zentimeter neben seinem riesigen Porträtfoto.

Gegen 17:00 Uhr

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Meine Zimmernummer ist die 13. Es erscheint mir in Gänze unrealistisch, dass am Sonntag Heiligabend sein soll. Wieder wird es gegen knapp 18:20 Uhr dunkel werden, ich sitze im dünnen fichtenholz-cognacfarbenen Longsleevepullover bei leichtem Regen knapp 9.700 Kilometer Luftlinie von meiner Familie entfernt. Bei uns gab es niemanden, der die Heimat für einen längeren Zeitraum verließ. Ich glaube bei meiner Schwester mit einem Jahr Ecuador war es das Maximum. Ansonsten ist da außer bei meiner Mutter diese Reisefreudigkeit außerhalb Europas nicht sonderlich stark vorhanden. Meine Verwandtschaft bewegt sich im Regelfall in einem Umkreis von ein paar Kilometern. Aber ist

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das verwerflich? Aller Voraussicht nach werden sie bereits Weihnachtsschmuck, Plätzchen und eingepackte Geschenke haben. Was habe ich? Seite 104 Zeile 5 in „libellenflügel“. Irgendwo habe ich ein handflächengroßes MERRY CHRISTMAS-Schild hier gefunden, doch bislang entfernte ich einzig die Kleberückstände auf der Rückseite. Wann wird der erste Weihnachtsbaum auf einem anderen Planeten die Gesichter in seiner Nähe erfreuen dürfen? Wird unsere Zivilisation den Sprung wagen? Was erhoffen wir uns davon? Oder ist jegliche Bestrebung im Bereich der Raumfahrt nichts weiter als Science-Fiction? Wie

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viele intelligente Satelliten haben wir im All? Doch uns gelingt es nicht, Kriege bereits in der Keimzelle der Entstehung zu erkennen und alles nur menschenmögliche zu machen um den Weg ohne Konflikte mit Waffengewalt zu gehen. Warum erkennen wir nicht die illegalen Brandrodungen oder Abholzungen in geschützten Regenwaldgebieten und dämmen sie ein? Warum gibt es immer noch Tote bei Naturkatastrophen? Warum sind wir im dritten Jahrtausend nicht längst weiter? Das Internet hat uns leeren Sex und inhaltsfreie Versprechen gebracht. Die Qualität oder der solide Inhalt sind vergeblich zu suchen.

Work – Sonntag, 17. Dezember 2023

11:45 Uhr

Da ist kein Ende in Sicht. Die Wellen spülen an Land. Das Gewohnte verliert sich in den Gezeiten. Du atmest ein und aus. Immer noch sitzt du auf der Spitze der Pyramide. Du fragst dich, auf welchem Grund New York City gebaut ist. Im Hintergrund flackert unscheinbar etwas. Wieder hat der zündende Funke die Flamme erschaffen. Vielleicht hast du bereits alles und bist längst angelangt. Doch du weißt es noch nicht, du spürst es noch nicht. Vielleicht bist du längst erfolgreich. Doch eine Geheimzutat fehlt dir noch. Denn sonst wärst du glücklich und zufrieden dort wo du dich befindest. Und so musst du dich verändern. Du musst deinen Job kündigen, einmal um die Welt reisen, dich auf den Fahrradsattel setzen und ins Unbekannte fahren, du musst dich über die Reling lehnen und in den Wind hinausschreien, dass du eigentlich gar keine Ahnung hast, wie das so vor sich geht. Du musst Friedhöfe spezifizieren und Parkanlagen erkunden, Stadtviertel durchschreiten und in irgendwelchen Cafés und Restaurants einkehren. Überall begegnest du Menschen. Du fragst dich, was letztlich bleibt. Der Spaziergang ist es nicht der letztlich bleibt. Deine Arbeit kann bleiben. Doch was machst du? Was ist deine Mission? Wohin wirst du gehen, wenn kein Ende mehr in Sicht ist? Was wirst du wählen, wenn du alle Möglichkeiten der Welt hast? Was ist noch von Wert, wenn du unbegrenzten Reichtum hast? Wann wird dein Durchbruch sein? Was ist dein „Caravan“, deine Symphonie no. 9, dein „Pacific 231“? Wo ist dein „Der Fremde“? Wo ist dein „Der kleine Prinz“? Wo ist dein Junge mit der Narbe? Wo ist dein Spirit of Australia? Wo ist dein Spirit of Canada? Wo ist dein Spirit of Zurich? Wo ist dein Spirit of Freedom? Wo ist dein Spirit of Eternity? Wo ist dein Funke? Wo ist dein Rio Magdalena? Wo ist deine Mission? Wo ist deine Pippi Langstrumpf? Wo ist dein Segen? Wo ist dein Eiffelturm? Wo ist deine Sagrada Familia? Wo ist dein Solo? Wo ist dein Beitrag? Wo ist dein Fußabdruck? Wo ist deine DNA?

Was machst du, wohin blickst du, was wiederholst du wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder bis es sitzt und du weißt und spürst, dass du auf irgendeiner Ebene fortgeschritten bist. Es ist die Kombination, die du Armaden von Myriaden von Malen wiederholt hast und unweigerlich wird sich früher oder später die geheime Zutat deines Selbst aus den Werken erkennen lassen und du wirst angekommen sein. Du wirst angekommen sein, weil du dir diese unsichtbare Welt erobert hast. Es ist die Welt der Imagination, des Glaubens, der Größe und der Magie. Es ist ein ewigliches Königreich. Du schreitest voran immer weiter und weiter und weiter, musst Äste auf dem schmalen Pfad durch den Dschungel beiseite schieben und Gummistiefel im Matsch verlieren, du musst im Treibsand feststecken und all dein Hab und Gut opfern, du musst komplett von Anfang an beginnen und alles verbrennen, was du jemals geschrieben hast. Du musst den XXL-Off-Knopf drücken, du musst mit neuen Augen sehen und vergessen, was du einst gelernt hast. Du musst fühlen.

13:38 Uhr

Aus „Die Legende des Ozeanpianisten“ habe ich einen der finalen, zentralen und emotionalsten Dialoge transkribiert. 1900 und Max sitzen im Bauch des Schiffes, umgeben von Dynamit. Es sind die letzten Minuten des Dampfers.

„Was hast du all die Jahre gemacht?“

„Musik.“

„Auch während des Krieges?“

„Sogar als niemand mehr dazu tanzte. Selbst als die Bomben fielen. Ich habe gespielt bis das Schiff hier festmachte.“

„Das nennst du Schiff? Ist eher ne Lagerhalle für Dynamit, das jeden Moment explodieren kann. Ziemlich gefährlich, denkst du nicht?“ …

„Und du Max, was macht deine Trompete?“

„Ich habs aufgegeben, schon vor ner ganzen Weile. Aber weißt du, jetzt hätte ich Lust nochmal anzufangen, ich bin voller Ideen, wir wären ein gutes Duo, du und ich. Oder wir gründen ne Band. Die Danny Budman T.D. Lemon 1900 Big Band. Da kommt das Blut in Wallung. Wir würden einschlagen. Komm schon 1900, komm mit mir, gehen wir von Bord. Sehen wir uns das Feuerwerk vom Pier aus an. Das Ganze nochmal von vorn. Manchmal bleibt einem einfach keine andere Wahl. Nochmal von Anfang an.
Man ist niemals ganz am Ende, solange man eine gute Geschichte hat und jemanden, der zuhört. Weißt du noch? Du hast mir das Mal gesagt und was hast du für Geschichten zu erzählen? Die ganze Welt würde dir zuhören, verrückt nach deiner Musik. Glaub mir…“

„Diese riesige Stadt, da war kein Ende zu sehen. Das Ende bitte, kannst du mir bitte das Ende zeigen? Ich fühlte mich gut auf der Gangway, es war einfach grandios, ich in dem Kamelhaarmantel, ich machte ne gute Figur. Und ich wollte von Bord. Da gab es gar nichts. Das war nicht das Problem. Nicht was ich sah hielt mich zurück Max, sondern das was ich nicht sah. Kannst du das verstehen? Das was ich nicht sah. In dieser gewaltigen Stadt gab es alles bloß kein Ende. Da war kein Ende. Ich konnte nicht sehen, wo das Ganze endete. Weit und breit kein Ende. Das Ende der Welt.
Denk an ein Piano, die Klaviatur fängt an und endet. Sie hat 88 Tasten und niemand kann dir etwas anderes erzählen. Sie ist nicht unendlich. Du bist unendlich. Und auf diesen Tasten kannst du Musik machen und die ist unendlich. Das gefällt mir, damit kann ich umgehen. Dann stehst du nun auf dieser Gangway und vor dir entrollt sich eine Klaviatur mit Millionen von Tasten, Millionen, Abermillionen von Tasten und man sieht kein Ende und das ist die Wahrheit Max, sie nehmen kein Ende, Tasten bis ins Unendliche. Auf einer unbegrenzten Klaviatur die bis ins Unendliche führt kannst du keine Musik machen. Du sitzt auf der falschen Bank. Das ist Gottes Piano. Herrje, hast du die Straßen gesehen, nur die Straßen, es gibt tausende davon, wie soll man sich da entscheiden, für eine Frau, für ein Haus, für ein Stück Land, das du dein Eigen nennen, eine Landschaft die du betrachten möchtest, für eine Art zu sterben.
Die ganze Welt drückt dich zu Boden und du kannst nicht mal das Ende absehen. Sag Max, kann einem von diesem Gedanken allein nicht angst und bange werden? Von diesem Übermaß, das auf dich einstürzt. Hier auf diesem Schiff bin ich geboren und die Welt zog an mir vorüber. Nie mehr als nur 2.000 Menschen zu einer Zeit. Auch hier gab es Wünsche. Aber sie bewegten sich nur zwischen Bug und Heck. Du suchtest dein Glück auf einer Klaviatur, die nicht unendlich ist. Ich lernte das Leben auf diese Weise kennen.
Land, Land ist ein Schiff zu groß für mich. Eine Frau unerreichbar, eine Reise zu weit, ein Duft viel zu stark, eine Musik, die ich nicht spielen kann. Hier weggehen kann ich nicht. Ich kann bestenfalls aus dem Leben gehen. Und schließlich, ich existiere für niemanden. Du bist die Ausnahme Max. Du bist der Einzige der weiß, dass ich hier bin. Du bist eine Minderheit. Du musst es akzeptieren. Vergib mir mein Freund. Aber ich kann nicht von hier fort…“

13:46 Uhr

Vielleicht erscheint dir dein Traum wie Jodorowskys „DUNE“, vielleicht ist er einfach eine deutliche Nummer zu groß für dich. Aber du glaubst daran und das ist es letztlich, was zählt. Du glaubst und du wachst einen jeden einzelnen Tag deines restlichen Lebens auf. Mach was draus. Du hast es in der Hand. Selbst wenn du zwei linke Hände oder zwei rechte Arme hast. Nichts geschieht ohne Grund. Bist du noch nicht dort wo du dich siehst, dann sei dankbar dafür, dann fokussiere dich, dann bündele dich. Schließe deine Augen und drehe das finale Resultat deines erreichten Traumes vor deinem inneren Auge immer wieder. Du kannst gemütlich mit übereinander geschlagenen Beinen in einem Schaukelstuhl auf der Veranda sitzen. Du musst nichts dafür machen. Einzig glauben.

15:22 Uhr

„Caravan“ – Ewiglich lang zieht sich die Einleitung, im Hintergrund ein Bass, der gezupft wird und der Wind bläst leicht sanft auf meinem Haar. Die Melodie wird schneller, die Katze kommt angerannt, es ist „Caravan“. Sie spielen auf ihren Instrumenten, die Sonne scheint und ich sitze am Pool ohne Wasser, meine Schuhe stehen auf dem Boden und ich liege im Liegestuhl. Vor mir die grünen Hügel, die Außengeräusche sind ausgeblendet und es ist Zeit für einen Punkt. Unzufrieden bin ich, begleitet von „Caravan“ einen Improvisationstext zu schreiben. Aber es gibt kein Zurück mehr. Das Leben ist schön, die Sonne, sie scheint immer noch, eine große Wespe kommt angeflogen, die Trompeten oder Posaunen triumphieren, es ist ein paradiesischer Tag in Ecuador, die Katze hüpft herum wie es ihr gefällt, jagt Teilchen auf der Erde und so muss es sein. Ja, so muss es sein und so muss es sein. So muss es sein und so muss es sein. Die Worte sind mir ausgegangen, ich blicke ins Universum der Buchgeschichte, doch da ist nichts außer dem Höhepunkt: Tatatatatatatatata. Tatatatam. Schlechter geht es kaum noch, wenngleich es das Finale auf der Bühne ist. Also noch ein letztes Mal ins Zeug legen: Schlagzeug jetzt alleine, alles was geht, unmöglich parallel zu schreiben, ich muss den Text löschen, wo sind die Aguilas, 15:27 Uhr und farbige Fließen vor meinem Auge. Eine kleine rote Fläche. Sie wird immer größer. Ganz langsam. Die Spannung steigt. Ich bin abgelenkt. 10 Finger besitze ich, was allerdings soll ich schreiben? Es wird lauter, ein Orkan zieht heran, Bombenschläge, Blitze und gewaltige Flutwellen, „Little Drummer Boy“ und . Der Hund kommt, dritter Advent, aber was machst du nur? Ende. Aus. Punkt.

15:52 Uhr

Ich habe keine Internetverbindung und gehe die Ordner auf dem digitalen Schreibtisch durch. Wieder lösche ich ein Dokument, ohne dass es jemals ein Mensch außer mir gelesen hat. Es trägt den Titel „Die drei Hüte“ und wurde am Montag, den 09. Oktober 2023 verfasst. Der Inhalt lautet in etwa wie folgt (dabei berufe ich mich selbstverständlich ausschließlich auf mein Gedächtnis, etwaige Fehler sind insofern nicht im Sinne des Erfindenden):

„Ich habe Lust auf das Schreiben aber weder Freude daran an diesen Projekten weiterzumachen, die ich unzählige in meinem Kopf und auf meinem Computer finde – noch dazu in ein Notizbuch analog zu schreiben. Zwei oder drei Seiten sollen genügen, es darf keine Kurzgeschichte sein und ein klares Thema möchte ich auch nicht, da werden mir wieder zu viele Grenzen und Vorgaben gesetzt.
Wo fange ich an und wo höre ich auf, wie bewege ich mich jenseits von Gut und Böse durch die Gefilde des Universums? Was fühle ich im gegenwärtigen Moment? „Die drei Hüte“ heißt es, in der Tat ein Geniestreich. Warum? Diese Frage konnte sich noch kein Wesen seit Anbeginn der Menschheit beantworten. Ein Traum? Sicherlich nein! Deswegen muss auf eine Fortsetzung gewartet werden.
Lima, La Paz und Santiago, was werden diese Städte bringen? Lima kenne ich schon zu Teilen, es ist ein riesiger Wulst so wie eine Paella-Pfanne mit allerlei Mischung. Lima bedeutet für mich Humboldtbriese und Pazifikstrand, Seviche und Ein-Gang-Fahrradtour xyz. Mein Kopf scheint betäubt, die Dinge müssen sich wandeln, weswegen besitze ich keine Reiseschreibmaschine? Vermutlich etwas aus der Zeit gekommen aber mir geht dieses dauerhafte Online-Krimskrams ordentlich auf den Keks. Im Hintergrund immer noch das Wasserrauschen des Rio Magdalenas oder des anderen Flusses, dessen Namen ich mir nicht merken kann. Es hat etwas Maschinelles. Für die Natur hört es sich zu monoton, zu gewaltvoll, zu dominant an. Vielleicht habe ich auch einfach nur ein falsches Bild der Natur. 33 Jahre bin ich alt, werde ich mit 66 Jahren „Die sechs Hüte“ schreiben irgendwo in Afrika? Wo ist mein Anker, wo zieht es mich hin, das nächste Projekt wird wieder eine Zusammenstellung von Gedankenfragmenten sein. Unter Anderem wird sich darin „Die drei Hüte“ wiederfinden, die Einsendung an das Literaturhaus.ch aus Helsinki als auch der ursprüngliche Text für Paperblanks für den zweiten Blogeintrag. Meiner Meinung essentielle Arbeiten für mein Wirken und der Titel für dieses neu zu gebärende Werk – er steht in den Sternen geschrieben. Die Mückenstiche bringen mich um, lieber würde ich gefoltert werden. Ich meine es ernst mit dem Schreiben, aber was bedeutet das wahrlich? Es bedeutet nur eine vage Ahnung davon zu haben, wo die gesamte Reise hingeht, denn du kannst die Meinung der Leute / den kollektiven Zeitgeist nur marginal beeinflussen. Gut Ding will Weile haben und Rom wurde schließlich auch nicht an einem Tag erbaut. Zwischen Drosseln und Distelfinken bin ich mir nicht gewahr, welche Vogelarten es exakt in Ecuador gibt. Ist es allerdings von Bedeutung?
Mit Fug und Recht können Kritikerinnen und Kritiker behaupten, dass ich zu wenig / keine Dialoge in meine Absätze einbaue.“

18:21 Uhr

Die Tarotkarte des Abends ist der „Ritter der Scheiben“. Eine neue Kerze brennt, die Gebetskette liegt neben mir, ich trage das burgunderrotfarbene Yuri Gagarin T-Shirt mit dem goldenen Stern, höre wieder eine beruhigende Frequenz und werde mir bewusst, dass wir nicht ohne Grund den freien Willen besitzen. Uns wurde die Fähigkeit geschenkt unsere Aufmerksamkeit auf das Gute oder auf das Schlechte zu richten. Wir sind die mächtigsten Wesen in diesem Universum. Wir können klagen und uns aufregen, wir können Beziehungen, Träume oder Materie zerstören. Gleichzeitig können wir Neues erschaffen, Frieden generieren und alles aus unserer Vorstellung Wirklichkeit werden lassen. Ja, manchmal mag uns das Vertrauen oder die Anleitung fehlen. Dann hören wir „Folge deiner inneren Stimme“, „Warte ab“ oder „Gebe diesen Wunsch an das Universum oder an Gott ab“. Ist es so einfach? Sind wir stets dazu bestimmt im Einklang mit unserer Bestimmung zu schweben? Was macht uns einzigartig? Wie wird diese Dekade am Montag, den 31. Dezember 2029 enden? Wie viele Sonnenaufgänge werden wir in unserem Leben sehen? Was bringt der Tod? Wie fühlt sie sich an die Ewigkeit im Leben? Was spricht der Schein der Kerze zu mir?

Ich bin aufgeräumt, eine weitere Woche geht zu Ende, heute ist der wichtigste Tag der Woche. Wieder vergegenwärtige ich mir, dass jeder einzelne Mensch auf der Erde ob auf der einen Seite Präsident, Nobelpreisträger oder Oscargewinner und auf der anderen Seite Drogenabhängiger oder Obdachloser einzig das Abbild der unterschiedlichen Möglichkeiten darstellt. Niemand befindet sich in seiner Position durch Zufall. Alles ist vorherbestimmt. Unsere Gedanken sind das mächtigste Werkzeug auf diesem Planeten. Das worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten wird unweigerlich Realität werden. Es ist bereits so präsent, dass es sich an unserem Wohnort, in unserer Einrichtung, in der Garderobe, im Kühlschrank, in unseren Fotografien und Dateien auf den elektronischen Geräten, in unseren Beziehungen und Familien, in unserem Einkommen und in unseren Ausgaben, in schlichtweg Allem bereits manifestiert hat. Das ist die Realität.

18:33 Uhr

Der 04. April 2111 ist ein Samstag. Mit unserem heutigen Denken und Handeln wirken wir auf dieses Datum hin. Wir wirken auf jedes Datum in der Zukunft hin. Wir können gar nicht anders. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir uns dieser Tatsache bewusst sind. Die Zukunft ist die einzige Realität. Jeder einzelne Moment den wir erleben stellt die Zukunft dar. Jeden Herzschlag erleben wir das erste Mal. Selbst wenn wir tausende von Malen die gleiche Strecke entlang gegangen sind ist es das erste Mal. Uns mag alles gewohnt und bekannt vorkommen, doch selbst wenn wir meinen, dass wir alles durchschaut und beleuchtet haben, dann gibt es noch unzählige blinde Flecken, die uns verborgen bleiben. Manchmal kann es sein, dass wir bereits A, B, C, D, E, F, G, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, X, Y und Z gemacht haben. Doch ein Baustein fehlt. Erst wenn wir H gemacht haben können wir auf 26 Buchstaben des Alphabetes zurückgreifen. Nicht ohne Grund besitzen wir einen Kopf. Es kann sein, dass wir uns in einer vermeintlich ausweglosen Situation befinden müssen, damit wir früher oder später eine Erkenntnis haben, unsere Perspektive verändern oder unsere Aufmerksamkeit auf einen Bereich unseres Lebens oder unseres Selbst lenken, der uns bis dahin vor lauter Ablenkungen nicht zugänglich war. Wir können jahrelang krank sein und unsere Hoffnung aufgegeben haben, dass wir in diesem Leben noch einmal gesund werden. Wir können Jahrzehnte süchtig, arbeitslos, übergewichtig oder in ungesunden Beziehungen gewesen sein. Auf einer übergeordneten Ebene spielt all das jedoch keine Rolle. Früher oder später werden wir die Kraft, den Mut, die Durchsicht oder die Ruhe finden um eine Antwort zu erhalten. Diese kann in allen nur erdenklichen Formen erscheinen. Doch wir werden ins Reine finden. Wir werden geheilt werden. Auf einer anderen Ebene sind wir bereits in Verbindung, in Harmonie, in Erfüllung, in der Gesundheit und im Reichtum. Beziehungsweise stellt das die Realität dar. Unsere individuelle gefälschte Realität ist unsere Armut, unsere Krankheit oder unsere ungesunde Beziehung. Doch diese temporäre Situation ist nicht die Wahrheit. Sie ist ein inneres Verschließen vor all dem energetischen Austausch, vor der Liebe, vor dem Fluss und der Bewegung. Wir befinden uns in Verbindung mit jedem einzelnen Wesen das lebt und das je gelebt hat. Nicht mit unserem Körper, sondern durch unseren Körper hindurch oder jenseits unseres Körpers. Wir müssen uns existentielle Fragen stellen, wir müssen einen Krieg haben und von den härtesten Schicksalsschlägen getroffen werden. Nur so können wir unser individuelles, familiäres oder kollektives Bewusstsein auf das Wesentliche richten. Wir müssen unsere Urängste erleben und bis in die größtmögliche Tiefe spüren, wir müssen dem Tod in der Realität ins Auge blicken, damit wir uns vergegenwärtigen, was dieses Leben wahrlich bedeutet, wie kostbar es ist und welche Aufgabe damit einhergeht.

Forgiveness – Samstag, 16. Dezember 2023

14:25 Uhr

Irgendetwas ausgesprochen Großes hat sich auf einer unsichtbaren Ebene verändert. Mein Körper mag sich hier im Jahr 2023 befinden, doch was ist mit meinem Geist, was ist mit meinem Bewusstsein? „Heal your Heart – El Diario“, „De Soñar y Crecer“, „XXXX Fragen und die absolute Antwort“, „Die Tinte Gottes“ als auch „An infinite Playground!“ sind in Druckauftrag gegeben, etwas hat sich gelöst, ich bin befreit. Ein Raumschiff von nicht messbarer Größe ist gelandet. Der Künstler und Science-Fiction Illustrator Hubert Schweizer kehrte am Donnerstag, den 30. November 2023 in das Reich zu Hans Rudolf Giger zurück. Irgendwie ist da noch „Just another writing-project“ entstanden, es fühlt sich gut an, ich weiß, an wen ich es schicken darf, es muss allerdings noch reifen und sich weiter entwickeln. Die gepflanzten Samen in den Töpfen wachsen langsam doch kontinuierlich, jeden Vormittag wollen sie mit Aufmerksamkeit bewässert werden und Licht erhalten.

Ich höre „Bon Voyage“ von Solarsoul und las auf seiner Informationsseite die folgenden Worte:
„I’m not a master of beautiful writing about myself, so it’ll be rather short.
I have another passion except music. This is astronomy, and all this is connected with cosmos, universe and other civilizations.
I like watching in my telescope in summer night and represent in my head mysterious galaxy, nebula, stars.
When I was young, I was an amateur artist. I am sure it was painting, than helped me to create my music, my radio shows.
Nothing happens by chance in this life and everything, is determined.
While I was making music I met many amazing talented and really wonderful people from different part of the world.
Music is probably one of the languages that don’t need to be translated. People understand each other without words, and really, music has no age limit.

I wish you peace and quietness in your hearts, appreciate every moment of your life and enjoy every minute of it.
Take care of yourself, your nearest and dearest. And let your soul always shine, no matter what’s around you.“

15:27 Uhr

Dort sitzt du ein weiteres Mal auf der Spitze der Pyramide beim Sonnenuntergang. In der Weite nichts als Sand und der brennende Himmel verschwommen irgendwo am Horizont. Du kannst die Drehung der Erde wahrnehmen. In einer anderen Welt würden sich am Himmel zwei Monde befinden. Aber nicht hier. Irgendwo brennt eine Kerze. Das U-Boot dockt sich an. Ein leichter Wind zieht durch die Luft. Deine Brust hebt sich langsam von deinen Atemzügen. Wieder wachsen Wurzeln aus deinen Füßen bis in die Erde. Du hast dich an den Energiekanal angeschlossen. Durch dich hindurch strömt diese immense Kraft. Ein goldenes Licht durchzieht dich. Du bist im Zentrum deines Seins. Du hast den Magnet umgepolt. Viel fehlt nicht um in siebentausendvierhunderdreiunddreißig Jahren erneut zu erwachen. Dein Herz schlägt. Deine Hände sind im Schoß zusammengefaltet. Du betetest. Immer wieder streichst du mit deiner Zunge über die Lippen um sie mit etwas Feuchtigkeit zu benetzen. Dort unmittelbar vor dir befindet sich etwas. Zwar kannst du es weder sehen noch greifen aber du weißt aus irgendeinem Grund, dass sich dort etwas befindet. Du weilst nun auf einer Ebene fernab der Realität. Du befindest dich in einer tiefen Trance. Dein Herz schlägt. Du atmest ein und aus. Du spürst deinen Körper. Die Gedanken kommen und gehen. Der Besuch der Oase mit den Dattelpalmen und der kristallklaren Wasserquelle ist weit entfernt. Nun ruhst du hier in vollkommener Präsenz. Du hast dich gesammelt aus all den unsichtbaren Teilchen in diesem Kosmos. Zeitlose Ruhe und Frieden um dich herum. Der gleißende Feuerball taucht immer weiter in eine weitere Zwischenwelt. Die ersten Sterne ersteigen den Himmel. Du legst den Mantel über die Schultern, es wird kühl. Doch in dir befindet sich der ewige Frieden. Du atmest ein und aus, du siehst den Streifen zwischen dem Unten und dem Oben am Horizont, du fühlst den Stein unter deinem Gesäß, du schmeckst es immer noch das Abenteuer und das Exotische. Einem Scheinriesen gleich wirst du immer größer und größer. Du hast vergessen wer du einst gewesen bist, noch von welchem Planeten du ursprünglich gesendet wurdest. Auf deinem Weg hast du all deine Dokumente und Papiere verloren. Du besitzt weder Smartphone noch Computer. E-Mail-Adresse, Name, Familie, Freunde, Ausbildung, alles unendlich weit entschwunden gleich aus einem anderen Leben. Du atmest tief ein und aus.

Auf einer anderen Ebene sitzt du im Zug oder am Steuer deines Fahrzeuges. Doch nicht hier. Nein, nicht an diesem Flecken. Die Beduinen und Karawanen zogen in andere Richtungen. Funken auf der zeitlosen Oberfläche im Universum. Kontinuierlich fällt ein Sandkorn auf ein anderes in einer Glasuhr auf dem Regal in einem Gebäude. Du spürst deinen Herzschlag. Dein Geist ist leer. Du siehst einzig diese ewige Weite der Wüste und immer mehr leuchtende Punkte über deinem Haupt. Du öffnest die Flasche und trinkst. Du labst dich an dem kühlen Nass. Du kannst wahrnehmen, wie es deine Zellen mit frischem Leben aktiviert. Pures Wasser trägst du immer bei dir. Das ist einer der wenigen Mehrwerte der beiden kleinen Apparaturen, die du mit dir trägst. Einer intelligenten Maschine können sie Indizien hinsichtlich deines Ursprungs liefern. Es ist spät geworden. Dialoge sind vergeblich zu suchen. In welche Richtung wirst du weitergehen? Irgendwie bist du in Ägypten gelandet, irgendwie haben dich die Pyramiden von Gizeh angezogen. Irgendwie hast du es geschafft bis auf die Spitze zu klettern. Damals wurdest du mit den zentralen Parametern dieser blauen Erde gebrieft: Einwohnendenzahl, Namen und Größen der Kontinente und Länder, jeweilige Wirtschaftsschwerpunkte und strategische Standorte, kulturelle Schmelztiegel, Suchtpotentiale und -lagen, einflussreiche Persönlichkeiten vor und hinter den Kulissen, digitale und analoge Geldflüsse, wichtige Infrastrukturkreuze und und und. Du kanntest jedes große und kleine Rechenzentrum, all die Fachbegriffe aus den Enzyklopädien, die Errungenschaften der unterschiedlichsten Kulturen und Individuen. Ein Blick auf einen anderen Menschen und du wusstest, welchen Bildungshintergrund er hatte, welche Sprachen er sprach, was seine persönlichsten Wesenszüge und intimsten Gedanken waren. Du kanntest seine Schwachstellen und wusstest was du mit ihm machen musstest, um ihn in die Richtung der übergeordneten Mission zu lenken. Der einzige Grund deiner Anwesenheit. Das Budget über welches du verfügtest war grenzenlos. Du hättest jedes einzelne Unternehmen, Inseln, Länder, Universitäten oder Menschen kaufen können. Doch das hätte einzig Aufsehen generiert. So hast du dich für deinen eigenen Weg entschieden. Dieser war ein schmaler Pfad zwischen den Instruktionen und Lehren die du durchlaufen hattest und dem Herzen in deiner Brust. Hier zwischen den Ozeanen warst du auf dich alleine gestellt. Die Peilsender sowie deinen Identitätscode hattest du entfernt.

Und so saßt du auf der Spitze der Pyramide, atmetest, nahmst war und da ward es Nacht. Du kanntest die Bibliotheken und die Museen, die politischen Machtzentren, all die Serien und Filme die sie schauten. Ihr hattet eine künstliche Intelligenz programmiert, die Übersicht über jeden einzelnen Mausklick, jede Suchanfrage, jeden Geldtransfer, jede Kamera, jedes Wort und jede Bewegung eines Menschen überwachen konnte. Stille umgab dich, um dich herum nichts als Sand, Sterne und Mystik.

Über einen Zeitraum von ein paar Jahrtausenden hattet ihr jede einzelne zivilisatorische Errungenschaft, jedes Boot auf dem Meer, jede Malerei und jedes Gespräch verfolgt. Ihr kanntet alles. Du kanntest alles. Im Prinzip warst du überflüssig. Doch du warst ein Bote gleich von einem anderen Planeten, du warst ein O. Auf der ersten Stufe wurdest du bereits eingeweiht. In dem weißen Raum da du am Pult mit all den Hebeln und Schaltern warst konntest du beispielsweise das Jahr oder deine räumliche Positionierung steuern. Anfangs amüsierte es dich noch, wenn du in einen Morpho-Schmetterling schlüpfen konntest und von Kanada bis nach Mexiko zogst. Du durftest in jede Rolle schlüpfen. Du konntest Mensch, Tier, Pflanze, Stein, Gegenstand oder Wasser sein. Hätte dich jemand von diesen paar Milliarden Seelen gefragt, welche Momente dir am meisten in Erinnerung blieben wären es folgende geblieben:

  1. Die Konstruktion des Muisca-Goldfloßes
  2. Der Zeppelinflug des LZ127 über die Nadel der Kleopatra in New York
  3. Deine stundenlangen Tauchgänge im Ch’ŏnji-Gebirgssee auf dem Paektusan
  4. Die Geburt, dein Leben, deine Streifzüge und dein Tod als Swainson-Tukan in Ecuador
  5. Die Gründung der Stadt am Pazifik am 04. September 1781 auf dem Territorium der Tongvá-Indigenen
  6. Die Anfertigung der Nikopeia-Ikone
  7. Der Fall von Neuschwanstein 1.

Unendlich lange hättest du weiter erzählen können. Du verbrachtest beliebig viele Zeiteinheiten mit Nikola Tesla im Wardenclyffe-Turm, warst im Zentrum des Idai-Zyklons, standest als Norgay neben Hillary auf dem Himalaya oder als Aldrin auf dem Mond, warst Zeuge der Romeo-Explosion und Pilger auf dem Kumbh-Mela, dem Haddsch oder dem Arbain-Fest. Du hisstest die Flagge auf dem Reichstag, gingst als Philippe Petite über die World Trade Center, fertigtest den Lageplan von Merkers Goldraum an, saßt am Tisch mit Khruschev und Castro, fuhrst als Warby im Spirit of Australia, bemaltest den Eiffelturm 1924, tauchtest mit Don Walsh im Mariannengraben oder machtest 35 Liegestützen auf dem Roten Platz 1941. Doch das waren alles nichts als Spielereien.

17:24 Uhr

Was jedoch war sie die Mission auf deinem Weg, du hattest es vergessen. Leicht flackerte eine Ahnung in deinem Geiste, doch du konntest sie nicht greifen. Und so befandest du dich einfach nur an diesem magischen Ort auf den Steinen. Es war eine Nacht der Wunder. Du konntest so tief blicken wie noch niemals zuvor. Du sahst Dinge, die du bei all den äußeren Erlebnissen und Eindrücken nicht mehr wahrgenommen hattest. Du spürtest dich. Du spürtest dein Innerstes. Du warst in der Verbindung. Du genosst jede einzelne kostbare Sekunde deines Herzschlages, des Gefühls und der puren Kraft, die dich durchströmte. Ein weiteres Mal musste dein Unterbewusstsein umprogrammiert, neu eingestellt oder vielmehr im Einklang mit dem Eigentlichen kalibriert werden.

Kurz öffnetest du deine Augen, die Meditation sie wirkte, du gingst mit den Kopfhörern von deinem Bett zum Fenster und blicktest aus dem Panoramafenster. Dort im 43. Stockwerk am Central Park war es 11:08 Uhr vormittags. Auf dem Glastisch lagen die Magazine und Zeitschriften die Artikel über deinen scheinbar kometenhaften Aufstieg abgedruckt hatten. Die guten alten Printmedien, sie würden niemals sterben. Soeben kam ein frisches Blatt Papier aus dem Drucker. Es trug die Übersicht der kommenden Woche. Es standen viele Termine an, es würde unangenehm werden, das Wesentliche jedoch war, dass du anwesend warst. Im Regelfall genügte es ein paar Hände zu schütteln, Höflichkeiten auszutauschen, Komplimente zu verteilen und freundlich in die Kameras zu blicken. Lange wurde experimentiert, in welcher Erscheinung du die beste Wirkung erzieltest. Körper- und Schuhgröße, Haar- und Augenfarbe, Geschlecht, Statur, Hauttönung und Fingerabdruck wurden immer wieder modifiziert, bis du schließlich in dem finalen Kostüm ruhtest. Exakt weißt du noch, wie es sich damals vor dem Spiegel im Labor anfühlte, da du dich das erste Mal sahst. Immer wieder musstest du auf deine Hände schauen, sie bewegen und drehen, ballen und öffnen. Es waren deine Hände. Damals stelltest du dir noch vermeintlich kindliche Fragen: „Wie frei sind sie, wie frei fühlen sie sich an, was möchen sie auf meinem weiteren Weg noch erschaffen, welche Menschen möchten sie berühren, welche Werke möchten sie auf die Welt bringen, welche Oberflächen möchten sie erspüren, was und aus welchem Empfinden möchten sie streicheln, lieben und fühlen, wen möchten sie heilen, wen möchten sie schützen, wen halten und wärmen, wem Geborgenheit bieten, was möchten sie kommunizieren, welchen Streit möchten sie schlichten, wen möchten sie grüßen und umarmen?“ Ein Fingerschnipsen und sie waren verschwunden, sie konnten nicht in der Gegenwart wiedergefunden werden, es waren nichts weiter als Tagträumereien. Du ziehst deine Sonnenbrille an, drückst den Knopf am Fahrstuhl, verlässt das Gebäude und läufst die Straße entlang. Lange musstest du dich mit den Unterschieden zwischen gehen, rennen, schreiten, laufen, spazieren, wandern, schlendern, mäandrieren, staksen oder sich vorbeistehlen vertraut machen. An einem Spielplatz machst du halt, du hebst ein Blatt vom Boden auf, wendest es zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger. Ein Schrei zerreißt die Stille, du blickst dich um, doch da ist nichts. Alles scheint in Watte getaucht. Eine Frau mit ihrem Kind an einer Schaukel, ein Tropfen fällt vom wolkenlosen Himmel. Ein Tag für die Götter ist es nicht, die Schuhe werden über den recycelten Asphalt gegangen, die Atmosphäre leicht gespenstisch. Du kannst es nicht wirklich einordnen, fragst dich, ob du Jim Carrey in „Die Truman Show“ oder Tom Cruise in „Vanilla Sky“ bist. Ein paar autonome Shuttle surren fast geräuschlos in konstanter Geschwindigkeit mit Radfahrenden, Logistikrobotern oder Scootern. Ein zweiter Tropfen fällt herab auf deine Haare. In Mexiko wird ein Mensch in diesem Moment den Popocatepetl bewundern denkst du dir. Im Prinzip ist es bedeutungslos, was du machst, fühlst oder wohin du gehst. Hinter einer doppelten Wand in deinem Kleiderschrank befindet sich dein Double, das du öfter als angewiesen in Betrieb setzt. Ein paar Situationen gibt es, in denen die Schwachstellen oder sogenannten „Blind-Spots“ offensichtlich werden. Aber es ist dir gleich. Es gibt immer einen Notfallplan. Vielleicht wirst du am nächsten Morgen bereits auf einer Insel im Meer schwimmen und dieser leeren Hülle Erlaubnis geben, auf begrenzte Zeit zu leben und zu interagieren. Mit dem kreditkartengroßen Gerät in deiner Hand hast du Zugriff auf jede Bibliothek. Du kannst in einem Café sitzen und „Kyberiade“ von Stanislaw Lem auf Seite 20 aufschlagen oder „Die Propheten“ von Robert Jones, Jr. durchblättern. Gelangweilt fläzt du manchmal am Ufer eines Gewässers um Zitate aus „Alchimie des Philosophes“ von Dalí, „The Burma Road“ von Donovan Webster oder dem schwarzen Gebetsbuch auswendig zu lernen. Es gibt Situationen, da es sich lohnt diese in Gesprächen einzuflechten, es gibt Situationen, da es sich lohnt zu lesen. Über der Hochhaussilhouette ein tieffliegendes Flugzeug. Würde es einen Unterschied darstellen, wenn es ein Raumschiff wäre? Noch einmal zurück zu dem Gerät in deiner Tasche. Es ist der Katalog der Dinge und der Nicht-Dinge. Will konkret heißen, dass du theoretisch alles besitzt. Briefmarken, Münzen, Geldscheine, Gemälde, reale Orte, Filme, Fahrzeuge oder Gebäude finden dort zum Beispiel ihren Platz. Unter dem Reiter Briefmarke kannst du also Land oder Epoche auswählen (klar finden sich im Untermenü weitere Punkte wie Absender, Empfänger, verwendete Worte, xyz wieder) und auf Kongo klicken. Auf einer Marke wirst du also einen Graf Zeppelin II LZ 130 finden. Du kannst ihn herausziehen und auf dem Display von außen drehen und wenden, du kannst in ihn einsteigen und auf einer Fahrt teilnehmen. Du hast Zugriff auf die Flugroute und die Passagiere, die einst mitfuhren, du kannst dich mit ihnen unterhalten. Zugleich findest du eine abschließende Übersicht der Pakete, Päckchen, Briefe oder Postkarten, mit denen diese Marke einst versehen wurde. Du kannst sie öffnen und lesen, sehen, wer sie einst wo schrieb und an wen sie versendet wurde. Du kannst ihr auf dem einstigen Zustellprozess folgen, dich ans Steuer des Fahrzeuges setzen und hautnah mit dabei sein. Es spielt keine Rolle, wo du dich in der Realität befindest.

Ein kleineres Problem gibt es also. Mittlerweile habe ich da unzählige Abende in Konzerthallen und -sälen verbracht. Wigmore Hall, Wiener Musikverein, Walt-Disney-Concert-Hall, The Sage, Stadthalle Wuppertal, Sibelius oder Severence Hall, Sapporo Concert Hall Kitara, Elbphilharmonie oder Palau de la Música Catalana, ich war drin. Und ich war nicht nur drinnen, nein, ich habe mich auf jeden Platz gesetzt um das perfekte Hörerlebnis zu haben. Manchmal setze ich mich bis zu einhundert Male während einer Vorstellung um. Für Menschen mag das vermutlich entweder merkwürdig oder gar unmöglich erscheinen. Aber mir bereitet das Freude oder Genugtuung. Es kann sein, dass ich während der Aufführung auf die Bühne gehe weil mir das Spiel eines Instrumentes nicht gefällt. Freilich bin ich in diesem Moment nicht sichtbar. Ich kann Dinge geschehen lassen, die dazu führen, dass sich bestimmte Situationen ergeben, des Rest ergibt sich vermutlich von selbst. Wie oft habe ich meine Mittagspausen in der Carnegie Hall verbracht, mich auf die Bühne vor den leeren Saal gesetzt und ungesundes Fast-Food verzehrt? Wer hätte vermutet, dass ich einen Stuhl im Anneliese Brost Musikforum Ruhr schwarz verziert habe? Es kann sein, dass ich auf die Elbphilharmonie an der Elbe gehe, mit dem Traum der Schneeflocke auf das Aufgehen der Sonne warte, ein Schiff verlässt unter mir den Hafen, ich das Fernweh wahrnehme und alsdann hinunterspringe. Ich kann eine zehnbändige Abhandlung über die unterschiedlichsten Besonderheiten zwischen dem großen Saal im Goetheanum in Dornach, dem Herodes Atticus Odeon in Athen oder dem Athäneum in Bukarest in der Schlange beim Einsteigen in einer Metrostation im Zentrum Kairos anfertigen.

Ludwig Bleuler fertigte eine 80-teilige Gemäldeserie über den Rhein in Gouache an, ich kann eine 160-teilige anfertigen während ich auf dem Fahrradsattel sitze und die Innenstadt Breisachs erkunde. Im Fachjargon wird mit Namen wie da Vinci, Kandinsky, Malczewski, Draper oder Siemiradzki um sich geworfen, ich finalisiere mit meiner linken Hand „Der Kyklop“ no. 2 und mit der rechten „Der Distelfink“ no. 2. Freilich sind sie besser und schöner, originaler und wertvoller als die Originale. Wie oft musste ich de Chirico erklären, wie er die Pinsel zu halten hat? Wie inständig bittete ich Carl Joseph Begas darum, die Brust seiner Loreley mit dem Kleide zu bedecken? Warum sich Bosch mit seinem Garten der irdischen Gelüste nicht mehr Mühe gegeben hat ist mir bis heute ein Rätsel.

Ich habe den roten Faden verloren, muss ihn wieder aufgreifen, doch zunächst einmal wieder die Person wechseln: Du hältst also dieses Gerät in deiner Hand während du im Skilift in Kanada stehst und als Victor Horta am Schreibtisch die finalen Architekturentwürfe für den nächsten Meisterbau prüfst. Man kann es sonderbar finden, muss es aber nicht. Nun dein Gemüt huscht durch glimmende Gefilde, hüpft froschgleich auf dem aschgrauen Zementboden umher, dein Herz schlägt und wieder ist da diese Pyramide. Langsam geht die Sonne auf, du atmest tief ein und aus, lässt den Wüstensand durch deine Handfläche rinnen, raunst mit den Wölfen da sie dazu bestimmt wurden zu leben. Du bist weil du bist. Hemdsärmelig ohne jegliche Expertise mögen die einen sagen da die Obhut eingekehrt ist. Nun denn?

19:37 Uhr

Mit hochgekrempelten Ärmen und gefülltem Magen sitze ich beim Schein der Kerze mit Papayastücken wieder vor dem angebissenen Apfel und weiß, dass ich heute noch viel Schreiben werde. Es kommt mir vor wie nach Mitternacht, es ist stockdunkel, wieder fallen die schweren Regentropfen vom Himmel. Weiter spaziere ich durch den Central Park, am Obelisken streiche ich mir eine Schweißperle von der Stirn, eruiere ob es sich lohnen würde… Nein, die Melodie passt nicht, die Silhouette ist eine schöpfende Geburt für ein neues Zeitalter. Wieder bin ich mir bewusst, dass ich noch viel schreiben muss um gut zu sein. Die Kartuschen im Stein sind nicht mehr leserlich. Muss ich ihn wagen also diesen Schritt? Ich habe keine Alternative.

19:50 Uhr

Weit entfernt das Dach des Mailänder Domes, unendliche Wassermassen zwischen Europa und Amerika, wieder die silberne Gebetskette aus Kairo, der Duft aus Sandelholz hängt noch in der Luft, ich atme tief ein und aus, ich spüre meine Hände, meinen Körper und die angenehme Müdigkeit in mir aufsteigen. Immer noch sitzt da etwas in mir fest, viel hat sich heute oder gestern verändert, ich habe gerade kein Zeitgefühl, alles ist relativ, gut Ding will Weile haben, steter Tropfen höhlt den Stein. Das Wichtigste für ein zufriedenes Leben ist die spirituelle Praxis, ohne sie ist alles nichts wert.

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20:07 Uhr

Ich habe mich auf das Bett gelegt und schreibe noch etwas von Hand, weil es etwas anderes ist. Im Hintergrund brennt die Kerze. Ich bin ausgesprochen müde. Ich höre einen Livestream von Angel Healing Music mit der Bezeichnung: „Versuchen Sie, 15 Minuten lang zuzuhören, es werden Wunder geschehen – immer viel Glück und Glück“. Mit

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einem alten YT-Kanal in Verbindung mit einem früheren Projekt mit dem Titel „Success with Heart“ habe ich im Chat eine Nachricht mit neun Smileys hinterlassen. Ein vibrierendes Herz, die demütig betenden Hände, eine Gebetskette, der Heimatplanet Erde mit Amerika, ein Sonnenaufgang über dem Meer, ein Glückskeks, ein wachsender Same, die Friedenstaube und ein fremder Planet mit Umlaufbahnen. Vielleicht wird dieser Kommentar für einen anderen Menschen ein kleines Wenig von Bedeutung sein. Die Musik h-…

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eilt mich, auch wenn ich eine Werbeunterbrechung erhalten habe, im Hintergrund prasselt der Regen auf das Wellblechdach, wo werde ich morgen sein, wo werde ich morgen sein? Wie geht es weiter? Was bringt das Jahr 2024 für mich, für meine Familie, für Ma. für A. und für die Gesellschaft? Was bringt das Jahr 2024 für „Perpetuum Publishings“? Die ersten vier Monate liefen die Klickzahlen nach oben, es sah gut aus, so hätte es weitergehen können. Im Juli 76 Aufrufe, im August 165, im September 271, im Oktober 352 und dann im November der Rückschlag:

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132 Aufrufe. Da ist die Enttäuschung, die Entmutigung, die Stimme in meinem Kopf, dass es nur ein weiterer Beweis ist, dass ich unfähig bin. Doch mir ist es wichtig, ich hänge daran, ich habe bereits dafür gekämpft und ich werde es auch weiter machen, ich darf es annehmen, dass dieser Blog noch Optimierungsbedarfe hat. Ja, ich befinde mich auf der Reise und ich habe meine Träume, an denen es unweigerlich noch zu arbeiten gilt. Ich nehme es an und ich lasse mich darauf ein. „Success with Heart“ als auch „Cycle with Heart“ waren einst zeitintensiv, ich arbeitete zu viel im stillen Kämmerlein und nicht sonderlich viel passierte damals in der Zeit

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in Hamburg. 15 Tage sind es noch bis zum neuen Jahr, knapp 17 befinde ich mich in Ecuador. Gestern Abend verbrachte ich Zeit in Gedanken viel Zeit in Barcelona und im Umland. Kann ich Wunder in mein Leben ziehen? Wie mache ich weiter? Was wird in Deutschland sein? Werde ich mich wohlfühlen? Ich darf vertrauen, ich muss vertrauen, ich vertraue.

21:07 Uhr

Die Tarotkarte des Abends ist der Ritter der Stäbe. Diese Karte passt ausgesprochen gut zu meiner gegenwärtigen Phase. Er richtet seine Energie auf das Erreichen und das Visionäre. Fehlgeleitete Energie wirkt destruktiv und zerstörend. Das Kapitel des heutigen Tages lautet

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„Forgiveness“. Ja, ich befinde mich gerade nicht ohne Grund hier. Ich darf glauben und vertrauen. Ich darf meine Selbstliebe und Annahme weiter kultivieren, mir und meinen Nächsten vergeben, der Toten gedenken und immer wieder Imaginationsreisen nach Katalonien unternehmen. In mir dring da trage ich „Perpetuum Publishings“. Es geht nicht anders. Es ist ein Teil von mir so wie mein rechter Arm, so wie die Narbe auf meinem Bauch, so wie meine linke Hand. Ohne es kann ich nicht leben. Klar würde ich leben können, doch es wäre nicht das Gleiche.

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